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Gesellschaftliches Leben fundierende Ungleichheiten

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Ist schon gemeinschaftliches menschliches Leben durch Ungleichheiten der miteinander Lebenden geprägt, dann sind für das gesellschaftliche Leben Ungleichheiten die fundamentalen Impulse für das Miteinander und auch Gegeneinander. Bereits die Vielfalt der Kulturen führt dazu, dass sich der Umgang mit den fundierenden Ungleichheiten unterscheidet. Es genügt, auf die Kulturdifferenz aneinander angrenzender Länder wie Frankreich und Italien zu verweisen. Im staatlichen Coronamanagement geben die Franzosen den Jungen mehr Freiheiten als den Alten, die Italiener den Alten mehr als den Jungen. Doch Ungleichheiten differieren weit mehr noch als durch die Vielfalt der Kulturen dadurch, dass sie sich untereinander potenzieren. Das lässt sich an wenigen gesellschaftlich relevanten Ungleichheiten hinreichend demonstrieren: Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Vitale und Schwache, Reiche und Arme, Privilegierte und Benachteiligte. Wie ungleich allein schon durch dies Wenige das Alter aussieht: der gesunde und der kranke Alte, der vitale und der schwache Alte. Wer wegen Immunschwäche, angeboren oder erworben, dem Coronavirus aus eigener Natur nichts entgegenzusetzen hätte, weiß sich als Reicher, der über ein Zweithaus in einsamer Natur verfügt, ungleich besser vor der Bedrohung durch die gegenwärtige Pandemie zu schützen als der in ärmlichen Verhältnissen Lebende. Altsein in Gated Communities und in Mietskasernen – was sollte ungleicher sein? Ein armes Paar mag glücklich sein in seiner Zweizimmerwohnung, glücklich und geborgen, ein reiches unglücklich von weiter Natur oder Sicherheitskräften geschützt – das wäre nur wieder eine neue, das persönliche Leben prägende Ungleichheit, mit sich und dem Anderen im Reinen oder mit sich und dem Anderen im Unreinen zu sein. Dabei kann es sein, dass die »gleiche« Bedrohung, an Covid-19 zu erkranken, die Armen weniger ängstigt als die Reichen.

Nicht alle von der Erkrankung an Covid-19 Bedrohten wissen sich bedroht, fühlen sich bedroht. Es gibt sogar über diese Bedrohung Belehrte, die sie praktisch nicht wahrhaben wollen, so dass sie, obwohl bedroht und eigentlich darum wissend, unbedroht leben, dies mitunter bis zur eigenen Erkrankung und Erfahrung der Todesnähe. Geheilt sind sie die eifrigsten bei dem Versuch, ein Wir-Gefühl der durch Covid-19 Bedrohten zu erzeugen. Doch selbst diese gut begründeten und mit Elan betriebenen Versuche scheitern und werden das weiterhin tun. Die Ungleichheit der Bedrohten ist zu groß, ihr Eigeninteresse zu stark. Gute Chancen hat das Wir-Gefühl dagegen im Kleinen: bei den Pflegern auf einem Flur, in einem Ärzteteam, in einer Familie, bei einem Paar. Da hat es auch nichts emotional Überschwängliches, sondern ist unmittelbar von positiver lebenspraktischer Bedeutung. Nein, da ist nichts davon zu spüren, dass die Menschheit durch die Corona-Krise näher zusammenrückte. Nicht der Planet Erde als die Wohnstatt aller steht auf dem Spiel. Dafür sorgt der Klimawechsel. Nicht die Existenz des Menschen steht auf dem Spiel. Damit drohen Atomwaffen. Das persönliche Leben sehr vieler steht auf dem Spiel, und dies in komplexer Hinsicht.

Die Pandemie

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