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2.4.3 Charakteristika

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Hier sollen zunächst die Funktionen von Schemata erläutert werden.

Schemata weisen einige wesentliche Charakteristika auf:

1. Die Aktivierung von Schemata erfolgt durch vorhandene oder vorgestellte Situationen automatisch und kann von der Person nicht direkt willentlich herbeigeführt werden. Um im Therapieprozess ein Schema zu aktivieren, muss sich eine Person deshalb eine relevante Situation möglichst konkret vorstellen.

2. Die Aktivierung von Schemata erfolgt schnell und kann in der Regel von einer Person kaum kontrolliert werden.

3. Sobald ein Schema aktiviert ist, dominiert es in hohem Maße die Informationsverarbeitung und führt zu einer Art von »voreingenommener« Verarbeitung (»voreingenommen« deshalb, weil die Verarbeitungsergebnisse extrem starr durch das Schema determiniert werden und damit reale Gegebenheiten kaum noch berücksichtigen).

4. Durch diese Verarbeitungen gelangt eine Person zu Schlussfolgerungen, die subjektiv stark überzeugend sind und von der Person nur schwer in Frage gestellt werden können.

5. Dabei können die schema-gesteuerten Verarbeitungen (mehr oder weniger) stark von »der Realität« (d. h. von einer durch sorgfältige Analyse-Prozesse zustande gekommenen Interpretation) abweichen.

Meist zeigen Klienten hier ein sogenanntes »doppeltes Überzeugungssystem«: Rational wissen sie oft, dass ein Schema-Inhalt falsch oder irrational ist – sie haben damit also einen Zugang zur Realität. Ist ein Schema jedoch aktiviert, dann blockiert dies die rationale Überzeugung, die der Person dann nicht mehr zugänglich ist. Daher glaubt die Person dann den Schema-Inhalt, obwohl sie eigentlich weiß, dass er Unsinn ist. Deshalb macht es oft keinen Sinn, Klienten einfach klar zu machen, dass der Inhalt falsch ist, das wissen sie meist schon, aber es nützt ihnen nichts. Vielmehr muss man hier Schemata aufwendig hemmen.

Situationen führen (über elementare Verarbeitungsprozesse) »bottom up« zu einer Aktivierung relevanter Schemata. Einmal aktiviert führen Schemata zu bestimmten Kognitionen und Interpretationen der Situation. Schemata lösen aber auch (über ihre affektiven Informationen und entsprechende Verarbeitungsprozesse) Affekte (z. B. Unwohlsein, »Druck auf der Brust«, u. a.) aus. Weiterhin können sie weitere Interpretationsprozesse auslösen, durch die es dann zu Emotionen (Angst, Ärger, usw.) kommen kann (vgl. Sachse & Langens, 2014). Schemata können aber auch direkt Handlungsimpulse (z. B. Flucht- oder Vermeidungstendenzen) auslösen.

Schemata entstehen durch Schlussfolgerungen aus Erfahrungen, die gespeichert werden: Aus Reihen von Erfahrungen zieht die Person hoch generalisierte und völlig von konkreten Situationen abstrahierte Schlussfolgerungen über sich selbst, über ihr eigenes Wohlergehen, über Beziehungen, über »die Realität«. Diese Schlussfolgerungen bilden die im Schema gespeicherten Annahmen (also die Schema-Inhalte).

In der Biographie erhält eine Person z. B. negatives Feedback von einer Person (wie dem Vater; es kann sich aber auch um jede andere relevante Bezugsperson handeln) der Art: »Das schaffst Du nicht.«, »Du bist nicht gut genug/nicht intelligent genug.« u. a. Die Person zieht dann aber nicht den Schluss »Eine Person war der Meinung, ich sei nicht intelligent.«, sondern »Ich bin nicht intelligent.« Dann wird dieses Schema auch durch sehr viele Situationen ausgelöst, indem es um Leistung, Probleme, Anforderungen u. a. geht.

Man muss davon ausgehen, dass Schemata bei der Verarbeitung von Information eine Filter-Funktion ausüben: Schemata lassen alle Informationen durch oder verstärken die Informationen sogar, die mit den Inhalten des Schemas übereinstimmen oder damit vereinbar sind.

Jede schema-konsistente Information kann das Schema stärken oder bestätigen. Aus der Sicht der Person ist es eine »Bestätigung durch die Realität«, tatsächlich kommt der Beweis aber durch die voreingenommene und selektive Verarbeitung des Schemas zustande. Dabei kann die Person, wie gesagt, die Bestätigung durch ihr eigenes Handeln selbst hergestellt haben (was sie aber nicht mehr erkennt).

Hat eine Person einmal ein bestimmtes Schema gebildet, dann schottet sich dieses Schema durch seine Filter-Funktion komplett ab. Es nimmt schema-inkonsistente Information nicht zur Kenntnis oder wehrt sie systematisch ab. Damit ändert sich ein Schema, wenn es einmal etabliert ist, auch kaum noch. Dann helfen auch korrigierende Erfahrungen nicht mehr, denn sie werden durch das Schema »geschreddert«: Das Schema sagt, solche positiven Feedbacks beruhen »auf Zufall«, »sind ein Einzelfall«, »der Feedback-Geber hat die Defizite gar nicht erkannt« usw. Man kann sagen, dass sich Schemata sogar in gewisser Weise gegen Veränderungen wehren. Dies macht eine Schema-Disputation und -hemmung in der Therapie so aufwendig und schwierig. Daher ist auch eine einfache Gabe von Information oder eine Einsicht in aller Regel nutzlos!

Psychotherapie von Persönlichkeitsstörungen

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