Читать книгу Eringus - Freddoris magische Eiszeit - Rainer Seuring - Страница 9
Kleyberch – auf ewig geheimnisvoll und wundersam
Оглавление„Dankwart, ich brauche deine Hilfe.“
Anschild Kleyberch, der jüngste Zwerg aus Kleyberch, von dem keiner weiß, wer er ist und woher er stammt, ist verliebt in König Sigurds Tochter Carissima. So weit, so gut und auch überhaupt nicht verwunderlich. In ihrem dreißigsten Lebensjahr ist die Prinzessin ein Anblick, der fast alle männlichen Zwerge ins Schwärmen und Träumen bringt. Besonders ihr Mund hat es Anschild angetan. Gleich, was sie auch spricht, er hängt mit seinem Blick wie hypnotisiert an ihren vollen Lippen, die so herzzerreißend schmollen können. Jedes Wort saugen seine Augen förmlich aus ihr heraus ohne zu hören oder gar zu verstehen, was sie ihm sagt. Peinlicher Weise muss er dann immer wieder nachfragen, was sie gerade von ihm will. Irgendwann, so denkt er sich, werde ich an diesen Lippen knabbern. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg und Dankwart soll ihm nun dabei helfen.
Anschild hat den Wohnraum seines Ziehvaters betreten, wo jener sich gerade über Texte im Buch >Utz wider die Alben< Gedanken macht. Es fällt nicht nur ihm schwer zu begreifen, dass er über 800 Jahre in der zerstörten Festung Kleyberch geschlafen hat. Für ihn hat dieses Buch eine ganz andere Bedeutung, als für die Steinenauer Zwerge. Ist es für die Letzteren die Erzählung aus alten Zeiten, so ist es für Dankwart eher der Bericht der Geschehnisse von gestern. Für eine kurze Zeit war er Teil dieser Geschichte. Nun hebt er den Kopf und sieht Anschild mit müden braunen Augen an. Sein Studium dauert schon eine lange Weile und es hat ihn leidlich erschöpft. Er trägt eine lederne alte Hose, ein etwas schmutziges helles Leinenhemd, das etwas über der starken Brust spannt und darüber eine lederne Weste. Das schulterlange braune Haar mit dem leicht blonden Schimmer hängt ihm etwas vor das Gesicht und er schnickt es mit einer kurzen Kopfbewegung zur Seite.
„Was hast du auf dem Herzen?“
„Die Liebe, Dankwart, ich bin verliebt.“ Die Anrede Vater war niemals gebräuchlich zwischen den Beiden. Verständlich, wurde der kleine Anschild ohne weitere Erklärung oder Namensnennung dem damals verletzten Krieger einfach in den Arm gedrückt, zum Schutze anvertraut. Es war nie ein Geheimnis für den Knaben, dass er einen Ziehvater hat.
„Ich weiß. Man kann es sehen. Und?
Du meinst, der Frühling des Jahres 620 muss nach dem kurzen Winter die Gefühle umso höher wallen lassen?“
Der junge Zwerg überhört die Lästerung seines Ziehvaters. „Ich will mich der Prinzessin Carissima erklären und weiß nicht wie.“
„Das schlag dir einfach aus dem Kopf und das Problem ist gelöst.“ Fast leidenschaftslos gibt Dankwart diesen Rat und verblüfft Anschild völlig.
„Was? Wieso? Äh, warum aus dem Kopf schlagen?“ Ein unbegreiflicher Rat für einen Verliebten.
„Sie ist die Tochter des Großmächtigen, darum.“ In dieser Erklärung ist für Dankwart alles enthalten, was der Begründung dient. Doch damit weckt er natürlich den Widerstand seines Ziehsohnes.
„Pah, Großmächtiger. Den Titel hat er sich angeeignet. Der gebührt nur demjenigen, der über eine Vereinigung von Königen herrscht..“
„Die es aber zurzeit nicht gibt, denn es gibt nur noch einen König und ein Zwergenreich.“, fällt ihm Dankwart ins Wort. „Ich halte es für zulässig, dass er diesen Titel führt und bin mir sicher, er gibt ihn ab, wenn ein anderes Volk mit einem eigenen König erscheint.“
„Sind wir nicht ein eigenes Volk, wir Zwerge aus Kleyberch? Warum haben wir keinen König?“, bohrt Anschild hartnäckig nach.
„Ein Volk? Ein eigener König? So ganz ohne Königreich? Was hast du für Ideen? Wir sind eine Ansammlung von Zwergen verschiedenster Herkunft aus einem ehemaligen kleinen Vorposten des Königreiches des verstorbenen Großkönigs Manegold Schmiedehammer. Und selbst wenn, so wärest du sicher nicht der Prinz. Nein, nein, vergiss es. Sie ist eine Prinzessin und was bist du?“
„Wie soll ich wissen, was ich bin, wenn ich nicht einmal weiß, wer ich bin.“ Das ist ein Schlag in eine schwärende Wunde des jungen Zwerges. Seine unbekannte Herkunft plagt ihn sehr. „So behaupte ich ab sofort, ich bin der jüngste Sohn des letzten Großkönigs. Du selbst hast die Rüstung des Kriegers, der mich dir übergab, nicht erkannt. Wer will mir das Gegenteil beweisen?“
„Und wie willst du es beweisen? Wie willst du vor dem Gelöbnis deine Verwandtschaften belegen. Du darfst sie nur heiraten wenn klar ist, dass ihr nicht blutsverwandt seid. Das solltest du wissen.“
Betroffen blickt Anschild auf seine Füße, die in bequemen Holzschuhen stecken. An diese Vorschrift der Zwerge vor dem Gelöbnis hat er nicht gedacht.
„Das kann ich nicht.“, gibt er kleinlaut zu. Da fällt ihm ein: „Von euch ist doch auch nicht einer mit den Zwergen hier verwandt. Warum sollte ich es dann sein?“
„Weil du im Grunde kein Kleybercher bist. Bedenke, warum ich dich so benannt habe. Als Kind bist du Teil unserer Gemeinschaft geworden. Und darin liegt auch dein nächster Denkfehler. Wärest du tatsächlich ein Sohn des letzten Großkönigs, Manegold Schmiedehammer, so wäre es durchaus denkbar, dass du mit der Prinzessin verwandt bist. Noch ein Einfall?“
Mit hängenden Schultern steht er vor Dankwart. „Nein, im Moment leider nicht.“, antwortet er betrübt. „Aber ich gebe nicht auf.“, fährt er mit aufflammendem Trotz fort. „Ich werde einen Weg finden. Ich muss, denn sie ist die Einzige, die mir gefällt.“
„Ich weiß, dazu kommt: Sie ist die Einzige, in deinem Alter. Für dich gibt es hier kein anderes Mädchen. Es sei denn, du würdest dich den Menschenmädchen zuwenden.“
„Danke, nein, davon hab ich nichts. Fänd ich wirklich eine, die ich lieben könnte, hätte ich nicht viel davon, weil sie sehr viel früher sterben würde, als ich. Dann hätte ich vielleicht am Ende drei oder vier Frauen gehabt. Das ist nichts für mich.“
* * * * *
Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Für alle Kleybercher Zwerge hat sich im Laufe der Zeit ein Lebenspartner gefunden. Die neu gefundenen Zwerge waren sämtlich im heiratsfähigen Alter. Keiner zu alt oder zu jung. Ausgenommen Anschild.
Auf der anderen Seite sieht allerdings auch Carissima dies als ein Problem an. Rein standesmäßig hat sie nicht die Probleme, die Anschild behindern. Sie kann einen Bund mit einem von niedrigerem Stande eingehen. Dass ihre Eltern, Sigurd und Hemma, damit nicht unbedingt glücklich wären, ist keine Frage. Wen aber sonst sollte sie zum Gemahl nehmen? Rein altersmäßig gibt es nur Anschild. Denkt sie an den jungen Zwerg, wird ihr ganz warm ums Herz und ein seltsames Gefühl durchströmt ihren Körper. Er sieht aber auch gut aus. Breite Schultern mit Armen wie eine Keule. Dazwischen ein Nacken, der jedem Stier zur Ehre gereicht hätte. Die muskulöse Brust wird durch die schmale Taille deutlich betont. Die strahlenden grünen Augen, die wallende hellblonde Mähne ungebändigter Haare, die sanften Lippen und der Bart erst, scharf am Kieferknochen abgesetzt zieht sich ein nur fingerbreiter Streifen vor bis zum Kinn, wo die Vereinigung mit dem Oberlippenbart dann einen Kinnbart ergibt, welcher sich bis hinab zur Brust wellt. Carissima kann sich sehr gut vorstellen, ausgiebig in diesem Bart zu kraulen.
So oft es geht versucht sie, Anschild nah zu kommen. Natürlich so, dass es nicht auffällt, wie sie meint, denn auch sie darf nicht ganz offen her gehen und sagen: Ich will dich zum Mann. Diese Blöße will sie sich und ihrer Familie nicht geben. Schade, dass Großmutter Melisande vorletzten Winter verstorben ist. Sicher hätte die sie verstanden und einen guten Rat gehabt. Nun hoffte Carissima, dass ihr Plan, den sie sich zurecht gelegt hat, auch funktioniert.
„Väterchen!“, ruft sie, als sie zu König Sigurd in den Garten geht.
„Aha, mein Töchterchen hat was auf dem Herzen.“, stellt der geübte Vater fest. „Was darf ich dir denn Gutes tun, mein Kind?“ Sigurds langer Zopf, der in der Mitte des kahlen Hauptes mit Bändern hochgehalten wird und danach stramm geflochten auf Po-Höhe wieder in einer Spitze nach oben strebt, schwingt heftig mit, als er sich Carissima zuwendet. Der lange weißblonde Bart ist nach alter Gewohnheit unter dem Gürtel eingeklemmt und verdeckt ein wenig den fülligen Bauch.
„Alle waren schon mal in Kleyberch gewesen. Ich möchte da auch mal hin.“
„Alle waren noch nicht dort; das weißt du. Deine Mutter zum Beispiel oder Rombold Steinschloß. Und was willst du da? Da gibt es nichts mehr zu erforschen. Alles schon gesehen.“
„Mag ja sein, aber ich habe noch nichts gesehen. Ich hab keine Vorstellung, wie die dort gelebt haben. Gut, man hat mir einiges erzählt, aber das ist nicht dasselbe, als wenn ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Außerdem kannst du dir nicht sicher sein, dass es dort nichts mehr zu finden gibt. Denk nur dran: Die Kleybercher haben zehn Jahre dort gelebt und die Bücher nicht gefunden. Die sind erst aufgetaucht, als unsere Männer dort waren. Vielleicht braucht es ja noch eine hübsche junge Prinzessin, damit ein kleines Wunder geschieht.“ Sie bedenkt ihren Vater mit dem betörendsten Lächeln, dessen sie fähig ist.
Sigurd kennt seine Tochter und will ihr gar nicht den Wunsch verwehren, doch noch ein klein wenig spielen und sich zieren, das möchte ihm jetzt noch Vergnügen bereiten. „Ach was! Und du meinst, du seist die hübsche junge Prinzessin? Nun ja,“, dabei betrachtet er sie von oben bis unten, „ in gewisser Weise mag das ja hin kommen.“
„Vater!“, empört sich Carissima über des Königs Beurteilung.
„Vielleicht auch ein bisschen mehr.“, grinst Sigurd. „Und was gedenkt die Prinzessin dorten zu finden? Einen Geist, ein Ungeheuer oder einen Gatten, was ja durchaus manchmal auf das gleiche hinaus kommt.“
Erneut protestiert Carissima: „Vater!“, doch gleichzeitig hat sie auch gemerkt, schon längst die Zustimmung zu haben. Deswegen treibt sie das Spiel denn auch auf die Spitze.
„Geist und Ungeheuer steht schon vor mir. Ein Gemahl wäre tatsächlich ein Schatz, den man sich mitnehmen könnte.“, lacht sie.
„Aber sicher willst du nicht ohne Begleitung nach Kleyberch gehen. Das erlaube ich nicht. Das ist viel zu gefährlich. Es treiben reichlich Räuber ihr Unwesen. Wir hatten nun schon zwei starke Winter. Gut, dass der Letzte den Bauern mehr übrig gelassen hat, obwohl er doch, nach der Weissagung so fürchterlich werden sollte. Nun, wen geb ich dir mit?“, überlegt der Vater. „Na klar, doch. Es gibt nur einen, der dich dort führen kann. Dankwart Hammerfest wird dich begleiten. Sicher wird auch sein Ziehsohn Anschild gerne dabei sein. Dann denke ich, es sei nichts Verkehrtes, wenn auch dein Bruder Gernhelm mitkommt. Vielleicht erklärt sich Dankwarts Gattin bereit, als dein weiblicher Beistand zu fungieren. Allein unter solchen Männern kann gefährlich sein.“ Sigurd grinst seine Tochter schelmisch an. Mit Vergnügen sieht er ihr Mienenspiel, als er die Beteiligten aufzählt. Auch wenn das Töchterchen sehr vorsichtig war, so war es den aufmerksamen Eltern nicht entgangen, dass sich da etwas zwischen den jungen Leuten anknüpfte. Man wollte in keinster Weise dem Glück des Kindes im Wege stehen, doch sollte es wenigstens in gesittetem Rahmen von Statten gehen. Es ging schließlich um die königliche Familie.
„Dann lauf mal und frag alle, ob sie einverstanden sind. Auch wenn die Kammern noch übervoll sind, können wir nicht die Hände in den Schoß legen. Die erste Saat wird bald ausgebracht und da möchte ich gerne jede Hand hier haben. Wenn ihr in zwei Tagen los geht, könnt ihr in zwei Wochen wieder hier sein. Das müsste reichen.“
* * * * *
Wie es sich auch für eine Prinzessin gehört, hat sie zunächst Dankwart und dann Anschild gefragt. Was ist dem jungen Zwerg das Herz in die Höhe gesprungen. So hoch, dass er einen dicken Kloß im Hals hatte und nur zustimmend nickte. Auch Petrissa, Dankwarts Gattin, war gerne bereit, noch einmal mit nach Kleyberch zu wandern.
Gernhelm allerdings macht ein etwas grimmiges Gesicht als er hört, dass Anschild in der Gruppe sei. Mit Argwohn und Eifersucht will er sein kleines Schwesterchen beschützen. Es ist keine Frage, dass er dabei ist.
* * * * *
Gleich nachdem Carissima davon gelaufen ist, rauscht es über Sigurd und Eringus landet zu einem Überraschungsbesuch. Ganz sanft kommt er zum Stehen, was bei seiner Größe immer wieder als erstaunlich bezeichnet werden muss. Für diejenigen, die ihn noch nicht kennen sollten, hier in Kürze seine Beschreibung: Eringus, der Drache, ist am Körper 11 Schritt (ein Drittel davon Hals) und Schwanz 11 Schritt lang, also zusammen 22 Schritte. Er ist 15 und einen halben Fuß hoch, 6 und einen halben Fuß breit und seine Spannweite beträgt 31 Schritte. Eringus wiegt 250 Pfund. Er hat eine lange Schnauze mit 100 Zähnen - die Reißzähne ragen seitlich aus dem Maul, dazwischen ist eine gespaltene Zunge. Er hat kräftige Kiefer und aus seinen Nüstern wabert fast ständig Rauch. Seine Ohren sind lang und spitz und in alle Richtungen drehbar. Nichts entgeht seinen aufmerksamen Sinnen.
Der Körper ist lang, schlank, perlmuttfarben, mit starken, stabilen Beine, voll Muskeln bis zum kleinsten Zeh. Der Schwanz ist am Ende abgeflacht in Form einer Pfeilspitze mit Widerhaken. Gegen Angriffe von oben schützen aufrecht stehende Schildplatten auf der Wirbelsäule. Auf dem Kopf sind drei nach vorne gebogene Hörner von zwei Fuß Länge, das mittlere Horn ist noch eine Handbreit größer. Sein Kragen am Hals ist aufstellbar und klappert bei Bedarf laut und furchterregend. An den Füßen finden sich scharfe lange Krallen und Fersensporne als Waffen. Seine Schwingenglieder sind mit scharfen Haken versehen und seine Haut ist ein Schuppenpanzer, die nur um Augen und Maul und unter den Füßen ungeschuppt ledrig ist.
Und niemals vergessen (er wird sonst sehr böse): Drachen sind keine Tiere.
Wohl wissend, dass dem so nicht sein kann, fragt Sigurd: „Hast du das mitbekommen? Mein Töchterchen meint, mich mit List und Tücke übertölpeln zu können. Sie wird immer mehr zu einem Weib, das kleine Kind.“
„Nein, hab ich natürlich nicht.“, brummt Eringus gedanklich seine Antwort. Das ist die Art, wie Drachen mit der Sprache fähigen Wesen kommunizieren. „Ich fühl mich nicht wohl.“
„Du wirst doch nicht etwa krank? Ich wusste gar nicht, dass Drachen krank werden können.“ Sigurd ist ehrlich überrascht und besorgt. „Kann ich etwas für dich tun?“
„Ja, Drachen können auch krank werden. Nein, ich bin nicht körperlich krank. Und nein, du kannst nichts für mich tun. Ich weiß selbst nicht, was es ist. Oder wie ich es sagen soll. Es ist mehr ein Gefühl.“
„Jetzt mach ich mir aber wirklich Sorgen, Großer. Seit wann weißt du nicht, wie du etwas sagen sollst? Und seit wann gibst du etwas auf Gefühle?“
Skeptisch blickt Eringus auf den Zwergen herab. „Du machst dich über mich lustig.“
„Bewahre nein.“, lautet die grundehrliche Antwort. „Du sagst selbst immer, dass nur Tatsachen für dich zählen und jetzt kommst du und redest von Gefühlen, die dein Wohlsein beeinträchtigen. Wie passt das zusammen? Soll man sich da nicht Sorgen machen?“
„Seit Beatas Geburt vor 19 Jahren hab auch ich mich ein wenig verändert.“ Bisher hat der Drache noch niemandem von seinem Erlebnis mit dem Elben (oder was auch immer) erzählt. Also weckt diese Bemerkung Sigurds Neugier.
„Ach! Nun ja, es war denkbar knapp und wenn du sie nicht beatmet hättest oder was du da gemacht hast, hätten wir nicht den ganzen Spaß mit ihr gehabt. Ich denke immer noch …“, will der Zwerg in Erinnerung rufen, doch Eringus unterbricht ihn etwas unwirsch. „Ich war sehr oft dabei. Und wenn nicht, hab ich alles schon oft genug erzählt bekommen.“
„Ist ja gut.“, brummt nun seinerseits Sigurd, etwas beleidigt ob der Unterbrechung.
„Mir ist es ernst. Da kommt nichts Gutes auf uns zu.“
„Wie? Was? Woher? Jetzt sprich endlich und stammel hier nicht so rum.“
„Pff.“, macht Eringus zum Zeichen eines verächtlichen Missfallens. „Ich stammle nicht, ich komm nur nicht recht zu Wort.“
„Dann red endlich“, fordert Sigurd ihn gequält auf.
„Wenn ich hoch in der Luft fliege, sehe ich weit im Osten dickes schwarzes Gewölk, auf breiter Fläche ganz langsam auf uns zu kommen. Als würden die Wolken in unsere Richtung geschoben.“
„Blödsinn, du musst dich irren. Zu dieser Jahreszeit kommt das Wetter hier im Land aus dem Westen und bringt warme Luft zu uns. Man spürt es, man riecht es, man fühlt es. Was da im Osten los ist, kommt nicht hierher.“ König Sigurd ist sich sicher, dass der Drache einem Irrtum unterliegt, aber dann doch nachdenklich: „Das solltest du doch eigentlich wissen. Was ist da merkwürdig?“
„Jetzt kommst du langsam mit, Zwerg. Es ist nicht normal. Das Wetter kommt aus Westen. Vollkommen richtig. Doch die Wolken kommen aus dem Osten. Was also ist da nicht richtig? Ich weiß es nicht. Auch ist es noch viel zu weit entfernt, als dass ich mich aufmachen könnte, es zu erkunden. Ich wäre viele Tage lang hier weg und ich glaube, das wäre gerade jetzt nicht besonders vernünftig.“ Er merkt den Blick des Zwergen und ergänzt in fast resignierendem Ton: „Ich weiß, das ist auch nur ein Gefühl. Aber irgendetwas in mir sagt mir, dass ich darauf hören soll. Irgendetwas Unerklärliches.“ Recht ärgerlich aber fügt er noch hinzu: „Ich hasse Glaube und alles was dazu gehört. So verdammt unerklärlich.“
* * * * *
Tatsächlich ist die Gruppe um Prinzessin Carissima nach zwei Tagen aufgebrochen und wohlbehalten in Kleyberch angekommen. Abgesehen von zwei Bettlern hat keiner versucht, sie aufzuhalten oder gar zu überfallen. Zwar lag die eine oder andere Gruppe im Hinterhalt, doch wagte sich keiner an die Zwerge. Im ganzen alten Reich und dem Wettergau ward inzwischen bekannt, dass mit diesem Volk nicht zu spaßen ist und sie sogar einstmals hier die Herren waren. Da hält man sich doch lieber respektvoll bedeckt.
Auch wenn von der eigentlichen Pracht der Festung überhaupt nichts mehr erkennbar ist, so macht der riesige Steinhaufen einen enormen Eindruck auf Carissima. Vielleicht ist es aber auch die Überwucherung durch die Pflanzen, die dem Ganzen etwas Geheimnisvolles gibt. Mit großen staunenden Augen steht sie vor den Trümmern. Obwohl es nur eine kleine Festung, eher als Vorposten zu bezeichnen, gewesen ist, lebten hier einst bis zu dreitausend Zwerginnen und Zwerge. Vieles war ähnlich der Steinenaue angeordnet, erfährt Carissima. Leider ist nun aber auch vieles nicht mehr zugänglich. Interessanter Weise reichen die Zerstörungen bis tief zu den Wohnebenen hinab, während die dazwischen liegende Höhle der Heiler nahezu unbeschädigt geblieben ist. Hier hatten bis vor Jahren die überlebenden Kleybercher Zwerge gewohnt. Auch ein Teil der Stallungen blieb weiterhin nutzbar. Dort fand sich auch alles, was zum Neustart der wieder Erwachten nötig war. Auf recht begrenztem Raum harrte man dann aus, bis völlig unerwartet, doch lange sehnlichst erhofft, die Abordnung aus Steinenaue erschien.
„Hier habt ihr also gelebt.“, stellt Carissima fest. Der Raum der Heiler ist weitläufig und im hinteren Bereich in einzelne Kammern unterteilt, wo jeder sein Rückzugsgebiet hatte. Das Brilium versieht nach wie vor seinen Dienst und die Halle ist hell erleuchtet.
„Ja. Eine der Kammern dort hinten bewohnte ich mit Anschild.“, erklärt Dankwart Hammerfest.
„Und es war alles fertig vorbereitet?“, fragt die Prinzessin.
„Ja, wir mussten die Restfestung nur noch in Besitz nehmen. Kochstellen, Schlafkammern, Waschräume, alles was zum Leben benötigt wird, war vorhanden. So hatte die Halle vor dem Krieg nie ausgesehen. Man möchte den Eindruck gewinnen, dass, während wir schliefen, hunderte von Helfern um uns herum wuselten und alles herrichteten. Keiner hat bis heute dafür eine Erklärung finden können.“
Carissima mustert weiter die weite Halle. „Recht schmucklos alles.“
„Das ist wahr. Es ist schmucklos und sicher hätten wir uns auch um entsprechende Arbeiten gekümmert, doch keiner fühlte sich dazu berufen. Ehrlich gesagt, haben wir uns auch nicht sonderlich daran gestört. Wir waren alle Zeit beschäftigt, uns zu versorgen. Die wenige freie Zeit haben wir dann lieber gemeinsam verbracht. Viel zu sehr plagte uns die Frage, was geschehen war und welche Zeit vergangen war. Denn das war uns klar, der Krieg war nicht erst seit gestern vorbei.“
„Und weitere Räume hattet ihr nicht?“
„Nein, Prinzessin. Bis auf die Stallungen und wenige Nebenräume fand sich kein weiterer zugänglicher Raum. Das war auch das Wunder, dass erst durch eure Leute die Halle mit den Büchern gefunden wurde. Ungezählte Male sind wir an dem Zugang vorbei gegangen. Sehr oft wurde mit Hämmern nach Gängen oder Hohlräumen geklopft. Nichts erschloss sich uns. Es muss erst ein Zwerg aus Steinenaue kommen und mit dem Kopf daran stoßen, damit sich der Zugang öffnet.“
„Führt ihr mich bitte hin. Ich möchte mir selbstverständlich auch diese Halle ansehen.“, bittet Carissima.
„Wenn ihr es wünscht, natürlich gerne.“
Gemeinsam wandelt die kleine Gruppe in Richtung der Ställe durch die auch hier schmucklosen Gänge. Dann führt ein Weg nach links, wie es in Zwergenfestungen üblich ist. Der Überrest des früheren allumfassenden Wendelganges. Die Räume und Hallen liegen immer zur Linken der sie umwindenden Wege.
„Sagt, Dankwart, lagen hier eigentlich keine Trümmer herum? Es ist alles sehr aufgeräumt und frei, obwohl es nicht benutzt wirkt.“, fragt die Prinzessin.
„Ihr habt gut beobachtet. Tatsächlich war der Weg so frei auch schon zu seiner Entdeckung. Kein Stäubchen lag am Boden und das Brilium leuchtete wie wohl vor Jahrhunderten. Und wie ihr seht, gibt es hier auch ein wenig Zierde an den Wänden.“
Ab und an war rechts oder links an der Gangwand das Bild eines Zwergen oder einer Zwergin bei handwerklicher Tätigkeit oder bei kämpferischen Übungen.
„Einen Moment bitte, Dankwart. Das ist doch der Wegweiser zu den Übungsräumen der Krieger. Der aber sollte doch wohl deutlich weiter oben liegen. Ist dies eine Abkürzung?“
„Merkwürdig. Von dieser Stelle gab es noch nie einen direkten Weg dorthin. Was also soll hier ein Wegweiser dorthin?“, wundert sich der Angesprochene.
„Es gab diese Hinweise immer nur an den Stellen, die dem Eingang gegenüber waren und daneben waren die Hinweise, was als nächstes kommen würde. Solch einen Wegweiser alleine gab es niemals, Dankwart.“, mischt sich nun Anschild in die Unterhaltung. Leise für sich ergänzt er: „Der muss ganz neu sein.“ Dabei befühlt er den Stein als könne er daran das Alter des Hinweises erkennen.
„Ihr wolltet doch in die Halle, wo die Bücher gefunden wurden.“, fordert Dankwart Hammerfest zum weiter gehen auf. Innerlich ist er sehr irritiert.
Nach kurzer Zeit steht die Prinzessin vor den leeren Steinregalen, in denen das Wissen und die Geschichte der Zwerge gelagert waren. Der Gang endet kurz nach dem Bibliothekseingang, als sei er nie weiter getrieben worden.
Irgendwie enttäuscht blickt sich Carissima um. Sie hat sich etwas anderes von diesem Raum versprochen. Sie sieht, wie auch in Steinenaue den Tisch mit dem steinernen Relief des alten Reiches. Ähnliche Bänke für Schüler und Pulte für Lehrer. Nichts deutet auf eine Besonderheit in dieser Halle hin. Eine enttäuschte Prinzessin in Mitten der drei Männer wendet sich dem Ausgang zu. Dankwarts Frau Petrissa ist im Gemeinschaftsraum geblieben, um für ein gutes Abendessen zu sorgen. Carissima hat die oberste Reihe der Bänke erreicht und geht in Richtung der Tür, als etwas über ihr in einem Regal ihre Aufmerksamkeit erweckt. Ganz oben, auf dem letzten Regalboden blinzelt die Ecke eines Buches herab.
„Das muss wohl vergessen worden sein.“, ruft sie und zeigt mit dem Finger nach oben.
„Tatsächlich. Da muss noch ein Buch liegen. Ich bin mir absolut sicher, dass hier nicht eines zurück blieb. Und nun ist doch noch ein Buch hier.“
Dankwart ist grenzenlos überrascht. Aufträge erfüllt er stets gewissenhaft. Schier unmöglich, dass ihm etwas abhanden kommt oder übersehen wird.
„Anschild, hol bitte die Leiter dort. Ich will das Buch holen.“
Kaum ist sein Ziehsohn wieder zur Stelle, steigt er behände hinauf, auch das allerletzte Buch zu holen. Bevor er es sich nimmt, nutzt er die Gelegenheit, sich in dieser Höhe umzusehen. Er glaubt, seinen Augen nicht mehr trauen zu können. Genau gegenüber liegt an ebensolch hoher Stelle ein zweites Buch. Mit sich und seiner Auftragserfüllung äußerst unzufrieden eilt er, auch dieses Buch zu holen.
„Grund- und Aufriss der Festungen rund um den Wettergau auf dem Stande des 50. Regierungsjahres des Großkönigs Rainald Steinschneider. Band 1 und Band 2.“, kann jeder auf den Einbänden aus dickem Leder lesen. Es sind große und sehr schwere Bücher. Die Seiten darin bestehen aus dicken Pergamentbögen. Schlägt man die Bücher auf, so findet sich auf der rechten Seite der Grundriss der jeweiligen Festung, während die linke Seite Aufrisszeichnungen aus verschiedenen Blickwinkeln zeigen. Anschild und Dankwart haben sich sofort den ersten Band gegriffen. Darin ist Kleyberch verzeichnet. Aus ähnlichem Grund studieren Gernhelm und Carissima gerade den zweiten Band. Aufmerksam betrachten sie die Zeichnungen der werdenden Festung von Steinenaue.
„Hast du diesen Gang schon einmal gesehen?“, fragt die Prinzessin ihren Bruder und deutet auf den Plan. Hier wird ein Treppengang angegeben, der aus dem Schloss heraus bis tief unter die Arbeitsstollen führt, wo weitere Kammern bezeichnet sind. Einen Plan für da unten gibt es aber nicht in diesem Buch.
„Nein, den kenne ich auch nicht. Das ist doch direkt hinter dem Thronsaal. Ich hab da aber noch nie ein Tür gesehen oder einen Hinweis bemerkt, dass da eine Tür sein sollte. Ob Vater den Gang kennt? Und was es da unten wohl zu sehen gibt?“
Dann wendet er sich Dankwart und Anschild zu. „Findet ihr auch euch unbekannte Gänge von hier? Wir haben sowas in Steinenaue. Das werde ich mir ansehen, sobald wir wieder zurück sind.“
„Auf den ersten Blick sind da ganz viele Gänge, die ich nicht kenne.“, gibt Anschild kund und bekommt einen derben Schubser von Dankwart.
„Du bist nicht hier geboren und hattest keine Gelegenheit, den Berg zu erkunden. Nein, Prinz Gernhelm. Ich fand keinen unbekannten Gang. Und ich fand auch keinen Gang, der zu dem Hinweisschild vorhin passen würde.
Vielmehr aber wundert mich, dass ich derart große Bücher für den Abtransport übersehen haben soll und mich wundert noch mehr, dass es solche Bücher überhaupt gibt. Nie sprach unser König darüber, dass der frühere Großkönig alle Festungen hat in Karten zeichnen lassen. Es ist auch nie ein Zwerg aufgefallen, der sich mit solchen Arbeiten befasste. Das 50. Regierungsjahr war das Jahr, bevor Manegold Schmiedehammer Großkönig wurde. Und bei euch ist Steinenaue drin? Da war eure Festung bestenfalls in Planung und das Innenleben des Berges weitgehend unbekannt. Irgendjemand muss die Zeichnungen vervollständigt haben.“
Dankwart kratzt sich am Kopf, doch das führt natürlich auch nicht zu größerem Verständnis.
„Seht mal: Hier enden im Haus der Heiler die Kammern, die wir bewohnten. Doch dahinter endet die Halle noch nicht. Der Raum ist noch um ein Vielfaches größer. Wer aber an dieser Wand steht hat nicht den Eindruck, dass diese durch einen Einsturz entstand. Diese Wand wurde ordentlich bearbeitet und geglättet und ein Tor oder ähnliches ist nicht zu entdecken.“ Dann zeigt er auf die Tür der Bücherhalle und meint: „Diese Tür ist deutlich eingezeichnet, weil es sie schon immer gab. Trotzdem haben wir sie fast zehn Jahre lang nicht entdeckt. Ich kann das einfach nicht verstehen.“ Erneutes Schädelkratzen. Dann schlägt er abschließend Band eins der Planbücher zu und streckt die Hand nach dem Zweiten aus. „Gebt mir bitte das Buch, damit ich sie ordentlich verwahre. Die werden auf jeden Fall nach Steinenaue mitgenommen.“
Er erhebt sich und klemmt die beiden schweren Bücher unter den Arm. Er kann sie kaum umfassen, wegen der Größe. Das Gewicht ist für einen Zwerg noch nicht der Rede wert.
„Lasst uns in den Gemeinschaftsraum gehen. Sicher ist Petrissa schon fertig und erwartet uns.“
Während des Rückwegs sagt Carissima: „Eine wahrlich wundersame Ruine. Mich juckt es in den Finger, herum zu streifen und weitere Wunder zu wecken.“ Carissima ist von Abenteuerlust gepackt.
„Wer weiß, was ihr zu bewirken im Stande seid, Prinzessin. Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass dies keine Forschungsreise sein soll, sondern nur eine kurze Besichtigung. So verfügte es euer Vater.“
„Er glaubt wohl, es sei alles schon entdeckt worden. Ich hingegen bin der Meinung, man müsse nochmals sein Glück probieren. Niemand kann wissen, was Gabbro für uns bereit hält. Sind die Bücher nicht der beste Beweis dafür?“
„Wohl war, Prinzessin, das weiß niemand. Doch denke ich, das zu erproben sollten wir auf morgen verschieben. Es ist an der Zeit ein wenig zu ruhen. Erwählt euch eine Kammer, Prinzessin. Ich werde über euren Schlaf wachen.“
„Ich beteilige mich natürlich am Wachdienst.“, vermeldet Anschild eifrig.
Und auch Gernhelm sagt: „Ich werde persönlich über meine kleine Schwester wachen.“ Dabei beäugt er mit seinen grauen Augen den jungen Kleybercher eifersüchtig. Er richtet seinen muskulösen Körper deutlich auf, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
Die kleine Schwester passt Carissima überhaupt nicht. „Ich denke, es ist überhaupt keine Wache zu halten. Wir sind hier in der Festung und das Tor ist verschlossen. Was soll also hier drin passieren?“
„Vielleicht euer Wunder, Prinzessin.“, bedeutet Anschild mit spitzbübischem Grinsen. Schade, dass man nun nicht seine Gedanken lesen kann.
* * * * *
Nach dem leckeren Abendessen aus Honigbrei, Wildbret und Fladenbrot, das Petrissa auftischte, setzt man sich noch ein wenig vor den Berg und geniest die milde Frühlingsluft. Nach dem kalten Winter ist es eine Wohltat. Dankwart hat sich ein Pfeifchen angezündet und blinzelt zum Mond hinauf, den kein Wölkchen trübt.
„Eine klare Nacht liegt vor uns. Morgen früh wird es sicher noch recht kühl sein. Doch bis wir wieder zurück wandern, wird die Sonne wohl ordentlich wärmen.“, meint er zu seiner Gattin.
„Was denn, schon morgen wieder zurück? Ich dachte wir bleiben länger, auch wenn es nur eine Besichtigung sein soll.“, protestiert Carissima. „Sicher wird sich noch was entdecken lassen.“
„Ihr glaubt tatsächlich, zwei vergessene Bücher seien Wunder genug, länger hier zu bleiben. Nein, Prinzessin. Es ist leider nur ein Wunder, wie ich diese Bücher vergessen konnte. Euer Vater hat bestimmt, dass wir nur einen Tag hier verweilen sollen.“
„Wie gemein.“, jammert sie trotzig. „Gernhelm, hilf mir doch.“
„Und wie soll ich dir helfen? Ich kann Dankwart nicht befehlen, gegen unseres Vaters Willen zu handeln. Das Ackerjahr beginnt bald und es gibt viel zu tun. Nach dem Winter muss für neue Vorräte gesorgt werden. Es war dieses Mal zwar nicht knapp mit den Nahrungsmitteln, doch denk an den prophezeiten schlimmen Winter. Wer weiß, was noch kommen mag. Die Vorhersagen von Gilbert Steinschleifer trafen noch immer ein. In die Vorratskammern passt noch etwas rein. Und ich weiß noch nicht, wie viele der Kitze und Frischlinge des vorigen Jahres der Kälte zum Opfer gefallen sind; zusätzlich zu dem was die Wölfe sich geholt haben.“
Dankwart nickt dazu und ergänzt: „Am Anfang kann man nie wissen, wie die Ernte ausfallen wird. Also muss man zuerst dafür sorgen, dass es ein gutes Jahr werden kann und den Grundstein dafür legen, indem man rechtzeitig die Saat in den Boden bringt.“
„Das ist so ungerecht. Nur mal gucken, wo andere lange Zeit suchen und forschen durften.“
Carissima ist eingeschnappt und geht in die Kammer zum Schlafen.
Obwohl die Prinzessin recht hat, dass im Berg nichts passieren kann, verabreden sich die drei Männer Wache zu halten. Das Los fällt auf Anschild als Ersten, danach Gernhelm und zuletzt Dankwart. Bis auf den jungen Kleybercher ziehen sich alle in ihre Kammern zurück.
Was dann von dieser Nacht berichtet werden wird, kann widersprüchlicher nicht sein und die Ereignisse sind bis heute nicht geklärt worden.
Anschild behauptet eine ruhige Wache gehabt zu haben. Er hat im Eingangsbereich der Gemeinschaftshalle an einem Tisch gesessen und noch ein wenig die Karte von Kleyberch studiert. Am Ende sei er gegangen, Gernhelm zu wecken und sich selbst schlafen zu legen. Irgendwann später habe ihn Carissima abgeholt und sie seien in ihre Kammer und durch eine Tür in der Rückwand in den Berg gegangen. Erst am anderen Tag seien sie wieder richtig wach geworden.
Gernhelm berichtet ebenfalls von einer ruhigen Wache. Um sicher zu sein, dass seiner Schwester kein Haar gekrümmt wird, bezieht er direkt vor ihrer Tür Posten. Keiner der anderen habe seine Kammer verlassen. Kurz vor Ende der Wache sei Dankwart erschienen und habe ihn abgelöst. Er war etwas früher wach geworden und so wurde Petrissa nicht versehentlich mit ihm geweckt.
Auch in Dankwarts Wache geschieht nichts. Leise geht er zwischen den Kammern hin und her und überlegt immer noch, wie die zwei Bücher übersehen werden konnten. Er findet dafür aber keine Erklärung, außer an seiner eigenen Aufmerksamkeit zu zweifeln.
Carissima hat fest geschlafen, als sie von Anschild geweckt wurde. Er hat ihr eine Tür in der Rückwand der Kammer gezeigt, durch die sie in den Berg gelangt sind. Sie sei dann erst am anderen Tag wieder wach geworden.
Petrissa hat als Einzige nichts zu berichten. Sie hat geschlafen. Doch will sie im Halbschlaf eine schwere Tür zuschlagen gehört haben.
Einzig nachweislich von allem bleibt die Tatsache: Carissima und Anschild sind seit dieser Nacht verschwunden.