Читать книгу Meister Heinrich Gresbeck's Bericht von der Wiedertaufe in Münster - Rainer V. Schulz - Страница 10
5 Gemeinschaft der Güter
ОглавлениеNachdem sind die Propheten, Predicanten und der ganze Stadtrat zusammengekommen, um ein gutes Gemeinwesen zu schaffen. So haben sie als erstes entschieden, dass diejenigen, die Kupfergeld hatten, dieses zum Rathaus bringen sollten, man würde ihnen anderes Geld dafür geben. So ist es geschehen. Und so sind sie fortan weiter einig geworden und haben beschlossen, dass alles Gut gemein sein soll, dass jeder sein Geld, Gold und Silber bringen soll, was letztlich auch ein jeder getan hat. Als die Propheten und Predicanten darüber mit dem Rat einig waren, haben sie das in den Predigten verkündet, dass alles Gut der Gemeinschaft gehören soll und das jeder so viel haben soll, wie der andere, egal ob sie vorher arm oder reich gewesen sind. Sie haben in der Predigt gesagt: „Liebe Brüder und Schwestern; jetzt wo wir beschlossen haben, dass wir alle gleich sind, Brüder und Schwestern, ist es Gottes Wille, dass wir unser Geld, Silber und Gold zu den anderen bringen. Der eine soll so viel haben, wie der andere. So soll ein jeder sein Geld auf die Schreibstube im Rathaus bringen. Dort soll der Rat sitzen und das Geld empfangen.“ So hat der Predicant Stutenbernt fortan gesagt: „Ihr, Christen, sollt kein Geld, Silber oder Gold haben. Es ist ein Gebot, dass alle Christen Brüder und Schwestern sind, und dass dem einen genauso viel gehört, wie dem anderen. Nichts sollt ihr besitzen, sei es Kost, Kleider, Haus und Hof. Was ihr benötigt, dass sollt ihr bekommen. Gott will, dass jeder wie der andere ist. Er hört uns alle. Meins ist auch deins und deins ist auch meins.“
So haben sie die Leute überredet dass viele ihr Geld, Silber und Gold und alles was sie hatten, gebracht haben.
Aber es ist weiter ungleich zugegangen in der Stadt Münster, in der der eine so viel wie der andere haben sollte. Da haben einige Leute in der Stadt ihr Geld, Silber und Gold abgegeben und haben nichts für sich behalten. Und ein anderer Teil der Leute hat einen Teil abgegeben, aber auch etwas behalten. Und noch ein Teil hat überhaupt nichts abgegeben. Diejenigen, die ihren gesamten Besitz abgegeben haben und nichts für sich behielten, sind gute Christen gewesen und haben Gottes Wort geliebt. Die, die etwas abgegeben haben, aber auch etwas für sich behalten, sind noch nicht reinen Herzens gewesen, denn sie haben noch gezweifelt. Diese sollten noch zu Gnaden kommen und gute Christen werden. Sie sollten weiter zu Gott beten. Die anderen aber, die ihr Geld, Silber und Gold behalten hatten, sind am nächsten Freitag zur Taufe gezwungen worden, sie sind noch gottlos.
So haben sie das Volk auf dem Markt zusammengerufen und haben dort eine Predigt gehalten. Da hat Johan van Leyden gesagt, dass es Gottes Wille sei, dass jeder sein Geld, Silber und Gold abgeben solle. „Dieses Geld, Silber und Gold ist zu unserem Besten, wir werden es behüten.“ Sie haben so grauenvoll gepredigt, und haben große Strafen angedroht, wenn jemand sein Geld behalten würde. Wenn sie jemanden erwischen konnten, der sein Geld, Silber und Gold behalten hatte, den schlossen sie aus der Gemeinschaft aus und straften ihn so, dass niemand daran denken wollte, einen Teil zu behalten.
Das Aufbringen des Geldes hat zwei Monate lang gedauert, während sie so grauselig gepredigt und gestraft haben, dass niemand etwas behalten dürfe. So haben sie noch in den Predigten sagen lassen, dass wer noch etwas behalten hätte, könnte sich jetzt noch offenbaren und abgeben, dann würde er noch in Gnaden kommen. Nach dieser Zeit gäbe es aber keine Gnade mehr, die Gnadentür wird zu gehen. Wer noch etwas hatte, ließ sich überreden, alles abzugeben.
Als der Besitz in Allgemeingut übergegangen war, da haben sie in jeder Kirchengemeinde drei Diakone eingesetzt, die das Gemeingut, Früchte, Korn und Fleisch und allerlei andere Nahrungsmittel, die in der Stadt waren, verwalten sollten. Dieselben Diakone gingen in alle Häuser und besahen, was ein jeder an Kost, Korn und Fleisch in seinem Haus hatte, und schrieben alles auf. Sie gingen auch durch die Stadt. Jeder Diakon ging in seiner Kirchengemeinde herum, und sollte sehen, welche armen Leute in der Stadt waren und sollte dafür sorgen, dass diese keine Not zu leiden hatten. Dieses taten sie anfangs zwei oder drei Mal, dann aber wurde es vergessen, damit sie noch genug Proviant hatten in der Stadt. Mit einem guten Schein trieben sie es so in der Stadt Münster. Da sie alles in den Häusern aufgeschrieben hatten, konnte niemand mehr frei über seinen Besitz verfügen. Nur was sie übersehen hatten, konnte selber verzehrt werden.
Sie haben auch an jedem Tor ein Haus gehabt; es war ein Haus der Gemeinschaft. Darin gingen alle, die an dem Tor Wache hielten oder an den Gräben arbeitete, essen. Für jedes Tor gab es einen Hauptmann und einen Predicanten und auch Rottenmeister. Der Hauptmann hatte auch einen Leutnant, der das Volk in Zwang hielt.
Sie pflegten auch an den Toren in den Gemeindehäusern zu predigen, alle Tage, des morgens oder vormittags. Die Diakone mussten Nahrung in die Gemeinschaftshäuser liefern, ein jeder für sein Tor. Jeder hatte aus seiner Kirchengemeinde einen Wirt eingesetzt, der in dem Haus kochen und das Haus pflegen musste. Wenn es aber Mittag war, und alle aßen, stand da ein Junge und las ein Kapitel aus dem alten Testament vor. Nach dem Essen sangen sie einen deutschen Psalm. Dann standen sie wieder auf und gingen an ihre Arbeit. Danach kamen die Hauptleute und aßen schweigend.
Es haben ferner die Diakone Fleisch, Speck und Korn aus den Klöstern genommen und aus den Häusern derer, die sie hinausgetrieben hatten und brachten es auf den Domhof und in die Pfarrhäuser und haben alle ernährt, so lange es ging. Als aber alles verzehrt war, begannen sie alles, was aufgeschrieben war aus den Häusern zu holen, um es den Armen zu geben.
So haben sie in einem Sommer zehn- oder zwölfhundert Kühe und andere Rinder gegessen und noch anderes Fleisch, Butter und Käse dazu, und noch Stockfisch und Hering. Den Hering pflegten sie an alle zu bringen, die an den Toren Wache hielten. Diese aber wollten den Hering nicht essen und schmissen ihn weg. Mit der Zeit ging aber die Nahrung zur Neige. Da haben sie den Hering wohl gegessen, den sie am Anfang nicht mochten. Danach musste jeder zum Essen nach Hause gehen, der etwas hatte. Aber zu Hause hatten sie auch nicht viel. Jeder hat das Seine aufgegessen, dann begann der Hunger zu kommen.