Читать книгу Meister Heinrich Gresbeck's Bericht von der Wiedertaufe in Münster - Rainer V. Schulz - Страница 4
HEINRICH GRESBECK…
Оглавление…war ein Münsterscher Bürger, seines Handwerks ein Schreiner. Sein Vater scheint zur Zeit des Aufruhrs nicht mehr gelebt zu haben. Die Mutter Margaretha, geborene Spede, die ein kleines Haus im Ueberwasser-Kirchspiel am Eingang zum Honekamp besaß, blieb während der Herrschaft der Wiedertäufer in der Stadt, und wurde nach der Eroberung, gleich vielen anderen Frauen begnadigt. Die Bürger Reinhard Stelle, ihr Nachbar, und Johann Esekinck hatten in der vorgeschriebenen Weise die Bürgschaft dafür übernommen, dass sie nur aus Zwang sich der Wiedertaufe unterworfen hatte, Heinrich war zur selben Zeit noch ein junger Mann. Von 1530 an hatte er, zum Teil als Landsknecht, außerhalb Münsters gelebt und nur einmal seine Vaterstadt wiedergesehen.
Als die Wiedertäufer in Münster die Oberhand bekamen, stand er im Dienst einer vornehmen Familie, wahrscheinlich in der nächsten Nachbarschaft des Stifts Münster. Er nahm Urlaub von seinen Herren, um seine Heimat auf kurze Zeit zu besuchen, und traf wenige Tage vor dem 27. Februar 1534 dort ein. An diesem Tag der Entscheidung zog er die Taufe der Flucht vor, und blieb in der Stadt. Er selbst gibt an, es sei um seiner armen Mutter willen und zum Schutz seines kleinen Eigentums geschehen. Dass aber noch andere Beweggründe auf ihn eingewirkt haben, mag man aus der warnenden Vorhersehung der Mutter seiner Herren schließen: „Meister Heinrich, wenn Ihr nach Münster kommt, Ihr lasst Euch taufen.“
Wahrscheinlich schon zu Beginn des Wiedertäuferreiches heiratete er ein Mädchen aus dem erbmännischen Geschlecht der Clevorn und schlug mit ihr seinen Wohnsitz im Clevornschen Hause auf. Fünfzehn Monate lang nahm er dann an den Freuden und Leiden der Gemeinde Christi zu Münster teil. Über sein persönliches Verhalten und Schicksal während dieser Zeit, wissen wir nichts; nur dass wir mutmaßen dürfen, er möge aus dem Taumel, der ihn am Anfang mit fortriss, bald erwacht und fortan nur wider Willen, der Not und seiner Furcht gehorchend, in dieser Lage verharrt sein. Mit den Führern und Häuptern der Sekte scheint er in keiner Verbindung gestanden zu haben. Er gehörte allen Anzeichen nach zum großen Haufen und begnügte sich mit der untergeordneten Rolle des Soldaten, Arbeiters, Zuschauers.
In den letzten Zeiten der Belagerung, als in der Stadt der Hunger, draußen die Landsknechte und der Tod drohten, suchte er um die Fürbitte seiner früheren Herren und der Familie seiner Frau nach, um sich dadurch für den Fall seiner Flucht aus der Stadt die Gnade des Bischofs und Sicherheit vor dem Schwert der Landsknechte zu verschaffen. Doch dieser Schritt blieb ohne Erfolg. Da entschloss er sich auf gut Glück das Wagnis zu unternehmen, verließ mit einigen Begleitern in der Nacht des 23. Mai seinen Standort am Kreuzthor, und versuchte unbemerkt über den Wall zu entkommen, den die Belagerer rings um die Stadt ausgeworfen hatten. Dies misslang zwar, aber die Knechte des Geldrischen Blockhauses, denen er in die Hände fiel, verschonten ihn aus Mitleid mit seiner Jugend und überlieferten ihn an die Herren, die von Reichs wegen die Belagerung leiteten. Auch unter diesen fand er einen Beschützer in dem Chur-Kölnischen Kriegsrat, Graf Ruprecht von Manderscheit, und man sah bei ihm umso lieber von der gewöhnlichen Strafe ab, als er sich geschickt erwies, ein Mittel zur Eroberung der Stadt an die Hand zu geben. Im Gefängnis zu Wolbeck entwarf er ein Konterfei der Stadt und ihrer Festungswerke und stellte namentlich den Teil der Befestigung, an welchem er selbst Wache gestanden, am Kreuzthor, in einem Erdmodell genau dar. Dies sei der Ort, gab er an, wo man ohne besondere Schwierigkeit Gräben, Wälle und Schanzen zur Nachtzeit heimlich übersteigen und in die Stadt eindringen könne.
Die Herren vom Reich ließen in seiner Gegenwart die bezeichnete Stelle insgeheim besichtigen, erkannten die Richtigkeit seiner Angabe und fassten seinen Plan ernstlich ins Auge. Unterdessen legte Hänschen van der Langenstraten, der zugleich mit Gresbeck die Stadt verlassen hatte und glücklich zwischen den Blockhäusern hindurch nach Hamm entkommen war, für Geld und Gnade auf dem Bevergern dem Bischof eben denselben Plan zur Eroberung Münsters vor. Nun brachte man Gresbeck mit Hänschen zusammen dorthin und ließ unter der Anweisung und Leitung beider die nötigen Vorbereitungen zur Ausführung des Angriffs machen. Zu Wilckinckhege, dann zu Koerde warteten sie die zum Angriff bestimmte Nacht des 24. Juni ab. Als man zum Werk schritt, stellte Hänschen sich an die Spitze der Knechte, Gresbeck leistete Handlangerdienste, schwamm über den Festungsgraben, befestigte die Brücke über denselben und half einem Teil der Knechte hinüber, bis die Brücke unter ihrem eiligen Andrang brach. Darüber kam er zu spät an das Tor, durch welches die ersten paar Hundert mit Hänschen hastig in die Stadt eingedrungen waren. Er fand es verschlossen und musste mit dem größeren Teil des Belagerungsheeres außerhalb der Stadt auf den Anbruch des Tages und auf die Entscheidung des in der Straße begonnenen Treffens harren.
Von seinem ferneren Schicksal wissen wir fast nichts. Wahrscheinlich ist die Spannung zwischen dem Bischof und den Reichsbeamten, die gleich nach der Eroberung in offenem Zwist ausbrach, auch für ihn von üblen Folgen gewesen. Während nämlich Hänschen, das Werkzeug des Bischofs, nach vollbrachter Tat Dank und Lohn empfing, klagt unser Gresbeck, der Schützling der Herren vom Reich, er habe all das Seinige verloren. Als unter den Wiedertäufergütern auch das Haus seiner Mutter ausgeboten wurde, bot er sich als Käufer an. Später, im Jahr 1542, scheint man sich entschlossen zu haben, ihm dasselbe zur Erinnerung an den großen Dienst, den er geleistet hatte, zu überlassen. Er wohnte damals in Osnabrück.
Dieser Mann hat die merkwürdigsten Dinge, deren Augenzeuge und Teilnehmer er gewesen ist, in einer ausführlichen Darstellung aufgezeichnet, die dem vorliegenden Band zum Gemeingut gemacht wird.
Über Zeit, Ort und Veranlassung zur Abfassung dieses Buches gibt uns niemand Auskunft. Unmittelbar nach der Eroberung hat er es wohl nicht geschrieben, sondern es scheinen einige Jahre zwischen Tat und Schilderung zu liegen; doch wird die Schrift nicht über das Jahr 1543 hinaus zu rücken sein.
Dr. C.A. Cornelius, Universität Breslau, 1853
Meister Heinrich Gresbeck an seine früheren Herren,
April anno 1535:
Meinen armen Dienst, was ich Armer vermag. Meine lieben ehrbaren Junker. Als ich, euer armer Diener, Meister Heinrich Schreiner, von euch zog mit euerm Urlaub, so ich in vierzehn Tagen wieder bei euch sein wollte, so ist das leider nicht geschehen, so bin ich um meiner armen Mutter willen zu Münster geblieben und um derselben Armut willen, die ich zu Münster hatte. Ich hatte nicht gemeint, dass es so in Münster sollte zugegangen sein. So habe ich, bekommen eine Hausfrau, welche Ew. Liebden wohl weiß, wie mir Bernt, euer Müller gesagt hat; der ist auch in Münster. Ferner, meine lieben Junker, so habe ich mit meiner Frau gesessen in ihrer Mutter und Brüder Wohnung. Hätte ich das nicht getan, so hätte ein Fremder darin gewohnt, oder sie hätten das niedergebrochen und hätten es verbrannt. So musste ich zu Münster bleiben. Denn sie sagen, das wäre alles gottloses Gut. Hätte ich nicht darin gewohnt, das wäre alles niedergebrochen, und all das meine wäre ich quitt gewesen. Ferner, meine lieben Junker und eure liebe Mutter, so bitte ich, dass ihr doch wollt für mich schreiben und bitten meinen gnädigen Herrn zu Münster, dass ich doch mag Gnade erlangen, dass ich auslaufe und laufe auf eins der Blockhäuser. Meine lieben Junker, eure liebe Mutter hat mir zuvor die Wahrheit gesagt: „Meister Heinrich, kommt ihr nach Münster, ihr lasst euch taufen.“ Sie hat mir die Wahrheit gesagt, ich wollte es nicht glauben. Meine lieben Junker, so bitte ich euch um Gottes willen, habe ich euch erzürnt, dass ihr mir das doch vergeben wollt. Denn ich bin doch euer armer treuer Diener gewesen und will euer armer Diener sein, so lang ich Leben habe. Ferner, meine lieben Junker, ich kann es mit meiner Frau nicht länger aushalten; sondern erster Tage muss ich Hungers sterben oder ich muss auslaufen und mich totschlagen lassen. So bitte ich euch, dass ihr mich doch nicht vergessen wollt. Denn wir armen Bürger, die des Freitags darin geblieben sind, die sind dazu gezwungen und konnten es nicht abwenden. Ich habe keine Schuld daran, wie Ew. Liebden wohl weiß. Ferner, meine lieben Junker, ich hoffe, dass ich von meiner Frauen Mutter und Brüdern Gnade erlangen würde, deren Geschlecht ist von den Clevorn, des seligen Albert Clevorn Tochter, ihre Brüder genannt Wilhelm und Albert Clevorn und Herr Christian Clevorn, und ihre Mutter die Clevornsche. Hätte ich Gnade von meinen gnädigen Herren und von Euch, so bitte ich Euch, dass ihr doch wollt für mich schreiben und bitten. Sonst weiß ich keinen Rat, wie ich davonkommen soll. Meine lieben Junker, tut doch hierin das Beste. Darum bitte ich Euch sehr; denn mein Dienst zu allen Zeiten. Nichts mehr als tausend gute Nacht. Ich kann vor betrübtem Herzen nichts mehr schreiben. Erlebe ich den Tag, dass ich zu Euch kommen kann, so werdet Ihr alle Sachen erfahren. Meine lieben Junker, ich bitte Euch um Gottes willen, gedenkt meiner doch an meinen gnädigen Herrn, ist es möglich. Allen meinen guten Freunden vielmals gute Nacht. Ich bleibe lebendig oder tot. Gott muss uns helfen, allen.
Ferner, meine lieben Junker, ich habe meine Wacht gegenüber dem Clevischen Blockhaus vor Münster vor dem Kreuzthor. Da könnte wohl einer rufen bei Abend oder bei lichtem Tag, und rufen Hans von Brieilen - und rufen nicht Meister Heinrich, denn, merken sie es in der Stadt, so käme ich doch um den Hals - so wollte ich sobald hinauskommen, als ich könnte. Meine lieben Junker, tut doch das Beste. Ich will euer armer Diener sein, so lang ich lebe.
Meister Heinrich, Schreiner zu Münster. Gedenket meiner.