Читать книгу Meister Heinrich Gresbeck's Bericht von der Wiedertaufe in Münster - Rainer V. Schulz - Страница 9
4 Herrschaft
ОглавлениеSo waren die Wiedertäufer in der Stadt Münster gefürchtet und sind in den Dom gezogen und haben ihn geplündert, und haben alle Pfaffen hinausgejagt. Sie haben dem Küster die Schlüssel abgenommen und haben den Dom komplett verschlossen und haben die ganze Einrichtung entzwei geschlagen, und haben so zwei oder drei Tage im Dom gelegen und haben darin gesungen und gesprungen und alle Heiligtümer zerschlagen und verbrannt und so Tag und Nacht im Dom gelegen und getrunken. Da ist in der Stadt ein großes Gerücht aufgekommen, dass sie im Dom liegen und alles entzwei schlagen. Darauf sind die Domherren und die anderen Pfaffen nicht wieder in den Dom gekommen, ehe die Stadt Münster gewonnen war.
Als nun der erste Montag in der Fastenzeit gekommen war, da haben die Wiedertäufer den alten Stadtrat abgesetzt und haben einen eigenen Rat gewählt (23. Februar 1534). Sie haben als Bürgermeister Knipperdollingk und Kipenbroick eingesetzt, und alle diejenigen, die sie noch in den Rat entsandten, waren alle miteinander Wiedertäufer, denn sie wollten unter sich sein.
Nachdem sie ihren Rat eingesetzt hatten, sind sie mit der Macht ausgezogen und haben ein Dorf mit seiner Kirche niedergebrannt, unweit von Münster, namens St. Mauritius. Darüber war mancher Mensch in Münster sehr betrübt; sie sagten untereinander, dass so etwas nimmermehr geschehen dürfte. Das sagten die Bürger, die mit den Wiedertäufern nichts zu tun haben wollten, sie haben auch nicht geholfen, das Dorf zu schlagen, sondern waren in der Stadt geblieben.
Nachdem die Wiedertäufer das Dorf niedergebrannt hatten, sind sie wieder in die Stadt gezogen und ein jeder ist nach Haus gegangen. All dieses hat der Pfaffe Stutenbernt und Knipperdollingk mit seinen Gesellen angeordnet.
Nun kam der Freitag, nach dem Montag an dem sie den Rat gewählt haben. Da sind sie des Morgens um sieben Uhr in die Stadt gelaufen, die Straßen hoch und runter und haben gerufen: „Heraus ihr Gottlosen, Gott ist erwacht und will euch strafen.“ So liefen sie durch die Stadt mit ihren Waffen, mit Spießen und Hellebarden und schlugen die Türen ein und haben jeden aus der Stadt gejagt, der sich nicht taufen lassen wollte. Diese mussten alles stehen und liegen lassen, was sie hatten, Haus und Hof, Frau und Kind und mussten so jämmerlich aus der Stadt ziehen. Es sind Männer und Frauen, die gesamte Geistlichkeit, Mägde und Kinder an dem nächsten Freitag der Fastenzeit, vormittags aus der Stadt gezogen. Es ist ein schlechtes Wetter gewesen, mit Regen, Schnee und starkem Wind. Man dürfte an einem solchen Freitag keinen Hund aus der Stadt gejagt haben, so schlecht war das Wetter. Andere Bürger und Geistliche haben bereits vor diesem Tage die Stadt verlassen. Wären diese geblieben, so hätten sie ebenfalls an diesem Freitag die Stadt verlassen müssen.
Nachdem das Volk so zahlreich aus der Stadt gezogen ist, da gab es ein großes Geschrei von den Frauen und Kindern in der Stadt Münster. Diejenigen Männer, Frauen und Kinder, die trotzdem in der Stadt geblieben sind, wurden mit Gewalt zur Taufe gezwungen, wie ihr noch hören werdet. So mussten diese Bürger und Frauen, die an jenem Freitag in der Stadt geblieben waren, auf den Markt gehen und sich taufen lassen. Da standen auf dem Markt drei oder mehr Predicanten, und tauften die Leute. Sie sagten zu den Leuten die sie tauften, dass sie das Böse lassen sollen und Gutes tun, und jeder hatte einen Eimer Wasser vor sich stehen. So gingen die Leute vor den Predicanten in die Knie und der Predicant taufte die Leute mit drei Händen voller Wasser, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Genauso haben sie die Leute getauft. Diese Tauferei dauerte drei Tage lang. Diejenigen, die getauft waren, gingen anschließend in des Bürgermeisters Haus, Kipenbroick oder Knipperdollingk‘s und ließen sich ihren Namen ändern.
Einen Teil der Leute haben die Predicanten auch in ihren Wohnungen getauft – alte und kranke Männer und Frauen, die nicht auf den Markt gehen konnten und die auch nicht auf den Markt gehen wollten.
Danach nahm man sie wieder in Gnaden.
Zu den anderen, die vor dem Freitag getauft wurden, da kann ich nicht viel drüber schreiben.
Als sie an dem Freitag die Menschen zu der Taufe gedrungen haben, haben sich diese taufen lassen, weil sie nicht aus der Stadt vertrieben werden wollten; aber auch nach der Taufe lebten sie in der gleichen Armut wie vorher und glaubten nicht, dass sich daran bald etwas ändert. Die anderen Bürger, Frauen und Geistliche, die die Stadt verlassen hatten oder mit Gewalt vertrieben wurden, die glaubten ebenfalls nicht, dass sich die Sache so bald ändert und dass sie in drei oder vier Tagen wieder in die Stadt zurückkommen dürften. O Herr Gott, wie haben sie das Volk verraten und um all seinen Wohlstand, um Hab und Gut und einen Teil ums Leben gebracht. Hätten die, die sich an diesem Freitag taufen ließen, gewusst, was die Predicanten im Schilde führen, es wäre niemand in der Stadt geblieben, sondern alle wären ausgezogen.
Nachdem sie nun das Volk fortgejagt hatten, sind sie die alleinigen Herren der Stadt Münster gewesen. Da waren die Bürgermeister Knipperdollingk und Kipenbroick und hatten die Stadt für sich alleine. Knipperdollingk ging an diesem Freitagnachmittag durch die ganze Stadt und rief: „O Vater, o Vater, vergib, vergib“, so laut er rufen konnte, als ob er irrsinnig wäre und war ganz blass im Gesicht. Knipperdollingk blieb nicht lange allein. Zehn oder Zwanzig, die auch so in allen Straßen und Gassen riefen, dass an diesem Tage ein wunderliches Wesen in der Stadt war. Und niemand kann sich das ausdenken oder beschreiben.
Bernt Knipperdollingk
Sie haben den ganzen Tag überall ausrufen lassen, dass der Rat beschlossen hat, dass alle diejenigen, die noch in der Stadt waren und nicht getauft, die sollten sich bei Sonnenaufgang aus der Stadt machen, sonst würde man sie totschlagen. Dies war für die Leute schrecklich zu hören, und das Volk war darüber entsetzt. Dies rief ein Staatsdiener, genannt Teba.
Die, die nicht getauft waren, verließen die Stadt.
Dann haben die beiden Bürgermeister, Knipperdollingk und Kipenbroick, und alle Räte, die die Wiedertäufer gewählt hatten, Wachen eingestellt, so viele sie bekommen konnten. Diese Wachen mussten jede Nacht Wache halten und haben jede Nacht Pfannen mit Feuer auf dem Marktplatz aufgestellt. Die beiden Bürgermeister und auch Johan van Leyden sind jede Nacht durch die Stadt gegangen, um die Wachen zu kontrollieren. Eines Nachts sind sie wieder durch die Stadt gegangen, um die Wachen zu kontrollieren. Dabei haben sie außerhalb ein Feuer gesehen, dass mannshoch in die Luft brannte. Das sahen beide Bürgermeister, Johan van Leyden, zwei von den Wachen und noch zwei oder drei Ratsmitglieder. Da haben Johan van Leyden und beide Bürgermeister gesagt, dass dieses Feuer von Gott aus dem Himmel geschickt sei, weil Gott die Stadt bewachen will. Danach sind sie auf die Knie gefallen und haben dem Vater gedankt.
Nun hat mein gnädiger Herr von Münster begonnen, die Stadt zu belagern und nachts zu bewachen. Ich glaube, dass seine Landsknechte dieses Feuer angezündet haben, um die Stadt zu beleuchten wenn sie nachts Wache hielten. Als sie eines Nachts wieder vor dem Feuer standen, da sagte Knipperdollingk, dass er in dem Feuer das Angesicht Mariens gesehen habe. Das pflegte er nachts sehr oft zu sehen. Die anderen, die bei ihm standen zeigten mit den Fingern in die Luft, aber sie konnten nicht das Gleiche sehen, wie Knipperdollingk es konnte. Diejenigen, die nicht das Gleiche sehen konnten wie Knipperdollingk, wurden von den anderen Wiedertäufern für weniger heilig gehalten, auch hätten sie den tiefen Glauben nicht, so wie Knipperdollingk.
Solche Dinge pflegten sie oft zu sehen; dann machten sie dem gemeinen Volk weis, dass sie nachts in der Luft drei Städte gesehen hätten. Diese Städte waren Münster, die andere Straßburg und die dritte war Deventer. Diese Städte hätte Gott auserwählt, und wollte, dass ein heiliges Volk in ihnen lebe. Darin sollte Gottes Wort niemals versiegen und von dort aus sollte Gottes Wort um die ganze Welt gehen. Das sollte von diesen drei Städten ausgehen. So haben sie noch über ein halbes Jahr von demselben Feuer gepredigt, welches sie in der Nacht vor der Stadt gesehen hatten.
Johan Matthis und Johan van Leyden waren Propheten und waren gleichzeitig die Obersten von den Bürgermeistern und den Räten der Stadt Münster. Johan Matthis war von den beiden der obere Prophet, Johan van Leyden war da noch nicht der oberste Prophet. Aber Johan Matthis sagte, dass ihm offenbart war, dass Johan van Leyden noch hochgehoben werden sollte in der Welt, um ein großer Prophet zu werden. Die Propheten und Predicanten und die Wiedertäufer, die aus allen Landen nach Münster gekommen waren, sind sich einig gewesen, was sie mit der Taufe im Sinne gehabt haben.
Es ließen die beiden Propheten, Johan Matthis und Johan van Leyden alle Mannsleute, die in der Stadt waren, mit Gewehr und Harnisch auf dem Domhof zusammenkommen. Auf dem Domhof riefen die Propheten, dass Gott zornig sei und dass es keine Gnade mehr gäbe. Dann riefen die Propheten, dass all diejenigen, die des Freitags getauft waren, sich auf die eine Seite begeben sollten. Darauf gingen diese dorthin und standen dort separat. Dann kamen einige von den Ratsleuten und Predicanten zu den anderen und sagten zu ihnen, ein jeder solle seine Waffe und den Harnisch ablegen. Das haben sie auch getan. Einigen haben die Räte und Predicanten auch die Waffe und den Harnisch mit Gewalt abgenommen. Sie mussten sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden legen und den Vater bitten, dass sie in der Stadt bleiben dürften und dass sie möchten in Gnaden kommen. Die Propheten und Predicanten sagten, Gott wolle nichts Unreines in der Stadt Münster haben; Gott wolle ein williges Volk haben, das seinen Namen preisen solle. So haben die Leute eine Stunde auf der Erde gelegen und haben geschrien und gebetet und hatten ständig Angst, dass die Propheten und Predicanten und die anderen Wiedertäufer sie totschlagen würden. Ein Teil von ihnen sagte auch, dass man sie totschlagen würde. Ein anderer Teil sagte, dass man sie nackt und bloß aus der Stadt treiben würde, dann würden sie von den Landsknechten totgeschlagen. So haben sie die anderen zu der Taufe gebracht.
Die an diesem Freitag getauft wurden, waren um die dreihundert.
Als sie nun so auf dem Domhof lagen, in großer Angst, mussten sie aufstehen und zur Lambertikirche gehen; ihre Waffen mussten sie liegen lassen. In der Kirche haben sie drei Stunden lang auf Händen und Füßen gelegen und mussten den Vater bitten, dass sie in der Stadt bleiben dürften bei dem heiligen Volk. Sie riefen mit lauter Stimme: „O Vater, o Vater, o Gott, erbarme dich unser und sei uns gnädig.“ So haben sich Frauen und Männer in den Armen gehalten und haben sich kreuzweise umherbewegt und haben getanzt und mussten so den Vater anbeten. Dabei waren auch einige kleine Jungen und Mädchen in der Kirche, die auch alle so riefen, und es war ein unheimliches Geläute in der Kirche. Es waren auch einige Wiedertäufer dabei, die an dem Freitag getauft waren. Diese gingen in der Kirche auf und nieder und sagten, „bittet, bittet, bittet den Vater in geeigneter Weise“, und gingen dem einen vor und dem anderen nach.
Einer war dabei, der ist lange still gelegen und hat sich nicht gerührt. Zu dem sind sie gegangen, haben ihn aufgerichtet und mit lauter Stimme gerufen „O Vater, vergib.“ Darauf haben sie ihn wieder hingelegt. Bald hat er sich wieder aufgerichtet, ist zu den anderen gegangen, hat die Hände in die Luft gestreckt und mit lauter Stimme „O Vater, gib Gnade“ gerufen. Dann hat er sich wieder hingelegt und ist kurze Zeit still gewesen. Dann hat er sich zum dritten Mal aufgerichtet und den Herrn wieder angerufen. Und es hat einer bei ihm gestanden, hat ihn bei den Armen gehalten und zu ihm gesagt „halt fest, halt fest, bitte treulich.“ Da hat er so lange gebetet bis er auf den Rücken niedergefallen ist und hat die Hand in die Luft gestreckt und gezeigt, als würde gleich ein Engel aus dem Himmel herunter kommen. Und der, der bei ihm stand rief „was ist das, was ist das?“, und hat er mit der Hand auf das Gewölbe in der Kirche gewiesen. Das gemeine Volk in der Kirche dachte, dass sich Gott offenbart hat, und ein Engel wäre vom Himmel gekommen. An das Kirchengewölbe war ein Gottesbild gemalt, auf dieses wies er mit dem Finger. Und als der andere ihn fragte, „was ist das“?, da zeigte er den Weg zu seinem Gott.
Johan van Leyden und ein Teil der Predicanten waren durch die Ruferei zur Kirche gekommen; nun standen Johan van Leyden und Schlachtschaep am Kirchentor und schauten zu. Als das Rufen und Zeigen mit dem Finger geschah, gingen sie in die Kirche. Johan van Leyden ging zu dem Altar und rief: „Liebe Brüder, ich soll euch von Gott verkünden, dass ihr seine Gnade habt, und bei uns bleiben sollt und ein heiliges Volk sein sollt.“
Desgleichen haben sie auch einen Wetterhahn auf einem Haus angebetet, der aus Messing hergestellt war. Auf diesen Wetterhahn schien die Sonne, so dass der Wetterhahn einen Schein von sich gab, der den Sonnenstrahlen glich. Diesen Hahn haben sie angebetet und gemeint, der Vater säße auf dem Haus. Den Wetterhahn haben sie später von dem Haus abgenommen, damit er nicht weiter angebetet würde. Dieses geschah zu einer Zeit als die Belagerung über Münster gekommen ist.
Als das Rufen und Fingerzeigen, das ich eben beschrieben habe, beendet war, und als Johan van Leyden und Schlachtschaep in der Kirche waren und dem Volk verkündeten, da ist die Gnade gekommen, dass sie in der Stadt bleiben und ein heiliges Volk sein sollen.
So haben sie in der Kirche geendet und das Volk getäuscht. Dann sind sie wieder zu dem Domhof gegangen und jeder hat seine Waffe wieder geholt und alle sind danach nach Hause gegangen.
Am nächsten Tag sind die Frauen und Mädchen auf den Domhof gekommen und haben sich dort versammelt, genau wie es die Männer getan hatten. Auch bei ihnen waren einige Predicanten, Schlachtschaep und Klopries und Bernt Krechtingk und haben sie genauso gezwungen, wie die Männer. Da haben die Frauensleute genauso geschrien und auf dem Domhof gelegen. Dann haben die Predicanten sie gedrängt, dass sie die Taufe geloben sollten und dass einige von ihnen beschmutzt sind. Schließlich sind die Frauensleute vom Domhof in den Dom gegangen. Darin haben sie auch gelegen und haben gerufen, wie es die Männer am vergangenen Tag in der St. Lambertikirche getan hatten. Schließlich hat Gott ihnen offenbart, dass sie in der Stadt bleiben sollen und dass Gott ihnen Gnade gewährt und dass sie ein heiliges Volk sein sollten. Dasselbe haben die Predicanten den Frauensleuten verkündet, wie den Männern in der St. Lambertikirche. Diese Frauensleute wurden auch alle zur Taufe gezwungen. Es waren wohl an die zweitausend, die sie so zur Taufe gezwungen haben, sonst hätten sie sie totgeschlagen oder aus der Stadt getrieben.
Eines Tages ist ein Pferd auf die Stadt zugelaufen; dieses Pferd haben sie in die Stadt geholt und Johan van Leyden und Schlachtschaep haben gesagt, dass Gott dieses Pferd geschickt habe, es sei direkt von ihm in die Stadt gelaufen. Dieses Pferd gehörte aber einem Edelmann, dem war es entlaufen. Johan van Leyden pflegte dieses Pferd zu reiten, als er König geworden war.
Als sie am Ende nichts mehr zu essen hatten, sagte Johan van Leyden, Gott habe ihm offenbart, dass sie Pferde essen sollen, aber der König solle sein Pferd vorher in Sicherheit bringen. Dann ließ Johan van Leyden sein Pferd auf seinen Hof bringen, weil es ihm Gott so gesagt hatte. Als aber der Hunger zu groß wurde, bekam Johan van Leyden dieselbe Offenbarung nochmals. So aßen sie zuerst die anderen Pferde, erst dann hat der König das Pferd gegessen, das ihm von Gott gesandt war.
Und sie haben Münzen schlagen lassen, so groß wie ein Heller. Darauf stand mit Buchstaben „das Wort wird Fleisch“. Diese Münzen gaben sie allen Männern und Frauen, die in der Stadt waren, in der St. Lambertikirche und schrieben von jedem den Namen auf. Die Münze hingen sie sich mit einer Kette um den Hals. Vier Wochen später gaben sie wieder Münzen untereinander aus, mit den Buchstaben „das Wort wurde Fleisch“, und diese Münzen waren so groß wie ein halber Pfennig. Diese verteilte Johan van Leyden in Knipperdollingks Haus. Diese hängten sie sich auch um den Hals.
Es gab einen Bürger in der Stadt, genannt Hupert Smit, der sollte eine Nacht Wache halten. Dieser Bürger hatte während der Wache gesagt, die Propheten und Predicanten wollten so lange prophezeien, bis sie uns umbringen, sie müssten wohl den Teufel im Leib haben. Das wurde den Propheten von dem Predicanten, der mit dem Bürger gemeinsam die Wache gehabt hatte, angezeigt. Da gingen die Propheten und Predicanten hin und ließen den Bürger fangen und in den Turm werfen. Am nächsten Tag ließen sie alle Mannsleute mit ihrem Gewehr auf dem Domhof zusammenkommen. Sie bildeten einen Ring und berieten sich. Am Ende ließen sie den Gefangenen in den Ring kommen. Sie klagten ihn öffentlich an, dass er über Gott, seine Propheten, Aposteln und Predicanten gesagt hätte, dass sie so lange prophezeien würden, bis sie uns umbringen, und sie müssten wohl den Teufel im Leib haben. Dann haben sie ihn gefragt, ob es stimmt, dass er das gesagt hat. Er antwortete „ja“, er könne es nicht leugnen; es wurde auch von denen bezeugt, die es von ihm gehört hatten. Da sagten die Propheten und Predicanten, er sei zum Tode, verurteilt, er muss sterben; er hätte Gott erzürnt und es sei Gottes Wille, denn Gott wollte keine Unreinen in der Stadt haben, und alles was Sünde ist, muss ausgerottet werden. Gott will ein williges Volk haben. Danach haben sie den Bürger vor den Dom geführt. Dort hat Johan van Leyden eine Hellebarde genommen und zweimal auf ihn eingestochen, aber er hat ihn nicht getötet. Was sich dann begeben hat, darüber kann ich nicht schreiben. Danach haben sie den Bürger wieder in den Turm in das Gefängnis geworfen.
Die Leute aber sind weiter auf dem Domhof geblieben. Dort haben die Propheten und Johan van Leyden und Johan Matthis gerufen, dass die Gnadentür zu wäre, dass es nun keine Gnade mehr gäbe und dass sie alle miteinander verdammt sind. Als Letztes hat Johan van Leyden sich den Rock vom Leibe geworfen und mit lauter Stimme gerufen, die Gnadentür sei zu und Gott sei sehr erzürnt und hätte ein glühendes Schwert in seiner Hand und wolle strafen; sie sollten alle im Höllenfeuer verbrennen. Dann haben alle Mannsleute mit ihrem Gesicht auf der Erde gelegen und haben geschrien und gerufen. Einige Frauen kamen auch auf den Domhof und sahen zu. Und bald riefen sie, dass ein Wunder geschehen möge. Der Tumult war unbeschreiblich. Am Ende aber haben sie den Bürger wieder aus dem Gefängnis holen und auf den Domhof bringen lassen. Der Bürger hat jämmerlich geschrien und um Gnade gebettelt. Aber die Gnadentür war noch zu. Da hat Johan Matthis, der sich für einen Propheten ausgab, den Mann an die Mauer stellen wollen um ihn zu erschießen. Aber der Bürger wollte nicht zu der Mauer gehen. Er hat sich auf die Erde geworfen und hat jämmerlich geschrien und um Gnade gebettelt. So hat Johan Mathis ein Rohr genommen und wollte ihn totschießen. Er hat das Rohr geneigt und ihm auf den Rücken gesetzt als er so vor ihm lag, und geschossen. Dann hat er das Rohr von sich geworfen. Aber der Bürger hat sich umhergewälzt und hat jämmerlich geschrien und ist nicht tot gewesen. Darauf haben sie den Bürger in sein Haus getragen, und Johan van Leyden ist dazugekommen und hat gesagt „ er geneset, er geneset“. Einen oder drei Tage darauf sind die Propheten und Predicanten wieder in sein Haus gekommen und haben ihm gesagt, von Gottes wegen, sollte er sein Leben behalten und nicht sterben. Aber am achten Tag war der Bürger tot.
Die Propheten und Predicanten sind aber noch länger auf dem Domhof geblieben und haben weiter nach denen gesucht, die noch in Sünde sein sollten. Sie haben herausgesucht den einen Bürgermeister Kipenbroick, Henrick Redeker und Mollenhecke, die Ratsherren und Altermänner vor der Taufe in der Stadt Münster waren; Henrick Redeker und Mollenhecke waren auch nach der Taufe Stadträte. Dieselben haben sie auch in den Turm oder in den Keller bringen lassen, als das Volk noch auf dem Domhof lag. Knipperdollingk lag auf der Erde und rief als ob er besessen wäre. Er lag mit seinem Angesicht auf der Erde und wühlte mit seinem Gesicht wie ein Schwein in der Erde. Er hat eine große Kuhle in die Erde gewühlt mit seinen Händen, seinen Füßen und seinem Gesicht. Schließlich haben sie die Gefangenen wieder aus dem Gefängnis auf den Domhof bringen lassen. Die Propheten haben sie mit dem Gesicht auf die Erde gelegt, und sie sollten um Gnade bitten. Das Volk wollte aber nicht, dass die Drei ebenfalls getötet werden. Da ist Johan van Leyden über den Domhof gegangen und hat in die Luft geschaut und hat prophezeit und für sich selber gesagt „es wird weiß, es wird schwarz, es wird weiß, es wird schwarz.“ So ist einer neben ihm gegangen, der hat das gehört und sonst niemand. Der, der das gehört hat, der hat es mir erzählt. Als Johan van Leyden lange genug prophezeit hatte, ging er zu den Dreien, nahm sie hoch und verkündete ihnen, dass sie Gnade von Gott erhalten hätten und sich bessern sollen. Da ist die Gnadentür aufgegangen, die den anderen Bürger um seinen Hals gebracht hat.
Zur selben Zeit sollte Tillebecke, welcher vor der Taufe ein Bürgermeister gewesen ist und am Ende der Hofmeister des Königs wurde, auch ins Gefängnis. Derselbe Tillebecke hatte dem Bischof von Münster geholfen, dass die Reiter und Landsknechte in die Stadt kommen konnten. Deshalb wollten die Propheten ihn auch totschießen.
So haben die Propheten und Predicanten zu dieser Zeit in der Stadt Münster geherrscht. Und es war nicht das einzige Mal, dass sie jemanden getötet haben und dass sie so gestraft haben.
In der Stadt war ein fremder Landsknecht. Der hatte gesagt, dass er Schlachtschaep mit seinem Gewehr, das er geladen hatte, töten wollte. Dieser Knecht hatte mit Schlachtschaep einen Streit und hat ihn angeschrien. Das wurde den Propheten und Predicanten verraten. Die Propheten und Predicanten ließen den Knecht fangen und ins Gefängnis bringen. Am anderen Tag haben sie auf dem Domhof öffentlich Gericht gehalten und ließen den Landsknecht holen. Sie haben ihn angeklagt, dass er gesagt hatte, den Predicanten Schlachtschaep zu töten, und dass er des Todes würdig sei und sterben sollte. So haben sie den Knecht an einen Baum gebunden und totgeschossen.
Dies war kein Einzelfall. Hier der Brief eines von den Münsterschen gefangenen Mannes an den Bischof Franz, Juni anno 1534:
Hochwürdiger hochvermögender Fürst und Herr, gnädiger lieber Herr. Es ist Ihnen sicher noch in frischer Erinnerung, dass ich der Gefangenschaft halber nach Münster gebracht wurde, ebenso, dass ich jämmerlich verwundet wurde am Rücken, Kinn, Hals und Bein und am Arm, aber doch bei Bewusstsein. Selbst wäre ich ein Missetäter gewesen, man sollte mich nicht so behandelt haben, wie mich armen Kerl. Als ich mit all meinen Wunden innerhalb der Stadt ankam, waren mehr als zwanzig, die mich durchstechen wollten. Des anderen Tages wollten sie mich im Bett erstechen, des dritten Tages aufhängen. 8 Tage danach auf dem Domplatz haben die Heillosen viel gerichtet. So gegen den ehrwürdigen Herman Ramert mit dem ich vor Zeiten zusammen war, der hier nicht wenig verachtet wurde, denn seine Ansichten und Vornehmheit sind anders gewesen. Er wollte aber seine Frau und Kinder nicht verlassen und so wurde er angeklagt. Ich denke, dass er dem Tode geweiht ist.
Ich war wohl einen Monat unpässlich. Dann zwangen sie mich, dass ich mit ihnen vor den Toren sein muss. Nun ist aber mit unwilligen Hunden kein Hase zu fangen. Hier kommt jeder hinein, sie geben ihm ein Haus und eine Frau. Rechtschaffene kommen nicht hierher. Sie haben mich aufgefordert, von Adeligen zu nehmen. Sie bemerkten, dass ich nicht wollte, aber sie durften mich nicht so einfach umbringen, denn ihre Gesinnung erlaubt ihnen nicht, einfach so Gefangene zu töten. Denn das Leben ist ihnen heilig. Aber ihre Statuten und Ordinarien werden weit ausgelegt.
Gibt es Gott, so komme ich in Kürze hier raus. Mir ist jämmerlich zumute; ach könnte ich hinauskommen.
G.i.f.g. armer Diener