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DIE WIEDERTÄUFER, GLAUBENSBEKENNTNIS
ОглавлениеMünster zur Zeit der Wiedertäufer
DAS MÜNSTERANER TÄUFERREICH
Die Vorgeschichte des Münsteraner Täuferreiches zeigte bis zum Sommer 1533 die typischen Konflikte zwischen Bürgertum, Stadtherrn und Klerus. Münster war zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Mittelstadt von 7.000 bis 8.000 Einwohnern, als Bischofssitz ein geistiges Zentrum in Nordwestdeutschland und ein regionales Handelszentrum. Im Mai 1525 kam es erstmals zu Unruhen, in deren Verlauf die Gilden dem Rat Beschwerdeartikel übergaben. Diese richteten sich unter anderem gegen das Schwesternhaus Marienthal, genannt Niesing. Die Schwestern handelten mit selbst produzierten Tuchwaren, mit denen sie in Konkurrenz zum städtischen Gewerbe standen. Eine weitere Forderung war die Mitwirkung der Bürgerschaft bei der Berufung von Kaplänen an die Pfarrkirchen. Der Aufstand wurde friedlich beigelegt; die Bürgerschaft scheiterte letztlich mit ihren Forderungen.
Seit 1529 predigte Bernhard Rothmann, Kaplan am vor den Toren der Stadt gelegenen Chorherrenstift St. Moritz, im Sinne Luthers. Er fand viele Anhänger in der Bürgerschaft und auch im Stadtrat. Bereits im Spätsommer 1532 wurden alle sechs Pfarrkirchen Münsters mit evangelischen Predigern besetzt, der Rat war mehrheitlich lutherisch.
Der Fürstbischof verlangte nun, Rothmann nebst den übrigen lutherischen Predigern der Stadt zu verweisen und alle kirchlichen Neuerungen einzustellen. Die Etablierung des Luthertums in Münster war jedoch nicht mehr zu unterbinden, und so musste der Bischof im Vertrag von Dülmen am 14. Februar 1533 die religiösen Verhältnisse in der Stadt anerkennen.
Bis zum Sommer 1533 ist der Verlauf der Reformation in Münster also nicht von dem in anderen Städten zu unterscheiden. In der Folge sollte sich die religiöse und politische Situation nun zunehmend radikalisieren. Zur Frage, wie es zum "Aufruhr von Münster" kam, gibt es zahlreiche Meinungen, die je nach Standpunkt die politischen, religiösen oder wirtschaftlichen Ursachen betonen. Dass es zu einer Katastrophe dieses Ausmaßes kam, war aber wohl gerade eine Folge der Verquickung verschiedener Umstände. Lange wurde die These vertreten, dass das Täuferreich ein Aufstand der städtischen Unterschichten gewesen sei. Inzwischen konnte jedoch nachgewiesen werden, dass sich unter den Anhängern der Täufer viele Mitglieder der ratsfähigen Münsteraner Familien befanden. Der Zuzug zahlreicher Täufer aus den Niederlanden und dem Umland sollte die religiösen Spannungen in der Stadt jedoch verschärfen.
Bernhard Rothmann hatte sich schon Anfang der 1530er Jahre den Lehren des Züricher Reformators Zwingli zugewandt und wurde, weil er das Abendmahl nun mit Weißbrot austeilte, auch "Stutenbernd" genannt. Ab Sommer 1533 geriet er unter den Einfluss des Täufertums, einer radikalen Abspaltung der Zwinglianer, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine Anhängerschaft in den Niederlanden besaß. Das Täufertum lehnte die Kindertaufe ab und forderte stattdessen die Gläubigentaufe. Die Vertreter dieser Lehre wurden daher abwertend auch "Wiedertäufer" genannt. Schon 1528 hatte der Kaiser ein Mandat gegen das Täufertum erlassen, 1529 folgte das Verbot im Reich mit der Begründung der Ketzerei und des Aufruhrs. Rothmann setzte sich darüber hinweg und predigte nun auch in Münster gegen die Kindertaufe. Er konnte einen Teil der lutherischen Bewegung auf seine Seite ziehen, der Rat der Stadt jedoch verbot ihm umgehend die Predigt und versuchte das lutherische Kirchenwesen zu festigen, indem er eine Kirchenordnung verfassen ließ.
Die Anfänge der täuferischen Bewegung in Münster gerieten seit Herbst 1533 zunehmend unter den Einfluss von Täuferaposteln aus den Niederlanden, die das nahe Weltende predigten. Im Januar 1534 empfingen Rothmann und ein Großteil seiner Gemeinde von den Täuferaposteln die Erwachsenentaufe. Die holländischen Täuferführer Jan Mathijs und Jan van Leiden gelangten nach Münster und riefen es zum neuen Jerusalem aus, dem Ort, an dem die Gläubigen am unmittelbar bevorstehenden Tag des Jüngsten Gerichts Rettung finden würden. Zahlreiche Täufer aus den Niederlanden, dem Münsterland und der weiteren Region sollten von nun an nach Münster ziehen.
Bei der jährlichen Ratswahl im Februar 1534 übernahmen die Täufer die Ratsherrschaft. Katholische und lutherische Bürger verließen nun die Stadt. Die neu eingeführte Gesellschaftsordnung beruhte auf der Gütergemeinschaft und der Taufe. Alle Bewohner, die nicht die Erwachsenentaufe empfangen hatten, wurden der Stadt verwiesen. Im Dom und in den Klöstern kam es zu Bilderstürmen, zur gewaltsamen Vernichtung von Heiligenbildern und Altären.
Fürstbischof Franz von Waldeck versuchte nun, seine lange ausgehöhlte Herrschaft über die Stadt wiederherzustellen und die "Ketzerei" zu beenden. Seit Februar 1534 ließ er Münster belagern und verhängte eine Handelssperre über die Stadt. Zugleich warb er im Reich um Unterstützung und erhielt sie aus Jülich-Kleve-Berg, Köln, Kursachsen und Hessen. Für die Zeitgenossen stellte das Täuferreich die bekannte soziale und politische Ordnung auf den Kopf. Luther sah in Münster den Teufel am Werk.
Nachdem Jan van Leiden schon im April die Ratsverfassung abgeschafft und einen Ältestenrat eingesetzt hatte, wurde im Juli 1534 die Mehrehe für Männer eingeführt. Im September schließlich wurde van Leiden zum König ausgerufen. Gegen alle Gegner und Kritiker gingen die Täufer mit großer Grausamkeit vor und ließen sie hinrichten.
Nachdem mehrere Versuche, die Stadt zu erobern, gescheitert waren, wurde Münster im Februar 1535 endgültig abgeriegelt. Im Juni 1535 gelang schließlich die Eroberung der ausgehungerten Stadt, bei der fast alle Männer hingerichtet und die Frauen ausgewiesen wurden. Im Januar 1536 wurden die drei Täuferführer Jan van Leiden, Bernd Knipperdollingk und Bernt Krechtingk hingerichtet und ihre Leichen am Lambertiturm in eisernen Körben zur Schau gestellt. Die ehemaligen Bewohner Münsters kehrten zurück. 1541 stellte der Fürstbischof die städtischen Privilegien außer der Ratswahl und der Gildeverfassung wieder her. Die Stadt kehrte zum Katholizismus zurück.
Quelle: Stadtarchiv Münster
Kurzer Entwurf des Glaubensbekenntnisses, von Bernhard Rothmann, Prediger der Sankt Mauritz-Kirche. Münster im Jahr nach der Geburt Christi 1532, den 23. Jenner
Von der heiligen Schrift
Ich halte mich einzig und allein an die Heilige Schrift. Durch die Heilige Schrift verstehe ich aber dasjenige Buch, welches uns weise machen kann zur Seligkeit, welche durch den Glauben an Jesum Christum allein erlanget wird; so dass ein Mensch Gottes vollkommen, und zu allen guten Werken geschickt sei.
Zuweilen wird auch die Heilige Schrift das Wort Gottes genannt; nicht darum, als wäre sie solches ihrer Natur nach, und in der Tat, sondern weil sie von dem natürlichen Worte Gottes zeuget.
Von dem Worte Gottes
Jesus Christus ist das natürliche und wahre Wort Gottes, in welchem, und durch welches alles erschaffen und wieder hergestellt ist. Eine jede Schrift, welche versichert, man könne die Vergebung der Sünden und die ewige Seligkeit durch sonst etwas, als durch Christum erlangen, ist nicht so sehr eine unnütze als vielmehr eine gottlose Schrift. Nur die, welche, und die Erlangung der Seligkeit durch Christum allein verheißet, verdienet mit recht, Gottes Wort genannt zu werden. Diesem Wort Gottes müssen wir in allen Stücken beständig Beifall geben, und demselben weder durch die Vernunft noch durch menschliche Lehren den geringsten Abbruch tun. Bei Gott sind alle Worte möglich.
Von Gott
Gott ist, sowohl nach der Erklärung der Heiligen Schrift und dem nicänischen und athanasianischen Glaubensbekenntnis ein einziger und von Natur allein gut, wahrhaftig, allmächtig, gerecht, weise, der Schöpfer und Erhalter aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Und ob zwar der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, drei Personen sind, so machen sie doch nur ein Wesen aus.
Von der Menschwerdung
Nur der Sohn allein ist Mensch geworden; das heißt, er hat die ganze menschliche Natur, die aus Seele und Leib besteht, angenommen, und zwar aus dem Fleisch und Blut der unbefleckten Jungfrau Maria, bloß zu unserem Besten.
Dieser Mensch Christus hat sich mit dem Sohn Gottes so genau vereinigt, dass beide nur eine unteilbare und unzertrennliche Person sind. Was über dem die Heilige Schrift von der Einheit Gottes, und von den drei Personen in dem einigen göttlichen Wesen lehrt, halte ich für wahr.
Von dem Menschen
Gott, welcher alle Dinge, die je geschehen sind, noch jetzt geschehen, und bis in Ewigkeit geschehen werden, mit einem einzigen Blick übersieht, hat den Menschen gut und aufrichtig erschaffen, aber doch vorher gewusst, dass er durch seinen Ungehorsam fallen würde.
Auch hat er von Ewigkeit her beschlossen, dass sein Sohn die menschliche Natur annehmen, und den gefallenen Menschen wieder aufrichten sollte. Hierdurch hat er seine Gütigkeit auf das Vollkommenste an den Tag gelegt. Der Mensch also, der von Natur gut war, wurde durch seinen Ungehorsam böse. Dieses Übel hat das ganze menschliche Geschlecht dergestalt angesteckt, dass alle, die nach dem Lauf der Natur geboren werden, sündig und Kinder des Zorns sind.
Die Sünde aber ist dieses allgemeine Übel der Natur, welches alle diejenigen, die nicht durch die Erkenntnis Christi, das ist, durch die Taufe und durch den Heiligen Geist, wiedergeboren werden, in das ewige Verderben stürzt; das also alle Menschen, welche natürlicher Weise von Adam abstammen, Knechte der Sünde sind.
Von dem Gesetz
Diese Knechtschaft, die gänzliche Verdorbenheit der menschlichen Natur, und den Zorn Gottes lernen wir durch das Gesetz Gottes kennen. Denn dazu ist das Gesetz gegeben worden, nicht dass es uns rechtfertige, sondern dass es uns verurteile und töte. Es tötet uns aber, wenn es uns unsere Sünden einsehen lässt; wenn wir unser Unvermögen zum Guten fühlen, und gezwungen werden, an unseren Kräften zu verzweifeln. Knechte der Sünde sind Gegenstände des ewigen Zorns, und der ewigen Verdammnis.
Aus der Dienstbarkeit der Sünde kann niemand durch Hilfe eines menschlichen Verstandes, noch durch eine, bloß menschliche Kraft befreiet werden. Die menschliche Natur kann von sich selbst nicht anders, als sündigen. Der nur allein kann von der Sünde befreien, der selbst keine Sünde hat, und nur der ist fähig für die Sünde zu büßen, der nicht weiß was Sünde ist. Christus Jesus ist der Einzige, der von keiner Sünde wusste, und keine Sünde getan hat; sondern für uns zur Sünde geworden ist, damit wir der Gerechtigkeit lebten. Die Gerechtigkeit, das ist die Vergebung der Sünden, erlangen nur diejenigen, welche nach der Vorschrift des Evangeliums an Christum glauben. Wo die Sünden vergeben sind, da ist die wahre Rechtfertigung.
Von dem Glauben
Durch den Glauben an Christum allein werden von Gott die Sünden vergeben. Diese Gnade wird den Auserwählten durch das Evangelium bekannt gemacht und durch den Glauben ergriffen; wie also nicht gerecht macht, als nur der Glaube; so macht nichts ungerecht, als nur der Unglaube. Der Glaube aber macht nicht darum, weil er Glaube ist, selig, sondern darum, weil Gott demjenigen, der da glaubt, die ewige Seligkeit verheißen hat. Es ist aber der Glaube, durch den Heiligen Geist in uns gewirket, dass uns Christus die Gerechtigkeit und das ewige Leben verschafft habe; welcher Glaube gar nicht durch Werke, sondern allein durch die Gnade Gottes, aus dem Hören seines Wortes erlangt wird. Darin besteht die köstliche Freiheit dieses Glaubens, dass man weiß, man sei ein Erbe der ewigen Güter.
So unmöglich es ist, dass jemand ohne Glauben Gott gefallen kann, so unmöglich ist es auch, dass man gläubig sein könne, ohne sich beständig in guten Werken zu üben. Der Glaube, der nicht durch die Werke tätig ist, ist ein toter Glaube.
Von den guten Werken
Die guten Werke des Menschen haben keinen so hohen Wert, dass man dadurch die Gnade Gottes erwerben könnte. Die guten Werke sind Früchte des Glaubens, die bösen Werke aber, Früchte des Unglaubens. So sehr die Früchte zum Wesen des Baumes gehören, so notwendig sind die guten Werke zur Seligkeit. Je tiefer jemand durch den Glauben in Christo gewurzelt ist, desto mehr Früchte der guten Werke bringt er hervor. Weder der Glaube, noch die Gerechtigkeit kommt aus den Werken, sondern die Werke kommen aus dem Glauben und aus der Gerechtigkeit. Was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.
Oft geschehen gute Werke in der Meinung, man könne dadurch gerecht und selig werden. Dieses ist eine gottlose, unselige und abgöttische Meinung. Derjenige, der sie hegt, versündigt sich wider dem Glauben, wider die wahre Verheißung Gottes, und wider die ganze erste Gesetzestafel.
Gute Werke sind nur die, welche die Heilige Schrift billigt, und böse Werke sind die, welche dieselbe verwirft. Nach unsern hier verrichteten Werken wird unser künftiges Schicksal entschieden werden. Denn die Werke sind Zeugnisse von unsern Tugenden und von unsern Lastern. Jene wirken eine Seligkeit ohne Wechsel, diese stürzen in das ewige Verderben.
Von den Satzungen der Menschen
Die Werke, welche in den Satzungen der Menschen ihren Grund haben, sind entweder unnütz oder gottlos. Das sind sehr unverschämte Betrüger, die dem Volk verheißen, dass die Werke, die aus den Satzungen der Menschen herkommen, die Vergebung der Sünde, die Gerechtigkeit und das ewige Leben wirken könnten.
Wer für die Verordnungen der Menschen, als Dinge, die zur Seligkeit nötig wären, streitet, der ist des Namens eines Mitgliedes der christlichen Kirche, welche nicht nach menschlichen sondern nach göttlichen Gesetzen regiert wird, unwürdig.
Von der Kirche
Die christliche Kirche ist eine Gesellschaft der Heiligen. Heilig sind die, welche gläubig, und mit dem heiligmachenden Christi versiegelt worden sind. Der Geist der Heiligung entstehet aus der Predigt des Glaubens oder des Evangeliums. Der Glaube kommt allein aus dem Wort Gottes. Die Kirche tut nichts zum Nachteil des Wortes Christi. Die Kirche hat auch keine Gewalt, nur einen einzigen Glaubensartikel zu machen; wie sie denn auch nie eines der Gleichen gemacht hat, noch in Ewigkeit machen wird.
Der allein hat die Macht, Glaubensartikel zu machen, der die Macht hat, zu versprechen und zu geben. Die Kirche Christi ordnet den Glauben, die Sitten und alle Handlungen nach der Richtschnur des Wort Gottes. Allen Verordnungen der Menschen also, die mit dem Evangelio Christi streiten, ist man nicht zu gehorchen schuldig. Der Beifall der Menschen, die hergebrachte Gewohnheit, das Ansehen der Lehrer und die Andacht des Herzens (wie man sich auszudrücken pflegt) bestimmen nicht den Wert einer Handlung, sondern allein die Heilige Schrift.
Die Gläubigen werden unter dem allgemeinen Namen, der heiligen katholische Kirche begriffen; nicht darum, weil sie einerlei Kirchengebräuche, sondern, weil sie einen Gott, ein und dasselbe Wort des Evangeliums, denselben Geist, und dasselbe Haupt, welches Christus ist, haben.
Von den Kirchengebräuchen
Die christliche Kirche hat die Macht, Kirchengebräuche zu verordnen, doch so, dass dieselben nicht mit den Glaubensartikeln und Lebenslehren streiten. Ferner müssen sie so sein, dass es nicht unmöglich falle, sie zu verrichten; auch darf die Kirche in der Vorschrift derselben nicht die Grenzen ihrer Gewalt überschreiten. Endlich müssen sie von der Art sein, dass sie das Gewissen nicht beunruhigen, noch fesseln.
Kirchengebräuche sind solche, welche mit Einwilligung der Kirche angeordnet sind, damit die heiligen Sakramente gehörig bedient, und alle übrigen Übungen der Gottseligkeit ordentlich angestellt werden.
Gleich wie diejenigen Zeremonien, welche der Aberglaube, dem Glauben und dem Wort Gottes zuwider, eingeführet hat, nicht so sehr unnütz, als vielmehr gottlos sind; so sind diejenigen nur allein für nützlich zu halten, welche mit dem Glauben und dem Wort Gottes übereinkommen, und zur Erbauung der Kirche gereichen.
Von den Dienern der Kirche
Einer ist der wahre Diener der Kirche, nämlich Christus, der dieselbe inwendig durch seinen Geist in dem Wort des Glaubens zur Seligkeit unterrichtet. Dieser große Lehrer hat auf Erden einige zu Bischöfen, einige zu Predigern und Diakonen gemacht, welche durch das äußere Wort die Kirche unterrichten, und regieren, damit alles ordentlich zugehe.
Alle Christen sind Priester, weil sie alle ihre Leiber Gott zum heiligen Opfer darbringen müssen; unterdessen sind sie jedoch nicht alle Kirchendiener. Diejenigen sind erst wahre, geistliche Kirchendiener, welche, durch den Heiligen Geist erleuchtet, das Evangelium predigen, die Sakramente verrichten und den Armen dienen.
Drei Dinge liefert das Evangelium der Kirche: 1. Die Lehre vom Glauben, 2. einen Unterricht, wie unsere Handlungen eingerichtet werden müssen, und 3. Zeichen der verheißenen Güter.
Von den Sakramenten
Diese Zeichen sind weder die Gerechtigkeit selbst, noch Früchte derselben. Sie sind Bilder, die uns an die Verheißung der göttlichen Gnade erinnern und uns versichern, dass wir mit Gott versöhnet seien. Dergleichen Zeichen haben wir unter dem Neuen Testament zwei, nämlich die Taufe und das Abendmahl. Die Taufe ist ein gewisses Zeichen, wodurch angedeutet wird, dass wir durch den Tod zum Leben übergehen. Denn, gleich wie dem israelitischen Volk der Durchgang durch den arabischen Meerbusen zum Zeichen der göttlichen Gnade diente; so ist es für uns ein ungezweifeltes Unterpfand der göttlichen Gnade, getauft zu werden mit Wasser in dem Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Denn hierdurch wird zu erkennen gegeben, dass uns die Sünden von allen drei Personen des göttlichen Wesens erlassen werden. Diese Verheißung, wenn sie zum Heil der Seelen angenommen werden soll, (und dieses geschieht durch den Glauben) verdienet, dass sie ganz deutlich ausgesprochen werde, damit ein jeder Zuhörer sie vernehmen könne.
Von dem heiligen Abendmahl
Das heilige Abendmahl ist ein Zeichen der uns durch Christum erteilten Gnade Gottes. Der wahre und alleinige Nutzen dieses Sakraments ist der, dass wir dadurch des Glaubens und der Seligkeit vergewissert werden. Denn so, wie Gideon dadurch, dass er das Fell nahm (Buch der Richter, Kap. 6), Gewissheit bekam, er werde in seinen Unternehmungen glücklich sein; ebenso werden auch wir, wenn wir den Leib Christi essen und sein Blut trinken, von der uns durch Christum erworbenen Gnade jedes Mal aufs Neue überzeugt. Vermöge des Zeugnisses der Heiligen Schrift, und der Einsetzung Christi, müssen alle das Heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt, wie man sich auszudrücken pflegt, genießen.
Von der Messe
Die so genannte Messe ist kein wirkliches Opfer, sondern ein Zeichen eines wahrhaftigen Opfers. Denn, gleich wie Gideon dadurch, dass er das Fell nahm, nichts darbrachte; also bringen auch wir nichts dar, wenn wir Tischgenossen des Herrn sind. Die Christen haben jetzt kein Opfer für die Sünde mehr nötig. Denn Christus hat durch ein einziges Opfer diejenigen auf beständig vollkommen gemacht, die geheiligt werden.
Gleichwie Christus nicht mehr stirbt; so wird er auch nicht mehr in der Messe dargebracht. Diejenigen Messen, welche für andere, und zwar um ihrer Sünden willen gelesen werden, sind äußerst gottlos, ja eine wirkliche Gotteslästerung, und nützen im Geringsten nichts. Wie ein jeder für sich selbst getauft wird; so hat auch ein jeder seinen Anteil an dem Tisch des Herrn. Die Messe, oder das Abendmahl des Herrn, hat weiter keinen Nutzen als sich dabei des Todes Christi zu erinnern, und uns auf das Neue gewiss zu überzeugen, dass Gott uns werde gnädig sein, und zugleich den Vorsatz in uns zu erneuern, den Geboten Gottes nach allen unseren Kräften Genüge zu leisten.
Wenn die Worte der Messen vernehmlich ausgesprochen werden, so erfährt ein jeder die Absicht und den Nutzen dieses Sakraments. Man spreche demnach diese Worte mit heller und deutlicher Stimme aus.
Die Messen für die Seelen der Verstorbenen, um sie nämlich dadurch aus dem Fegefeuer zu erlösen, sind bloße Erfindungen, wobei man keine andere Absicht hat, als den einfältigen Leien das Geld abzulocken. Die Erscheinung der abgeschiedenen Seelen, sind entweder bloße Träume oder Betrügereien des Teufels.
Bei den Toten sich nach der Wahrheit einer Sache erkundigen, ist Unrecht, ja ein Gräuel in den Augen Gottes.
Von dem Fegefeuer
Das Fegefeuer, von welchem man glaubt, dass es die Verstorbenen von dem Überrest der Sünde reinige, ist eine bloße gottlose Erdichtung. Die Meinung von diesem Fegefeuer streitet offenbar mit der ganzen Heiligen Schrift. Denn wenn dasselbe den Menschen von allem Unflat der Sünde reinigen kann, so sind die Verheißungen Gottes eitel und falsch. Denn Gott verspricht nur die Vergebung der Sünden durch Christum, und diese erlangen keine anderen, als die Gläubigen. Die Gläubigen aber, die dieser Verheißung teilhaftig werden, sind solche, welche aus Reue über ihre Sünden, täglich ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden kreuzigen; und dieses ist die wahre Reinigung unsers alten Menschen.
Von der Buße
Die Buße ist eine Tötung des alten Menschen, und eine Erneuerung des Geistes. Diese Tötung geschieht durch das Gesetz, wenn sich die Sünde zeigt. Die Lebendigmachung geschieht durch das Evangelium, wenn uns die Vergebung der Sünden erteilt wird. Denn das Gesetz hält uns die Sünde vor, erschreckt und tötet uns. Das Evangelium aber verkündigt uns die Vergebung der Sünde, richtet uns auf und tröstet uns. Die Buße macht, dass wir unsere Sünden bekennen, und nach der Vergebung derselben verlangen. Ohne Buße ist die Beichte vergebens.
Von der Beichte
Die Buße besteht nicht darin, dass man fünf Vaterunser betet, nicht im Fasten noch in irgendeiner leiblichen Übung; sondern in einem ernstlichen Hass wider die Sünde durch den Heiligen Geist. Die beichten recht, die ihre Sünden bekennen, dieselben hassen, an ihren eigenen Kräften verzweifeln, und daher zu Christo ihre Zuflucht nehmen, und auf ihn vertrauen. Diejenigen trauen aber recht auf Christum, die sich ernstlich bemühen, seinem Bilde ähnlich zu werden.
Von den guten Werken
Alle Bemühungen unseres Heilands hatten keinen anderen Endzweck, als die Beförderung des Nutzens und des Heils seiner Brüder. Ebenso müssen sich auch die, welche wahre Christen sein wollen, in guten Werken üben. Ein Christ muss in der Ausübung guter Werke nichts Verdienstliches suchen sondern dabei bloß allein auf den Willen Gottes und das Beste des Nächsten Rücksicht nehmen. Denn wie die Glieder des Leibes sich nicht selbst dienen, so müssen die Christen bei einer guten Handlung auch nicht auf ihren eigenen Vorteil bedacht sein. Die Liebe des Nächsten ist die Erfüllung des Gesetzes, und wirkt nichts Übles. Und eben darum üben sich die Christen beständig in der Gottseligkeit durch beten, fasten und wachen, damit sie ihren Leib zähmen und zum Dienst der Liebe geschickt seien.
Von dem Gebet
Das Gebet ist ein Inbrünstiger Seufzer zu Gott durch Christum im Glauben, damit uns dasjenige zuteilwerde, dessen wir nach unsern jedesmaligen Umständen bedürfen. Auf diese Weise nähern sich die Frommen beständig zu Gott. Und daher sagt auch Christus: Betet ohne Unterlass. Zum Wesen des Gebetes wird nicht erfordert, dass es mit Worten ausgesprochen werde, außer wenn die Gemeinde das mit ihrem Amen bekräftigen soll. Unterdessen verwerfe ich die mündlichen Gebete, die aus dem Herzen fließen, nicht. Aber das Murmeln der Kehle und das Geplapper der Lippen, die Lieder und die übrigen Gebete, die nach dem so genannten Rosenkranz abgezählt werden, und woran weder das Herz, noch der Glaube Anteil hat – alles dies ist höchst verwerflich. Die Gebete der Frommen und der Gläubigen sind alle gemeinschaftlich. Um Geld, oder Geldeswert zu erhalten, darf kein Christ beten. Das Gebet derjenigen, welche dasselbe für Geld verkaufen, ist sündlich.
Von dem Mittler
Gleich wie nur ein Gott ist, so ist auch nur ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus. Alle Gebete, die in dem Namen dieses Mittlers geschehen, sind Gott angenehm. Denn nur in dem Namen dieses, seines geliebten Sohnes, will er angerufen sein.
Von der Anrufung der Heiligen
Wer die verstorbenen Heiligen, gleichsam als Schutzgötter anruft, der hat den Glauben verleugnet. Und der Gläubige, der Gottes Verheißung vertraut, erwartet die Hilfe, warum er eifrig bittet, in Geduld, und erlangt sie unfehlbar. In dem Namen der Heiligen aber ist uns gar keine Verheißung geschehen, sondern nur in dem Namen Christi. Die verstorbenen Heiligen darf man keineswegs göttlich verehren; aber ihren Glauben und ihre guten Werke muss man nachahmen.
Da alle Gläubigen Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen Kräften lieben, so ist für dieselben nichts Angenehmeres, als dass wir, zugleich mit ihnen, Gott auf das zärtlichste lieben.
Alle Heiligen, von dem Anfang der Welt an, bis zur Vollendung aller Dinge, haben durch Christum einen freien Zugang zu dem Gnadenthron Gottes. Wer nicht durch diese Tür, sondern durch etwas anderes zu Gott nahet, der ist ein Dieb und ein Mörder.
Von den Bildern
Wer irgendeinem Bilde einen göttlichen Namen beilegt, und dasselbe in seinen Nöten anruft, unter dem Vorwand, seine Religion bringe es so mit sich, der ist ein gottloser Abgötterer.
Von der Wallfahrten
Die Reisen nach den Bildern, im Gleichen das Herumtragen derselben, als religiöse Handlungen betrachtet, sind Zeichen eines verdammlichen Aberglaubens.
Von den Gelübden
Gleich wie eine Frau, selbst in erlaubten Dingen, ohne Einwilligung des Mannes, keine Gewalt hat, etwas zu geloben; so darf auch kein Christ, ohne den Willen Christi, seines Bräutigams, kein Gelübde tun. Ein unerlaubtes Gelübde nicht zu erfüllen, ist allerdings recht.
Von den Beschwörungen
Die Beschwörungen der Geschöpfe, der Bilder, des Wassers, der Kerzen, der Kräuter, der Glocken und dergleichen, sind ganz unnütz. Denn eine jede Kreatur Gottes ist gut, durch das Wort geheiligt, und kann durch unsere Beschwörungen nicht besser werden. Für uns aber ist alles gut oder böse, nachdem der Gebrauch ist, den wir davon machen. Den Reinen ist alles rein. Der Unglaube und der Missbrauch ist in allen Dingen schädlich.
Von der obersten Gewalt
Damit die Missbräuche in allen Dingen, teils gemindert, teils gänzlich abgeschafft werden, wird ein doppeltes Regiment, ein geistliches und ein weltliches erfordert.
Von der geistlichen Obrigkeit
Die geistliche Regierung ist die, unter der das Wort Gottes gelehrt, und die Gewissen der Menschen regiert werden. Dieses Amt bekleiden die Diener des Wortes; nach Matth. 16. und 1. Korinther 4. Alles was diese aus dem Worte Gottes befehlen, muss man befolgen, so gut, als hätte es uns Christus selbst befohlen. Verlangen sie aber etwas, dass wider das Gebot Gottes streitet, so muss man sich vor diesen falschen Propheten hüten und Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Von der weltlichen Obrigkeit
Durch die weltliche Obrigkeit wird das bürgerliche Regiment verwaltet. Dieser steht es zu, dass Böse zu bestrafen, und das Gute zu belohnen; nach Joh. 19. und Röm. 13. Der Obrigkeit ist man Hochachtung und Gehorsam schuldig, nicht so sehr um des Zorns, als vielmehr um des Gewissens willen. Wenn sie uns etwas, das dem Willen des Herrn gemäß ist, befiehlt, so müssen wir ihr, gleich als wäre sie Gott, gehorchen. Befiehlt sie etwas Tyrannisches, so müssen wir solches als Christen ertragen. Aber sobald ihre Befehle mit dem Worte Gottes nicht übereinkommen, so sind wir keineswegs gebunden, denselben Folge zu leisten. Alles was wider die Gebote Gottes und die beliebten Gesetze unternommen wird, muss von der Obrigkeit, diesem Diener der Rache Gottes, ohne Ansehen der Personen bestraft werden.
Eines jeden Verbrechens, das die Obrigkeit frei und ungestraft hingehen lässt, macht sie sich selbst schuldig.
Eine jede Obrigkeit, welche für eine christliche gehalten sein will, muss auch die falschen Propheten strafen.
Die Obrigkeit muss nicht nur, wie eine jede Privatperson, die Verführer meiden, sondern sie darf dieselben auch nicht in dem Staat, ohne Nachteil der Wohlfahrt desselben, dulden.
Gleich wie Gott um der Sünden des Volks willen, die Heuchler regieren lässt, damit sie das Volk züchtigen, so ist es eine Quelle allgemeiner Wohlfahrt, wenn eine fromme Obrigkeit regiert. Es ist daher vor allen Dingen notwendig und der Mühe wert, für diejenigen zu beten, welche Gewalt über uns haben, damit sie in der Furcht des Herrn regieren und Heil und Friede unter allen ewig dauere. Amen!