Читать книгу Camp 21 - Rainer Wekwerth - Страница 10

Оглавление

5.

Es waren zwei Männer, groß, muskulös. Sie trugen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift »Black Hill Camp«. Beide hatten harte Gesichter und lächelten nicht, als sie sich als Mr Brown und Mr Salisbury vorstellten.

»Ich bin Mike, das ist mein Bruder Ricky«, sagte Mike.

»Wir bringen euch jetzt ins Camp. Seid ihr bereit?«, fragte Brown.

Nein, das waren sie nicht, aber was sollte er schon sagen, also nickte Mike.

»Nehmt eure Taschen. Der Wagen steht auf dem Parkplatz.«

Der Wagen entpuppte sich als Minivan, schwarz wie die T-Shirts der Männer und mit dem gleichen Schriftzug, nur dass darunter noch der Slogan »Welcome to nature« stand. Wer immer sich diesen Spruch ausgedacht hatte, wusste anscheinend nicht, dass so etwas Jugendliche abtörnte, aber hier ging es ja auch nicht um einen freiwilligen Aufenthalt.

Salisbury lud die Taschen in den Kofferraum. »Irgendwelche technischen Geräte? Handys? MP3-Player?«

»Ja«, sagte Mike. Ricky schwieg beharrlich, auch wenn er aufmerksam alles um sich herum verfolgte.

»Gebt mir die Sachen.«

»Unsere Handys?«, fragte Mike.

Salisbury nickte. »Ihr kriegt sie zu bestimmten Zeiten wieder, damit ihr nach Hause telefonieren könnt, aber ansonsten gilt Handyverbot im Camp.«

»Aber da ist meine ganze Musik drauf«, protestierte Mike.

Salisbury zuckte mit den Schultern.

Mike fasste in seine Hosentasche und reichte ihm das Mobiltelefon. Gerade erst hatte es ihm eine Polizeibeamtin wiedergegeben, nun war es schon wieder weg.

»Was ist mit dir?«, fragte der Mann Ricky.

»Das gebe ich nicht her.« Ricky hatte die Lippen zusammengekniffen und blickte Salisbury trotzig an.

»Junge, mach keine Schwierigkeiten. Wir haben eine lange Fahrt vor uns und die kann so oder so verlaufen. Außerdem nehme ich dir das Ding ab, ob du willst oder nicht, nur dann wird es für alle etwas unangenehm.«

»Gib ihm das Scheißding«, sagte Mike, der nicht fassen konnte, dass sein Bruder schon wieder bereit war, Ärger zu machen.

Ricky sah ihn an. »Dann kann ich nicht mit Ashley telefonieren. Wenn ich mich nicht melde, wird sie denken, ich will nichts mehr von ihr.«

Ashley war seine neueste Flamme. Mike wusste nichts Genaues, vermutete aber, dass die beiden seit einer Woche zusammen waren. So richtig.

»Kann mein Bruder kurz telefonieren?«, fragte Mike.

Salisbury schüttelte den Kopf. »Kein Kontakt zur Umwelt. Anordnung des Richters. Und jetzt her damit.«

Mike flehte seinen Bruder mit Blicken an, das Handy zu überreichen. Ricky gab nach einem Moment des Zögerns nach und Mike seufzte erleichtert auf.

»Steigt ein, Jungs. Beide auf die Rückbank«, sagte Brown.

Mike musterte den Mann. Brown wirkte nicht unfreundlich, aber distanziert, wie ein Wächter im Gefängnis, der Abstand zu den Gefangenen hielt.

So etwas Ähnliches sind wir jetzt ja auch.

»Wie lange fahren wir?«, fragte er.

»Sir!«

»Was?«

»Du sprichst mich mit Sir oder Mr Brown an.«

»Entschuldigung.« Mike war etwas verwirrt über die Kompromisslosigkeit, mit der diese Worte ausgesprochen wurden. Vielleicht hatte er Brown doch falsch eingeschätzt und er war ein Arschloch.

»Entschuldigung, Sir!«, wiederholte Brown.

Mike stieß die Luft aus. »Entschuldigung, Sir.«

Brown nickte zufrieden und deutete auf den Van. »Einsteigen.«

»Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Sir«, hakte Mike nach.

Ein Blick wie aus geschmolzenem Eisen traf ihn. »Drei Stunden. Und jetzt rein in die Karre, bevor ich ungemütlich werde.«

Die Fahrt dauerte sogar noch länger und verlief zumeist schweigend. Die beiden Männer sprachen kaum mit ihnen und auch nur wenig miteinander. Ricky hatte die Augen geschlossen und döste vor sich hin. Mike vermutete, dass die Aufregung nun ihren Tribut von seinem Bruder forderte.

Er selbst war viel zu aufgedreht und ständig rasten Fragen durch seinen Kopf.

Wie wird es im Camp sein?

Wie viele Jugendliche sind da wohl untergebracht?

Werden wir mit ihnen klarkommen?

Und Ricky?

Ich hoffe nur, er macht keinen Stress und fügt sich der Sache.

Draußen vor dem Fenster war die Nacht hereingebrochen. Schwarze Schemen flogen vorbei, während sie über den Highway fuhren. Auf der Gegenspur kamen ihnen unzählige Fahrzeuge in endlosen Lichterketten entgegen, während auf ihrer Seite fast niemand unterwegs war.

Im Auto war es warm und er hatte Durst, wagte aber nicht, nach etwas zu trinken zu fragen. Warum, wusste er selbst nicht, denn eigentlich gab es keinen Grund, vor den Männern Angst zu haben. Allerdings hatte ihm der Vorfall mit den Handys auch gezeigt, dass ihre Begleiter durchaus bereit waren, einen härteren Ton anzuschlagen, wenn man ihnen nicht sofort Folge leistete. Mike konnte das sogar nachvollziehen. Wahrscheinlich hatten sie es jeden Tag mit widerspenstigen Jugendlichen zu tun. Zudem waren Ricky und er von einem Polizeirevier abgeholt worden und auf Anweisung eines Richters unterwegs ins Jugendcamp. Andere junge Menschen wurden wahrscheinlich von ihren Eltern wegen Erziehungsproblemen in so ein Camp geschickt, bei ihnen lag der Fall klar, sie hatten eine Straftat begangen. Aber warum das Ganze in so kurzer Zeit derartig eskaliert war, wollte ihm immer noch nicht in den Kopf gehen.

Tja, es war, wie es war, und je schneller er sich mit der neuen Situation abfand, desto besser würde er sich eingewöhnen. Vor ihnen lagen sechs Monate, sie mussten das Beste daraus machen, und wer wusste schon, was alles geschehen konnte? Vielleicht war die Sache gar nicht so schlimm und sie lernten coole neue Leute kennen.

Neben ihm regte sich Ricky plötzlich. Er richtete sich auf und sagte: »Ich muss mal aufs Klo.«

Ja, eigentlich muss ich auch.

»Sir?«, rief er nach vorn.

»Ja?«, antwortete Salisbury.

»Könnten Sie irgendwo anhalten? Auf einem Parkplatz oder einer Tankstelle? Mein Bruder und ich müssten mal.«

»Kein Problem«, meinte Brown. »Aber kommt nicht auf die Idee abzuhauen.«

Daran hatte Mike gar nicht gedacht. Warum auch? Wo sollten sie denn hin mitten in der Nacht an einem fremden Ort, ohne Geld und ohne Handy?

»Ganz bestimmt nicht.«

Im vorbeistreifenden Licht eines entgegenkommenden Autos sah Mike, dass Ricky ihn eindringlich ansah. Eine Aufforderung lag in diesem Blick. Verdammt, sein Bruder musste gar nicht austreten.

Mike checkte mit einem kurzen Blick, ob ihn Brown, der den Van lenkte, im Rückspiegel beobachtete, aber der starrte konzentriert durch die Frontscheibe. Als Mike sich sicher fühlte, schüttelte er betont langsam den Kopf. Ricky kniff den Mund zusammen und nickte verbissen.

Dann lagen ihre Gesichter kurzzeitig im Schatten. Im Schein des nächsten Fahrzeugs formte Mike ein stummes »Nein!« mit den Lippen. Ricky zeigte ihm wütend den Mittelfinger.

Brown setzte den Blinker und bog in die Einfahrt eines Rastplatzes. Der größte Teil des Geländes lag bereits im Dunkeln, lediglich ein kleines Häuschen aus grobem Sandstein war hell beleuchtet. Es parkten keine Autos davor, sodass Brown direkt bei der Toilette anhalten konnte. Er schaltete den Motor ab und stieg aus. Salisbury folgte ihm. Beide stellten sich neben das Fahrzeug und öffneten die Türen, damit Mike und Ricky ebenfalls aussteigen konnten.

»Ihr habt zwei Minuten, mehr nicht«, sagte Brown.

Ricky ging vor ihm her, Mike folgte ihm dichtauf. Er wollte den Abstand zu seinem Bruder nicht zu groß werden lassen, falls der etwas Dummes vorhatte. Das musste er unbedingt verhindern.

Als beide den Waschraum betraten, wirbelte Ricky herum. Seine Augen blitzten zornig. »Ich habe echt keine Lust auf diesen Mist. Ich haue ab.«

»Das kannst du nicht bringen. Wo willst du überhaupt hin?«

»Irgendwohin, bloß nicht in dieses Scheißcamp. Die haben uns die Handys abgenommen. Mann, geht’s noch? Da mache ich nicht mit.«

»Ricky!«

»Mal ehrlich, Mike, wenn Ashley sechs Monate nichts von mir hört, ist sie weg. Zieht mit einem anderen Typen los.«

»So lange dauert das nicht. Du hast ja gehört, man darf telefonieren.«

»Und das glaubst du? Für mich klingt das nach irgendwann einmal und auch nur dann, wenn wir schön brav sind.«

Mike trat vor ihn. »Willst du es einfach nicht kapieren? Was ist los mit dir? Wenn du jetzt abhaust und sie kriegen dich, und das werden sie, dann wanderst du in den Jugendknast. Lass uns die Sache mit dem Camp locker abreißen, wird schon nicht so schlimm werden. Nicht lange und wir sind wieder daheim.«

»Nein, ich versau mir die Sache mit Ashley nicht.«

Mike wollte Ricky die Hand auf die Schulter legen, aber der entzog sich ihm durch eine unwirsche Geste.

»Wenn dich Ashley wirklich mag, wird sie auf dich warten«, versuchte er, seinen Bruder zu beruhigen.

»Nicht, wenn sie so lange nichts von mir hört. Nein, mein Entschluss steht fest. Ich haue ab. Jetzt gleich. Entweder du kommst mit oder eben nicht!«

»Tu das nicht«, sagte Mike leise.

»Was ist jetzt? Bist du dabei?«

»Nein. Und ich kann nicht zulassen, dass du so etwas Dummes machst.«

»Du kannst nichts dagegen tun«, zischte Ricky.

»Er nicht, aber wir«, sagte eine Stimme am Eingang des Waschraumes. Brown und Salisbury standen in der Tür.

Sie hatten die Unterhaltung belauscht. Von Anfang an hatten sie geahnt, dass Ricky etwas vorhatte. Mike wurde schlecht. Sein Magen drehte sich und schien auf die Lunge zu drücken, denn plötzlich bekam er keine Luft mehr.

»Sir, er hat das nicht so gemeint«, versuchte Mike, seinen Bruder zu schützen.

»Jedes Wort!«, knurrte Ricky. »Ihr zwei Arschlöcher werdet mich nicht aufhalten.«

»Oh doch, das werden wir.« Salisbury lächelte finster.

Ricky warf sich nach vorn, versuchte, zwischen den beiden Männern hindurch ins Freie zu gelangen, aber es war aussichtslos. Brown packte ihn, während Salisbury Rickys Arme auf den Rücken zwang und ihm Plastikhandfesseln anlegte. Ricky begann nun, mit den Füßen zu strampeln und nach den Betreuern zu treten, aber das brachte ihm nur eine weitere Fessel um die Fußknöchel ein.

Ricky warf den Kopf nach vorn und spuckte dem Betreuer ins Gesicht. Salisbury fluchte laut. Er und Brown schleiften Ricky aus dem Waschraum direkt zum Van. Mike stolperte hinterher. Am Fahrzeug angekommen, riss Brown die hintere Tür auf. Gemeinsam stopften er und sein Kollege Ricky auf den Rücksitz.

Dann legten sie ihm einen Mundknebel an. Ricky zappelte und bäumte sich auf, aber es war aussichtslos. Ebenso schnell, wie sein Widerstand aufgeflammt war, erlosch er auch wieder. Mike wusste nicht, ob er den Männern etwas vorspielte oder ob er tatsächlich aufgegeben hatte, aber so oder so konnte er nichts mehr ausrichten.

»Ist das wirklich nötig?«, fragte Mike erregt. »Müssen Sie meinen Bruder so grob behandeln?«

Salisbury zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte sich über das Gesicht. »Steig ein!«, befahl er Mike.

Mike zögerte.

»Ich sage das nicht noch einmal.«

Frustriert zwängte sich Mike auf den Rücksitz. Neben ihm schnaufte sein Bruder durch den Knebel hindurch.

Camp 21

Подняться наверх