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III
ОглавлениеDer Tod ist der wahrhaftige Kommunismus des Daseins. Er macht alle gleich. Er macht die Gierigen friedfertig und die Vermögenden besitzlos. Er lässt die Hungernden satt sein auf ewig und nicht nur für die kurze Zeitspanne, die die letzte Mahlzeit aus der Armenküche vorhält. Er stillt die reißenden Schmerzen der Siechen, lässt den rasselnden Atem der Kranken verstummen und trocknet endgültig die Tränen jener afrikanischen Mütter, die den Hungertod eines ihrer Kinder beklagen mussten.
Der Tod erfüllt barmherzig all jene Wünsche und Gebete, die die Menschen zu Lebzeiten einander nicht zu gewähren vermochten. Er ist barmherzig und gütig, denn gibt selbst dem Verstoßenen und dem erbärmlichsten Bettler Obdach. Er zetert nicht und er rechnet nicht auf. Er schweigt und ist wahrhaftig demütig. Er ist der Geist der Stille und die Melodie des Schweigens. Sein Geist schwebt über den Wassern wie eine einzige gewaltige Gnade, die eines Tages das gesamte Universum erfüllen wird. Der Tod ist die Verheißung der Armen und der Darbenden. Er ist die Hoffnung und der Trost der Leidenden. Er ist der Brunnen der Dürstenden und die Schatten spendende Oase in der Gluthitze des Mittags. Er ist die letzte Zuflucht, die jede darbende Seele aufnimmt und dabei nicht fragt und nichts verlangt. Er ist die höchste Güte des Daseins, denn auf ihn folgt nie wieder Leiden. Er ist die Stille unter den Weiden am Ufersaum und der Glanz der Nachmittagssonne auf den weichen Polstern des Mooses. Er ist das leise Plätschern der Wasser eines kristallklaren Baches und die glatte Oberfläche eines Kieselsteins. Er ist der glänzende Tautropfen am Morgen und jener Strahl der Sonne, der unsichtbar auch den Schatten erreicht. Er ist die dunkle Seite des Mondes, auf der nichts ist, als Schlaf und Ruhe. Er ist ein Teil jenes Stoffes, aus dem der Äther gemacht ist und er ist die Zukunft aller Seienden Dinge. Er ist der kleine schüchterne und schweigsame Bruder, den die grelle Schwester Zeit an ihrer unruhigen Hand führt. Er ist das ewige Band der Gnade, mit dem der Allmächtige den Raum geschmückt hat. Er ist der stille Wanderer, der am liebsten grünen Samt trägt und der Mittags im Schatten rastet, dort, wo das grellbunte Leben achtlos an ihm vorüber zieht, ohne ihn je zu finden. Er ist der stumme Zuschauer, der des Sonntags unter den zechenden im Wirtshaus sitzt und nur schaut, während er selbst nicht trinkt, nicht spielt und nicht lacht. Sein Lachen ist stumm und sein Lächeln unsichtbar, denn seine Arbeit ist zu ernst und zu schwer und sie wird nicht enden, solange es Leben im Universum gibt.
Er ist der Arbeiter, den niemand schätzt und der Gast, dem jeder die Tür vor der Nase zu schlägt. Wie ein Aussatz wird er gemieden und wohin er seinen Fuß auch setzen mag, dort lässt er Tränen und Stille hinter sich zurück.
Es heißt, er sei der Schnitter und doch ist er der Sämann. Bei jeder Geburt steht er am Bett der Kreißenden bereit und jedem Neugeborenen schaut er still ins Gesicht, um ihm Glück auf seinem Weg zu wünschen.
Er ernährt gewissenhaft die Ärzte und die Totengräber, die Wissenschaftler, Dichter, Maler und die Komponisten. Er liebt das frische Tannengrün und das einzige weiße Hochblatt der Sumpfkalla, die seine Lieblingsblume ist.
Die Einsamkeit ist seine Liebe und die Furcht sein Nachruf. Wer ihn zu Tisch bittet, isst nie wieder und wer mit ihm musizieren will, kann sein Instrument vererben.
Er ist sich selbst der liebste Gesellschafter. Der Tod hat Dasjenige verwirklicht, wovon Karl Marx träumte. Und nun träumt auch Karl Marx im Tode. Stets ist der Tod sehr fein gekleidet, aber nicht immer von ausgesuchten Manieren, obwohl er sich meist ankündigt und höflich an die Türe klopft.
Nur der Tod ist der wahrhaftige Kommunismus des Daseins und deshalb der Freund aller Leidenden. Er ist der größte Arzt, dessen Kunst von Menschen nicht erlernbar ist.