Читать книгу STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3) - Raymond Benson - Страница 14
7| Judys Tagebuch 1960
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10. Februar
Freddie kommt am Freitag nach Hause, weshalb ich in unserem Apartment alles vorbereite. Ich war eine nette Mitbewohnerin und hab seine Wäsche gewaschen und sogar die Küche saubergemacht! Außerdem habe ich das Gym geputzt, damit alles tipptop aussieht, wenn er wieder da ist. Jimmy war eine große Hilfe für mich, und Freddie und ich haben bereits darüber gesprochen, ihn halbtags einzustellen, damit Freddie nicht so viel arbeiten muss. Aber so, wie ich Freddie kenne, wird er wieder in sein altes Muster verfallen, also muss ich auf ihn aufpassen. Er ist für mich wirklich so etwas wie der Vater, den ich nie hatte.
Mit Billy habe ich mich seither dreimal getroffen. Ich schleiche mich mit meinem Stiletto-Aufzug nach Chinatown und er lässt mich ins Restaurant. Es trifft sich ganz gut, dass seine Mutter früh zu Bett geht. So wie Soichiro ein Sensei war, lautete das chinesische Wort für Lehrer oder Meister Sifu. Billy ist kein Sifu. Er ist ein Kind und weiß noch nicht allzu viel, aber das, was er kann, bringt er mir bei. Er gibt selbst zu, dass er kein Experte ist und mir manche Dinge vielleicht falsch beibringt. Im Moment lerne ich einfache Grundlagen. Es nennt sich Chow Gar, was ein Teilgebiet des Gottesanbeterinnen-Wushu ist. Ich denke, man kann sagen, dass die japanische Kampfkunst mehr aus geradlinigen Kampftechniken besteht, während die Chinesen eher kreisende Techniken benutzen. Bis jetzt lerne ich nur Übungen, welche die Arme, Hände und den Rumpf betreffen. Ein Konzept des Chow Gar ist das Gen, die Schlagkraft. Dabei geht es darum, dass die Kraft hinter einem Schlag beispielsweise nicht nur aus der Faust oder dem Fuß kommt, sondern aus dem gesamten Körper. Es ist beinahe ein Reflex, ähnlich der Bewegung, wenn man seine Hand von einer heißen Herdplatte zurückzieht. Die Übungen sind im Vergleich zum Karate ziemlich abgehackt. Billy und ich trainieren auch bestimmte Praktiken miteinander, wie das »Armreiben«. Dabei drückt man die Außenseiten der Handgelenke aneinander und vollführt gleichzeitig eine kreisende, »reibende« Bewegung mit den Armen. Man muss darauf achten, den Körper in der richtigen Position zu halten. Das geht ziemlich auf den Oberkörper und die Taille. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich Muskeln an Stellen ausbilde, von denen ich nie dachte, dass es dort überhaupt welche gibt.
Billy hat mir mehr über die Tong erzählt, und ich habe auch Freddie über sie ausgefragt. Freddie berichtete mir, dass die Tongs – denn es gibt mehr als eine – im achtzehnten Jahrhundert aus China herüberkamen, als man Chinatown gründete. Offenbar gibt es überall dort Tong-Netzwerke, wo es Chinatowns gibt, wie etwa in San Francisco. Freddie sagt, die Tongs seien die Kinder der Triaden. Die Triaden sind große Vereinigungen des organisierten Verbrechens und derzeit hauptsächlich in Hong Kong anzutreffen. Die Tongs hier agieren die meiste Zeit über unabhängig, aber einige von ihnen haben Verbindungen zu gewissen Triaden. Die Geschichten, die Freddie mir erzählte, sind unglaublich. Anfang dieses Jahrhunderts gab es in Chinatown Kriege zwischen den Tongs. Ihre Gang-Mitglieder lieferten sich Schießereien in Restaurants, Nachtklubs, Theatern und sogar auf offener Straße. Mittlerweile halten sie sich bedeckt, eher so wie die italienische Mafia in diesen Tagen. Natürlich warnte mich Freddie, mich von ihnen fernzuhalten, weil sie sehr gefährlich seien. Nach dem, was ich in jener Nacht im Januar erlebt habe, glaube ich das sofort.
Billy klärte mich ein wenig über die gegenwärtige Situation auf. Er erzählte mir, dass die beiden Killer, gegen die wir kämpften, Mitglieder einer Tong namens Flying Dragons wären. Diese waren relativ neu in Chinatown, gehörten aber lose zu der Hip Sing Tong, die bereits seit den Anfangstagen existierte. Die Hip Sing Tong setzt sich sogar für die Gemeinschaft ein und gilt als eine der vielen wohltätigen Organisationen, die in New York existieren, seit die Chinesen das erste Mal hierher emigrierten. Aber sie haben eben auch eine lange Geschichte krimineller Aktivitäten. Einer der größten Bandenkriege fand in den 1920er Jahren zwischen den Hip Sing Tong und ihren Rivalen, den On Leong Tong statt. Die Hip Sing Tong verfügen über ein Gebäude auf der Pell Street, die Hip Sing Association, aber laut Billy weiß niemand, wo sich das Hauptquartier der Flying Dragons befindet. Da es sich bei ihnen nur um eine kleinere Ausgabe dieser Tong handelt, bestehen die Mitglieder nur aus jungen Männern, für gewöhnlich zwischen 16 und 24, die darauf hoffen, sich bewähren zu können, um sich dann einer der größeren Tongs anzuschließen.
Die beiden Ganoven in jener Nacht waren wie ich Anfang zwanzig gewesen, vielleicht ein wenig jünger.
12. Februar
Freddie ist zuhause! Jippie!
Jimmy und ich wollten eigentlich eine Willkommensparty für ihn schmeißen, aber Freddie bat mich ganz ausdrücklich darum, genau das nicht zu tun. Und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hat er recht. Wir wollen nicht, dass sich Freddie zu sehr aufregt. Er muss noch eine Weile ruhig und entspannt bleiben, wenigstens einen Monat, bevor er wieder die Arbeit aufnehmen darf. Freddie hasst es, dass er nun Diät halten muss und mit dem Rauchen aufhören soll. Aber bislang schlägt er sich ganz gut. Sofern ihm niemand Zigaretten ins Krankenhaus geschmuggelt hat, hat er es jetzt sechs Wochen lang ohne ausgehalten. Schwierig wird es, wenn er wieder mit anderen Rauchern zusammen ist, und das wird besonders im Gym zu einer Herausforderung werden, denn es ist ausgeschlossen, dort das Rauchen zu verbieten. Dann würden alle einfach woanders hingehen.
Ich habe die genauen Informationen darüber, was Freddie alles essen und nicht essen darf, also dünstete ich etwas frischen Fisch von der Canal Street – von einem chinesischen Fischmarkt – zusammen mit Kartoffeln und Karotten. Außerdem schenkte ich ihm die Schallplatte »Theme from a Summer Place« von Percy Faith, das alle so mögen. Er hatte es im Krankenhaus im Radio gehört und es gefiel ihm. Ich höre in letzter Zeit viel diese wilde »exotische« Musik aus Polynesien und Hawaii. Als ich Lucy besuchte, war Peter da und spielte uns eine Platte mit dem Namen Les Baxter’s Jungle Jazz vor. Die Musik klang seltsam, aber auch irgendwie schön, also kaufte ich sie mir. Dann erzählte mir der Verkäufer in dem Colony-Store auf dem Broadway von Martin Denny, und so kaufte ich auch dessen Langspielplatte Quiet Village, und ich liebe sie. Ich mag die Art, wie man im Hintergrund die Vögel und Grillen hören kann. Da fühle ich mich, als würde ich mit einem Baströckchen auf irgendeiner Insel leben.
Wie auch immer, es ist schön, dass Freddie wieder bei uns ist.
18. Februar
Heute waren Lucy und ich shoppen, um nach einem Brautkleid für sie und einem Brautjungfernkleid für mich zu sehen. Wir schauten uns in den teuren Läden auf der Fifth Avenue um, und sie betonte, dass sie bezahlen würde. Ich bot ihr an, mein Kleid selbst zu bezahlen, aber das kam für sie nicht infrage.
Ihr gefiel dort aber nichts, also gingen wir rüber ins Macys. Schließlich entschied sich Lucy für ein wundervolles, eng anliegendes weißes Hochzeitskleid von Casablanca, das ihre super Figur betonte.
Mein Kleid ist ähnlich, aber nicht ganz so wallend, und es ist pink. Ich liebe es! Ich trage ja selten festliche Kleider, und ich fühlte mich wie eine Prinzessin!
26. Februar
Billy und ich haben heute Abend einen Schreck eingejagt bekommen!
Wir übten die »eiserne Handfläche« und den »eisernen Arm«, bei denen wir uns gegenseitig mit den Fäusten gegen die Handflächen schlugen, hin und her, immer und immer wieder, bis die Handflächen ganz taub wurden, und dann unsere Unterarme aneinanderschlugen, um damit Abwehrmanöver zu trainieren, immer und immer und immer wieder. Autsch! Nun, wir waren gerade mitten im Training, als draußen an der Tür Schlüssel im Schloss klirrten.
»Meine Mutter! Versteck‘ dich!«, flüsterte Billy.
Der einzige Ort, der dafür infrage kam, war hinter dem Tresen mit der Registrierkasse. Ich hielt darauf zu, aber Billy zischte: »Nicht da!« Also eilte ich zur anderen Seite, wo man die Tische und Stühle an der Wand zusammengeschoben hatte. Gerade, als ich hinter einen Tisch kletterte, der auf der Seite lag, mit der Tischplatte nach außen gewandt, öffnete sich die Tür. Sie hatte mich nicht gesehen.
Ich verhielt mich mucksmäuschenstill und hörte zu, wie Billy mit ihr auf Chinesisch sprach. Sie lief zu dem Kassentresen und holte dort etwas aus der Schublade. Noch mehr Unterhaltung auf Chinesisch, dann war sie wieder verschwunden.
Das war knapp!
Billy erzählte, dass sie sich gewundert hätte, was er hier trieb. Er antwortete ihr, dass er jede Nacht hier herunterkäme, um Wushu zu trainieren. Sie brauchte einen Aktenordner oder so etwas aus der Schublade. Offenbar wollten die Flying Dragons immer mehr Unterlagen über das Geschäft haben. Sie wird ihnen den Laden bald übergeben müssen, aber sie haben ihr ein paar Monate gegeben, um das Geld aufzutreiben, dass ihr Mann ihnen schuldete. Billy hat Angst, dass sie umziehen müssen, weil sie sich dann das Apartment darüber nicht mehr leisten können.
Ich erklärte ihm, dass ich mit der Jagd auf die Mörder beginnen will, aber Billy erklärte, dass ich dafür noch nicht bereits sei. Ich sei weit davon entfernt, es mit ihnen aufnehmen zu können.
Wahrscheinlich hat er damit recht.