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2.1 Angst vor dem Wasser

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Angst kann als unangenehm erlebter Erregungszustand aufgefasst werden, der in Situationen auftritt, die als bedrohlich wahrgenommen werden [vgl. 284, 291]. Im psychologischen Sinn wird Angst differenziert in Furcht und Ängstlichkeit [vgl. 315, 316]. Furcht ist die Reaktion auf einen bestimmten Reiz, der als Bedrohung registriert wird [vgl. 284]. Davon grenzt die Psychologie die Ängstlichkeit, oder auch Angstneigung ab, die sie als Persönlichkeitseigenschaft darstellt [vgl. 291], bei der tendenziell auf bedrohlich empfundene Reize mit Angst reagiert wird.

Das Wasser, als ungewohntes und neues Medium, stellt für viele Anfänger ein Angstrisiko dar, da Bewegungsformen darin ungewohnt und unbekannt sind [vgl. 305]. Der Angstauslöser bezieht sich einerseits auf eine neue und fremde Lernumgebung (das erste Mal im Schwimmbad) und/ oder andererseits auf fremde Personen, wie Trainer oder weitere Kursteilnehmer [vgl. 142, 304].

Weitere Ursachen für Angst sind oftmals auf gefährliche, traumatische und belastende Ereignisse in der Vergangenheit zurückzuführen [vgl. 30, 99, 131]. Hat sich dieses Ereignis in Verbindung mit Wasser oder dem Aufenthalt in diesem zugetragen, so entwickelt sich daraus nicht selten bei Kindern sowie Erwachsenen ein gestörtes Verhältnis zum Medium Wasser. Dieses Missverhältnis muss nicht ausschließlich durch Angsterlebnisse entstehen, sondern kann auch aus mangelnder und unzureichender Wassergewöhnung resultieren. Ängstliche Personen fühlen sich in Gefahrensituationen in ihrer Existenz bedroht [vgl. 142]. Bezogen auf das Element Wasser äußert sich diese Existenzangst in der Furcht vor dem Ertrinken.

Viele Schwimmanfänger zeigen bei den ersten Schwimm- und Tauchversuchen Verhaltensweisen, bei denen sie ihren Kopf hektisch aus dem Wasser reißen, um Luft zu holen und um sich zu orientieren. Im Grunde ist dieser Kopfstellreflex eine natürliche Schutzreaktion des Menschen. Die Angst bezieht sich daher auf zweierlei Aspekte. Einmal hat der Mensch als Landsäugetier Angst, nicht mehr atmen zu können, wenn sich der Kopf unter Wasser befindet, zum anderen fehlt dem Menschen der Halt und eventuell die Orientierung [vgl. 30]. Aus den Befunden einer Meta-Analyse [158] konnte unter anderem gezeigt werden, dass Angst die sportliche Leistungsfähigkeit Jugendlicher im Alter von 10–14 Jahren in größerem Maß beeinflusst als Sportler älterer Altersklassen. Nach Wilke [345] geht Angst mit einem Stillstand des Lernfortschritts einher, was bis zur Flucht aus dem Wasser führen kann.

Unbestimmte Angst oder Ängstlichkeit äußert sich in Spannung, Enge, quälender Unruhe, aber auch Verzweiflung und Entsetzen [vgl. 315]. Prinzipiell können Verhaltensformen auf folgenden Ebenen operationalisiert werden [vgl. 284]: sprachliche Mitteilung, körperliche Erregung, offenes Verhalten und Gefühlsausdruck.

Ausdrucksformen der Angst, die sich in diesen Ebenen zeigen, werden wie nachfolgend beschrieben. Sie werden entweder in einzelnen oder gar mehreren Formen gezeigt [vgl. 142, 284, 315]:

– Muskelspannung bis zur Verkrampfung, sowie motorische Verspannung

– steife, gehemmte Bewegungen

– beschleunigte Atmung

– starrer, furchtsamer Gesichtsausdruck mit weit geöffneten Augen, gelegentlich sogar im Wechsel mit verlegenem Lächeln

– Brechreiz

– ständiger Harndrang (schon vor Eintritt ins Wasser)

– die Aussagen, Angst oder »weiche Knie« zu haben

– Ausflüchte/Ausreden, am Schwimmunterricht nicht teilnehmen zu können.

Furcht ist, wie oben erwähnt, bestimmt und zeichnet sich meist durch panische Verhaltensweisen aus. Flucht und Vermeidungsverhalten in Angstsituationen führen meist zum Rückgang der aktuellen Angst, gehen aber nicht mit einem dauerhaften Lernprozess zur Überwindung der Angst einher.

Nach Tunner [315] schaltet der angsterfüllte Körper auf Abwehr, was sich in Muskelverspannungen, Erhöhung des Blutdrucks, Beschleunigung der Atmung, Erhöhung der Herzfrequenz, Erweiterung der Pupillen und einer erhöhten Schweißabsonderung zeigt. Es gilt anzumerken, dass nicht alle dieser Verhaltensweisen beim Schwimmunterricht erkannt werden können (wie z. B. Erhöhung des Blutdrucks und hohe Schweißabsonderung), daher gilt es den hör- und sichtbaren Indikatoren für Angst, wie zum Beispiel Ausflüchte/Ausreden, Unruhe, Muskelverspannungen, Beschleunigung der Atmung Rechnung zu tragen.

Bezogen auf den Schwimmunterricht lassen sich folgende Ängste unterscheiden [vgl. 305, 342, 345]:

• Furcht vor Misserfolg und eventuell daraus resultierender sozialer Blamage

• Furcht vor dem Lehrer

• Furcht vor Tiefe und/oder Weite des Wassers

• Furcht vor Wasserschlucken (verschlucken)

• Furcht vor Bedrohung durch das Wasser

Furcht vor Misserfolg wirkt sich beim Nichtschwimmer so aus, dass er seine Schwimmunfähigkeit verheimlicht, oder sich gar sämtlichen Bewegungsformen im Wasser entzieht [vgl. 342, 345]. Dieses drohende Leistungsversagen führt dazu, dass sich Kinder den Aufgaben des Trainers nicht gewachsen fühlen [vgl. 305].

Soziale Blamagen kommen nach Thomas [305] beispielsweise dann zum Ausdruck, wenn der Trainer bei Misserfolg auf Bestrafungen, Disqualifikation, Ausschluss aus der Mannschaft oder Beschimpfung zurückgreift. Die letzten beiden Aspekte müssen nicht zwangsläufig vom Trainer ausgehen, sondern können auch durch Mannschaftskameraden provoziert werden. Besonders eine Blamage vor anderen Schwimmern oder Publikum birgt die Gefahr, dass Anfänger dem Schwimmen den Rücken kehren.

Daher liegt es am Trainer, solche Situationen möglichst zu verhindern, indem das Anforderungsniveau angemessen gewählt wird. Sicher wird ein Lernfortschritt nur dann erfolgen, wenn sich an bestimmten Anforderungen und Zielsetzungen orientiert wird. Insofern besteht die Schwierigkeit des Trainerberufes unter anderem darin, ein geeignetes Anforderungsprofil unter Berücksichtigung des Leistungsstandes und der psychischen Leistungsbereitschaft für die jungen Athleten zu entwickeln. Ist das Anforderungsniveau nicht an das Alter oder den Lernfortschritt angepasst, entsteht eine dauerhafte Überforderung, was sich durch Furcht vor dem Lehrer ausdrückt [vgl. 342, 345]. Eine Reduktion der Furcht vor dem Wasser ist dann erkennbar, wenn der Schwimmunterricht nicht in der Öffentlichkeit stattfindet [vgl. 345].

Angstgefühle treten nicht nur in der Grundausbildung der Anfänger auf, sondern auch in Form objektbezogener Furcht, wie zum Beispiel der Angst vor einem Wettkampf [vgl. 265 S. 27, 360]. Ein Wettkampf, bei dem die Leistung des Schwimmers durch Eltern, Schwimmkollegen oder Trainer als Versagen dargestellt wird, schürt die Furcht vor Misserfolg in Wettkämpfen. Daher sollte diese Art von Kritik unbedingt vermieden werden. Ein weiterer Grund für Angst vor einem Wettkampf ist zum Beispiel ein schlechter Trainingszustand [vgl. 265 S. 27, 304]. Folglich kann die Ursache der Angst nicht unabwendbar beim Athleten, sondern gleichfalls beim Trainer und dessen Trainingsplanung begründet sein. Angst gilt somit als Faktor, der die Leistung beim Schwimmenlernen oder beim Schwimmen selbst limitiert [vgl. 316].

Bei Anfängerkursen entstehen Ängste vor der Tiefe und Weite des Wassers, was sich beim Wechsel vom Nichtschwimmerbereich in den Schwimmerbereich zeigt [vgl. 345]. Fehlt dem Schwimmer der sichere Boden unter den Füßen, scheinen Schwimmbewegungen, die im Nichtschwimmerbereich beherrscht wurden, für ängstliche Kinder nur schwer durchführbar [vgl. 342]. Werden fälschliche Informationen bezüglich der Wassertiefe mitgeteilt, so folgen möglicherweise weitere Negativerlebnisse. Folglich wird von dieser Art der Täuschung abgeraten [vgl. 345]. Besonders ängstlichen Kindern sollten einerseits immer Auftriebshilfen wie Schwimmnudel oder Schwimmbrett erlaubt sein, da bei ihnen – als unsichere Anfänger – ein erhebliches Sicherheitsrisiko besteht. Andererseits bewährt sich in der Praxis, wenn ängstliche Schwimmanfänger ihre ersten Schwimmbewegungen nahe dem Beckenrand ausführen, sodass sie sich stets am Rand festhalten können und der Trainer im Notfall schnell eingreifen kann.

Eine weitere Furcht kann im Wasserschlucken gesehen werden. Anfänger reagieren angsterfüllt, wenn Wasser in die Atemwege eintritt. Das Wasserschlucken bewirkt meist einen Hustenreiz in Verbindung mit Atemnot [vgl. 342, 345].

Furcht vor der Bedrohung durch das Wasser kann sowohl durch Darstellungen über Wasserkatastrophen (Flutwellen, Tsunami etc.) als auch durch ein ängstliches Vorbild der Eltern entstehen. Kinder, deren Eltern Angstverhalten bezüglich Wasseraktivitäten aufzeigen, können diese Verhaltensweisen ebenfalls entwickeln [vgl. 315].

Beim Anfängerschwimmen im Verein wie auch in den Schulen sollten solche Ängste behoben werden, damit die Bewegungen im Wasser ungehindert erlernt werden können. Zur Behebung von Ängsten empfehlen Psychologen [vgl. 315] die Auseinandersetzung mit den Angstauslösern unter optimalen Lernbedingungen, wie zum Beispiel angenehme Wassertemperatur, ausreichend Auftriebshilfen, geringer Lärmpegel, eventuell die Anwesenheit der Eltern des Kindes, geduldiger Schwimmtrainer etc.

Der Lehrer sollte frühzeitig auf angstauslösende Faktoren achten und diese – wenn möglich – sogleich mit Einfühlungsvermögen beheben, damit ein angstfreier Lernprozess möglich ist [vgl. 1, 305]. Durch eine ausführliche Wassergewöhnung (siehe Kapitel 3.2) sollen positive Erlebnisse und freudvolle Bewegungen sowie Orientierung im Wasser gewährleistet werden.

Um die Wettkampfangst von Leistungsschwimmern zu reduzieren, wurde in einem Versuch ein wöchentliches mentales Training als Interventionsmaßnahme gestartet [vgl. 360]. Sowohl kognitive als auch somatische Angstgefühle der Schwimmer konnten nach dem achtwöchigen Mentaltraining verringert werden, weshalb solch eine psychologische Betreuung von Spitzenathleten sicher von Vorteil ist.

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