Читать книгу Denkschrift über Dr. Robert Kempner - Rechtsanwalt Professor Bernhard Armin Schäfer - Страница 6

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Über diese Denkschrift, eine Vorbemerkung

Das 1700-jährige Jubiläum jüdischen Lebens in Deutschland gibt einen besonderen Anlass, sich an das Leben und Wirken Robert Kempners zu erinnern, trat er doch, seit Beginn seiner beruflichen Tätigkeit als Jurist in der Weimarer Republik sowie während seiner gesamten Lebenszeit wie kaum ein anderer Deutscher jüdischen Glaubens gegen Antisemitismus, für Menschenrechte und Demokratie ein.

Da die Ereignisse der letzten Jahre aber auch eine deutliche Zunahme rechtsstaatfeindlicher sowie antisemitischer Tendenzen zeigen, soll mittels dieser Denkschrift, unter Rückbesinnung auf das Leben und Wirken Robert Kempners, eine seiner zentralen Mahnungen in Erinnerung gerufen werden, die uns, gerade heute mehr denn je, eigener Ansporn sein sollte:

"Ewige Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit" 6

Simon Wiesenthal7 gratulierte Dr. Kempner anlässlich dessen 90. Geburtstages am 17. Oktober 1989 u.a. mit den Worten:

… „Ich habe noch heute Ihr Bild vor Augen, als ich - ich glaube, es war Anfang 1947 - das erste Mal zu Ihnen kam, um über den „Buchhalter des Todes“, Adolf Eichmann zu sprechen. Es gab in Nürnberg sicher viele Menschen, die sich ihrer historischen Mission durchaus bewusst waren und sich ehrlich darum bemühten, ihre Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen, aber Sie, sehr verehrter Herr Professor Kempner, haben sie alle durch Ihr umfassendes Wissen und die klare Übersicht der geschichtlichen Ereignisse überragt. …

… Sie gehören zu den großen Persönlichkeiten dieser Epoche, die sich durch diese Ereignisse nicht haben beirren lassen, die sich nicht geschlagen gaben oder einer einmal gewählten Mission untreu wurden - in dieser Haltung waren Sie für mich Vorbild. Natürlich wusste ich, dass Sie zum Unterschied von mir - schon zu einer Zeit, bevor Hitler an die Macht gekommen war, das Böse in seiner Gestalt und seine Absichten erkannt haben und auch alles versuchten, um ihn von der Macht fernzuhalten. Sie haben schon sehr früh erkannt, dass Hitler und Krieg und Verbrechen Synonyme sind. …

… Ich rechne es mir zur Ehre an, dass wir beide im Laufe der Jahre von den Alt- und Neonazis stets angegriffen wurden und ich bin stolz darauf, mit Ihnen zusammen auf der Liste derer zu stehen, die sie gehasst, aber auch gefürchtet haben. Nach all den vielen Jahren weiß ich, dass Sie durch Ihre Ideen das Demokratieverständnis in der Bundesrepublik beeinflusst haben und dass Sie einen wesentlichen Anteil daran haben, dass es heute Grundlagen für das andere Deutschland gibt. „8…

Neben der deutlichen Zunahme gegenwärtiger antisemitischer Tendenzen in Teilen der Gesellschaft beobachten wir seit dem Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 eine weitere rechtsstaatsfeindliche Tendenz im gesellschaftlichen und politischen Diskurs.

So wurde in diesem Zusammenhang das neue Gebäude des Robert-Koch-Institutes in Berlin am 25. Oktober 2020 Ziel eines Brandanschlages. Dr. Robert Kempner, das Patenkind 9 von Prof. Dr. Robert Koch, hätte hierfür deutliche Worte gefunden.

Wir sollten uns daher an Dr. Kempner nicht nur erinnern, sondern den Versuch unternehmen, es ihm nachzutun, nämlich für Demokratie und Menschenrechte im Allgemeinen sowie gegen Antisemitismus im Besonderen aktiv einzutreten.

In der Einführung seines Buches „Ankläger einer Epoche“ 10 aus dem Jahr 1983 führte Dr. Kempner aus:

„Dieses Buch ist das Resultat eines Lebens so alt wie dieses Jahrhundert.

Den Nachgeborenen diese Epoche zu erklären, ist eine fast unlösbare Aufgabe.“

Die vorliegende Denkschrift soll ihren Teil dazu beitragen, sich im Sinne von Dr. Kempner dieser Epoche zu erinnern und sie den Nachgeborenen rechtshistorisch zu erklären.

6 Kempner-Ausstellung: “Ewige Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“; Marietta Fuhrmann-Koch, Stabsstelle Kommunikation und Marketing; Universität Osnabrück: „Er verkörpert ein ungewöhnliches Juristenleben, kämpfte früh gegen Hitler und die NSDAP, wurde von den Nationalsozialisten verhaftet, musste ins Ausland fliehen, spielte nach Kriegsende eine wichtige Rolle bei den Nürnberger Prozessen und setzte sich auch in der Folgezeit für die Bestrafung der Täter aus der NS-Zeit ein: Mit dem Leben und Werk Robert Kempners (1899 - 1993), der 1986 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Osnabrück ausgezeichnet wurde, beschäftigt sich jetzt eine Ausstellung mit dem Titel "Ewige Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit", die die Universitätsbibliothek Osnabrück vom 1. bis 31. Juli 1998 zeigt. Pressemitteilung Osnabrück, 26. Juni 1998 / Nr. 101/98“.

7 Simon Wiesenthal (geb. am 31. Dezember 1908 in Buczacz, Galizien, Österreich-Ungarn, heute Butschatsch, Ukraine – gest. am 20. September 2005 in Wien, Österreich) war ein österreichisch-jüdischer Überlebender des Holocausts. Nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager Mauthausen im Mai 1945 machte Simon Wiesenthal die „Suche nach Gerechtigkeit für Millionen unschuldig Ermordeter“ zu seiner Lebensaufgabe. Dadurch wurde er zu einem Zeitzeugen des Holocausts, der weltweit nach Tätern aus der Zeit des Nationalsozialismus forschte, um sie einem juristischen Verfahren zuzuführen. Er gründete das Dokumentationszentrum Jüdische Historische Dokumentation in Linz und später das Dokumentationszentrum des Bundes Jüdischer Verfolgter des Naziregimes in Wien. 1977 wurde das nach ihm benannte Simon Wiesenthal Center mit Hauptsitz in Los Angeles gegründet. Ziel des Zentrums war und ist es bis heute, flüchtige Kriegsverbrecher und Nazis zu verfolgen. Inzwischen sind weitere Institute in New York, Miami, Toronto, Jerusalem, Paris und Buenos Aires gegründet worden.

8 „Gratulationen zum 90. Geburtstag von Robert M.W. Kempner“; Friedrich-Ebert-Stiftung, Godesberger Allee 149, D-5300 Bonn 2, 1989; Simon Wiesenthal, Seite 236 bis 238; Brief vom 13. Juni 1989.

9 Die Eltern von Dr. Robert Kempner hatten sich am Robert-Koch-Institut in Berlin kennengelernt und pflegten zu Prof. Dr. Robert Koch eine enge berufliche Beziehung sowie private Freundschaft. Der Mutter von Dr. Robert Kempner, Frau Lydia Rabinowitsch-Kempner (russischdeutsche Mikrobiologin), geb. am 22.08.1871 in Kaunas, Litauen, wurde als zweiter Frau in Preußen und als erster Frau in Berlin der Professorentitel verliehen; siehe „Ankläger einer Epoche“, Robert M.W. Kempner in Zusammenarbeit mit Jörg Friedrich, Ullstein, 1983, sowie ausführlich im hiesigen Kapitel „Kindheit und Jugend“.

10 Robert M. W. Kempner und Jörg Friedrich, „Ankläger einer Epoche“, Lebenserinnerung, Ullstein 1983, Einführung vor dem Inhaltsverzeichnis.

Denkschrift über Dr. Robert Kempner

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