Читать книгу 2 Jahre später - Regina Mars - Страница 9

4. Arthur

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Da war etwas Warmes unter seiner Wange. Feucht und warm. Ein vollgesabbertes Shirt. Und darunter ein Brustkorb, der sich hob und senkte und seinen Schädel hob und senkte. Seinen Schädel, der hämmerte wie … ein Hammer? Ein besserer Vergleich fiel ihm nicht ein. Die Schmerzen waren zu groß.

Arthur öffnete vorsichtig ein Auge und blinzelte in die Morgensonne. Kühle Luft kroch über seine bloßen Arme, die das kurzärmelige Hemd freiließ. Er sah die Lehne des Liegestuhls. Seine eigene Hand. Und das verblichene Grüngrau von Kais Shirt, auf dem er lag.

Er lag auf Kai. Zumindest mit dem Kopf (der von Minute zu Minute heftiger pochte) und mit einem Arm. Irgendwann in der Nacht hatte er sich an ihn gekuschelt.

Wie war er hierhergekommen? Warum waren sie nicht ins Bett gegangen? Alle Stellen, die nicht den warmen Leib neben ihm berührten, fröstelten und waren nass vom Morgentau. Aber da, wo er ihn berührte … Er roch Kai, mehr als gestern. Geschnittenes Gras und Motoröl waren noch da, aber darunter lag etwas Wildes, Würziges. Wie ein frisch gezündeter Feuerwerkskörper.

Über sich hörte er ein leises Murmeln. Dann wieder regelmäßige Atemzüge. Kai schlief. Aber wenn Arthur aufstehen würde, würde er aufwachen, oder? Und er hatte keine Ahnung, wie er reagieren würde und ob das seine oder Kais Idee gewesen war, dass sie hier lagen, und …

Ein leichter Wind kam auf und trug einen weiteren Geruch an ihn heran. Igitt. Bitterkeit und Galle. So ähnlich wie der fiese Geschmack in seinem Mund … Ach, Kacke. Er wollte sich vor Scham zusammenkrümmen, als er an gestern Abend dachte. Er hatte … Er hatte sich total zum Trottel gemacht, vor Kai, der … Moment mal, der genau so geschummelt hatte? Richtig, Kai hatte auch noch nie getrunken. Oder geküsst.

Sie hatten gelacht, zusammen, dann hatte Kai sich auch übergeben und dann hatten sie weitergelacht, die halbe Nacht geredet, über alles und nichts, zumindest wusste er nicht genau, über was. Und dann mussten sie eingeschlafen sein. Nein. Er erinnerte sich und sein Herzschlag stolperte.

Kai war eingeschlafen und er hatte ihn nicht wach bekommen. Er hatte ihn nicht ins Bett tragen können und hatte sich daher zu ihm gelegt, um ihn zu wärmen. Total logisch. Zumindest war es ihm gestern so vorgekommen.

So ein Mist. Es war wirklich meine blöde Idee. Ich muss weg von hier, bevor er aufwacht.

Einen Moment lang genoss er noch das leise Pochen von Kais Herzschlag am Ohr. Dann spannte er die Muskeln an, einen nach dem anderen, und erhob sich, Millimeter um Millimeter.

Kai schlug die Augen auf.

»Mwas?«, krächzte er. Sein Gesicht war blass unter der Sommerbräune. Verwirrt blinzelte er und schaute Arthur an. Arthur, der halb auf ihm hing, die Hände links und rechts von Kais Körper aufgestützt.

»Äh, ich … glaube, ich wollte dich wärmen«, stotterte er und spürte, wie ihm die Röte in die Wangen kroch.

»Was?« Kais Augenbrauen schoben sich zusammen. Zwei kleine Falten erschienen.

»Ich hab mich zu dir gelegt, weil ich dich wärmen wollte. Du bist eingeschlafen. Und ich konnte dich nicht wecken.« Arthurs Gesicht war kurz vor dem Schmelzpunkt. »Und anscheinend dachte ich, es wäre eine supergute Idee, mich neben dich zu legen. Äh.«

»Ach so.« Kai fuhr sich durch die Haare, die immer mehr einem sturmgebeutelten Vogelnest glichen. Dann blitzten seine Eckzähne auf. Dieses Lächeln war echt … süß. »Die Idee war nicht schlecht. Mir ist warm. Aber ich glaub, mein Arm ist eingeschlafen.«

»Oh, sorry.« Arthur richtete sich auf. Kühle Morgenluft kroch unter seine feuchten Klamotten.

»Schon gut.«

Sie sahen sich um.

»Wir sollten aufräumen, bevor mein Vater kommt«, sagte Kai mit unbewegter Miene. »Und putzen.«

»Gute Idee.« Arthur verzog das Gesicht. Es war ein ekelhafter Anblick, vor allem der verklebte Tisch. Mit Schaudern erkannte er die Reste des Thunfischsandwichs, das er am Flughafen gekauft hatte.

»Ich geh nur eben pissen, dann können wir loslegen.« Kai gähnte. Arthur wollte ihn gerade fragen, ob er wüsste, wo das Bad war, als er aufstand. Anscheinend wusste er es.

Oder … Schockiert sah Arthur zu, wie Kai sich vor einen der großen Blumenkübel stellte und die Hose öffnete. Ein Plätschern erklang. Arthur sah sprachlos zu, wie der schmale Rücken sich entspannte.

Dieser Typ war ein Barbar! Ein Geschöpf des Waldes, vollkommen unberührt von der Zivilisation und den Regeln des Anstands und sowas wie … Scham.

Arthur zögerte. Dann stand er auf, stellte sich an den nächstbesten Blumentopf, öffnete seinen Gürtel und zog seinen Reißverschluss herunter. Es war seltsam befreiend.

Sie schafften es, trotz ihrer hämmernden Schädel, die Spuren des Besäufnisses zu beseitigen. Kai schaffte es. Arthur, der noch nie geputzt hatte, stellte sich total dämlich an. Aber als sie fertig waren, blitzte der Mosaikboden und die Flecken auf den Liegen waren fast verschwunden.

»Glaubst du, das merkt noch einer?« Kai legte den Kopf schief.

»Hoffentlich nicht.« Arthur räusperte sich. »Ich hoffe, meinen Eltern fällt nichts auf.«

»Du hast doch gesagt, die hängen eh nur an ihren Handys und bemerken nicht, was um sie herum passiert.«

»Was?« Arthur zuckte zusammen. »Das hab ich erzählt?«

Kai nickte. Seine Luchsaugen waren so intensiv, dass Arthur es kaum schaffte, den Blick zu halten.

»Du hast gesagt, du wärst ganz alleine.« Kais Stimme schien nach dem Kampftrinken noch rauer. »Soll ich hierbleiben? Ein paar Tage?«

Kais Hand öffnete und schloss sich, als wollte er sich an irgendetwas festhalten. Arthur verharrte. Mist, er war so erbärmlich. Er durfte auf keinen Fall zeigen, wie einsam er war, obwohl er sich nichts mehr wünschte, als dass Kai hierblieb. Andererseits hatte er sich gestern eh schon blamiert. Kai wusste, dass er eine peinliche Jungfrau war. Und er wollte trotzdem hierbleiben.

»Ja«, brachte er hervor. »Wenn dir das nicht zu langweilig ist.«

Kai schüttelte den Kopf.

»Nie. Ich … Zeigst du mir nochmal die Bücherei?«

»Klar, warum?«

»Ich hab gelogen.« Kai grinste schief. »Ich mag Bücher. Bin eine totale Leseratte, nur … na ja …«

»Meine Freunde sagen, dass Lesen langweilig ist«, platzte Arthur heraus. »Dass das nur bescheuerte Streber und alte Leute machen, aber ich … ich mag das.«

»Ich auch.« Kai schien richtig aufgeregt. »Am meisten mag ich Krimis. Gangstergeschichten. Mit Schießereien und so. Und so richtig dicke Fantasyschinken mit zehn Bänden.«

»Die haben wir bestimmt. Komm mit!« Arthur wirbelte auf dem Absatz herum und stürmte ins Haus. Kai folgte ihm.

Als der rostige Transporter vorfuhr, saßen sie auf einem kleinen Balkon im ersten Stock. Lesend, die Rücken gegen die Gitterstäbe gelehnt. Neben ihnen lagen stapelweise Bücher und ein halbleerer Teller mit Butterbroten. Immer wieder musste Arthur von seinem tschechischen Historienkrimi aufschauen, um Wörter nachzuschlagen. Und jedes Mal gönnte er sich einen Blick auf Kai, dessen sonnengebräunte Haut im Licht schimmerte. Kais Gesicht war so konzentriert, dass er es bestimmt nicht bemerkte.

2 Jahre später

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