Читать книгу Exel - Regina + Giuseppe De Facendis - Страница 6
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„ Das ist nun die sechste Leiche, die wir nach dem Angriff auf ein Liebespärchen mit gebrochenem Genick gefunden haben, und ihr wagt es, mir zu sagen, dass ihr kein einziges Indiz gefunden habt, kein einziges!“ schrie Inspector Jeff Lucas aufgebracht.
Nach dem heutigen oder besser gesagt dem Mordfall des gestrigen Abends hatte Lucas die gesamte Mannschaft mitten in der Nacht ins Polizeipräsidium gerufen. Alle Anwesenden bis auf die Kollegen der Nachtschicht und den Inspector selbst waren aus dem Tiefschlaf gerissen worden, um die Philippika ihres Vorgesetzten über sich ergehen zu lassen. Mit geröteten Augen verfolgten sie zwar müde, jedoch schuldbewusst die Vorwürfe ihres Chefs. Seit Wochen beschäftigte dieser Fall die Polizei von Garden City, aber es gelang keinem von ihnen, auch nur die geringste Spur zur Überführung der Kriminellen zu finden.
„ So ist es leider, Inspector“, musste der Chief Officer mit geneigtem Haupt zugeben. „Das einzige Indiz ist und bleibt wie bei den vorherigen Fällen dieser seltsam gekleidete Mann mit Umhang.“
Gerne hätte er dem Inspector etwas Brauchbareres geliefert, eine Spur, einen Beweis, irgendetwas, was sie bei den Ermittlungen weiterbrachte, aber auch diesmal hatten sie keinen präzisen Anhaltspunkt.
„ Und das Opfer … na ja … ich meine den Mörder, den mit dem Genickbruch? Konntet ihr wenigstens den Sechsten dieser Serie identifizieren und ihm einen Namen geben?“ fragte Lucas gereizt.
„ Nein, Chef, leider nicht! Wieder einer, der aus dem Nichts aufgetaucht zu sein scheint. Wieder ein Toter ohne Papiere, der auf keine der uns vorliegenden Vermisstenanzeigen passt. Wir konnten nicht den geringsten Hinweis auf seine Identität finden.“
„Phantastisch!“ stieß Lucas entnervt aus.
Was ging nur in dieser Stadt vor? Seiner Stadt, oder besser gesagt, der Stadt, für dessen Sicherheit er verantwortlich war. Sie schien die neuste Attraktion für Verbrecher jeglicher Art geworden zu sein. Bald würde man in allen Zeitungen lesen:
Willst du junge Frauen vergewaltigen oder alte Damen um die Ecke bringen? Komm einfach nach Garden City. Du bist herzlich willkommen!
Das sechste Genickopfer in einem Monat! So konnte es nicht weitergehen! Opfer, die entweder bereits getötet hatten oder im Begriff waren zu töten. Diese Kriminellen wurden ihrerseits - leider oder Gott sei Dank - von einem mysteriösen, scheinbar dem klassischen Ballett entsprungenen Tänzer überwältigt, der nach jedem seiner nächtlichen Auftritte entschwand und bis zum nächsten Erscheinen unauffindbar blieb. Es war wie verhext! Keines der Genickopfer konnte identifiziert werden, alle waren ohne Papiere, keiner wurde vermisst, keiner war entlaufen, keiner besaß Fingerabdrücke, die im Archiv gelistet waren. Wo sollten sie bei den Untersuchungen ansetzen? Aber sie mussten eine Spur finden, und zwar schnell, denn die Presse saß ihnen seit Tagen im Nacken.
„ Wenn ihr mir bis morgen Abend nicht irgendein Indiz bringt, irgendeinen guten Anhaltspunkt, dann werde ich euch allen Liebespärchenmördern, die sich in der Gegend herumtreiben, als Lockvögel zum Fraß vorwerfen“, hallte seine laute Stimme durch den Raum, „ …. vielleicht als Trans verkleidet, das wäre doch mal was anderes“, fügte er hinzu und endlich konnte man den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht erkennen, wenn auch den eines ironischen. „Was haltet ihr davon? Ist das nicht eine phantastische Idee? Und nun verschwindet und macht euch an die Arbeit!“
Seine Männer schlichen niedergeschlagen und todmüde von dannen, während Lucas allein im Büro zurück blieb und unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen begann. Die letzten Wochen waren wirklich aufreibend gewesen! Zunächst waren einige Landstreicher verschwunden, was jedoch niemanden sonderlich berührt hatte. Wer machte sich in der heutigen Gesellschaft schon Sorgen um ein paar mittellose Menschen ohne Familie? Wahrscheinlich hatten sie sich eine andere Stadt zum Überleben … oder Sterben ausgesucht.
Dann war das nächste Problem aufgetaucht: Sexualverbrecher, die seit Wochen die Gegend um Garden City unsicher machten, indem sie nachts junge Pärchen in geparkten Wagen aufstöberten, um sie bei ihren Liebesspielen unsanft zu unterbrechen. Na ja, unsanft war vielleicht nicht der richtige Ausdruck für den meist gewaltsamen Ausgang dieser Unterbrechungen!
Aber auch das sollte nicht genügen! Nun kam auch noch ein als Balletttänzer verkleideter Riese hinzu, der bis auf zwei Fälle zwar rechtzeitig bei den Überfällen eingreifen und den Tod der jungen Leute vereiteln konnte, jedoch nur durch das Begehen einer neuen Gewalttat und zwar durch den bewusst hervorgerufenen Genickbruch der Kriminellen. Die Polizei hatte nichts in der Hand außer einigen Zeugenaussagen, in denen immer wieder der rätselhafte, scheinbar mit viel Witz und Ironie ausgestattete Retter auftauchte. Zu Beginn hatte Lucas die Möglichkeit erwogen, dass es sich bei den Sexualverbrechern um die verschwundenen Obdachlosen handeln könnte. Die zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Verschwinden dieser Menschen und dem Auftreten der ersten Überfälle war verblüffend. Er hatte persönlich mit allen Mitarbeitern der Obdachlosenhilfe gesprochen. Bei der Beschreibung der Verschwundenen handelte es sich jedoch stets um vom Unglück verfolgte, resignierte, verzweifelte Männer, nicht um gewalttätige, blutrünstige Ungeheuer, so dass er die ihm sinnlos erscheinende Theorie schnell verworfen hatte.
Nach all den Wochen fehlte ihnen jeglicher Ansatzpunkt, um die Fälle in absehbarer Zeit aufzuklären und der Stadt wieder Sicherheit und Ruhe zurückzugeben. Die Bewohner von Garden City waren verängstigt. Die Presse berichtete jeden Morgen über die Straftaten und attackierte die ergebnislosen Recherchen der Polizei. Das Fernsehen strahlte Sendungen aus, in denen sowohl Talkmaster als auch eingeladene Gäste stundenlang über die örtlichen Sicherheitskräfte diskutierten. Und wer war für diese Situation verantwortlich, bei wem lag laut öffentlicher Meinung die gesamte Schuld? Natürlich bei ihm, bei ihm persönlich, Inspector Jeff Lucas, dem Chef der Polizeidienststelle von Garden City!
Seufzend zog Jeff seinen Mantel an und machte sich auf den Weg nachhause. Er musste wenigstens ein paar Stunden schlafen, um im Laufe des Tages einen brauchbaren Gedanken fassen zu können.