Читать книгу Exel - Regina + Giuseppe De Facendis - Страница 9

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Die Klinik Salus, umgeben von herrlichen Parkanlagen, lag auf einer leichten Erhöhung am Rande der Stadt und dominierte majestätisch den Hügel. Die vielen Bäume machten es Exel zwar leicht, sich ungesehen dem großen Gebäude zu nähern, aber es handelte sich um eine ungewohnte, völlig neue Situation. Bis jetzt hatte er sich niemals vor eventuellen Beobachtern verbergen müssen, da er stets in der Nacht, geschützt durch die Dunkelheit agiert hatte, aber angesichts der zeitkritischen Situation sah er sich gezwungen, die Spur seines Gegners auch bei Tageslicht aufzunehmen. Der Vorsprung des Gegners war allzu groß, die Zeit drängte und so blieb ihm keine andere Wahl.

Hinter dem Hauptgebäude sprang Exel leichtfüßig auf das Dach der Garagen, um durch ein offenes Fenster ins Innere der Klinik zu gelangen. Aber als er sich gebückt dem Fenster näherte, hörte er die Stimmen mehrerer Personen, die in eine rege Diskussion verwickelt waren.

„ … über das Wie und Wo brauchen wir nicht weiter zu diskutieren!“ sagte eine Männerstimme. „ Fest steht, dass wir die Produktion erhöhen müssen, da der Abflug kurz bevorsteht. Das ist ein Faktum! Natürlich werden wir für diese zusätzliche Bemühung besonders entlohnt, aber das brauche ich sicher nicht noch einmal betonen. Ihr wisst, wie großzügig unser Auftraggeber ist!“

„ Ja, das wissen wir, Mark, aber das Problem ist ein anderes. Wir können kaum noch Obdachlose finden,“ antwortete eine andere männliche Stimme.

Exel richtete sich langsam auf und schaute für den Bruchteil einer Sekunde über den Fenstersims ins Zimmer, um das Bild in seinem Gedächtnis zu speichern. Es handelte sich um einen großen Raum, in dessen Mitte ein riesiger Schreibtisch aus Eichenholz thronte. Hinter dem Schreibtisch saß auf einem robusten Ledersessel ein ebenso robuster männlicher Körper, gekleidet in Anzug und Krawatte. Zweifellos handelte es sich um den Direktor der Klinik, der mit der Wahl des Mobiliars auch Unwissenden auf den ersten Blick klarmachen wollte, wer das Sagen in dieser Einrichtung hatte. Gegen jede Regel verstoßend rauchte er eine Zigarre und beugte sich, mit beiden Unterarmen auf den Schreibtisch gestützt, angriffslustig seinen Gesprächspartnern entgegen, einem Mann und einer Frau, beide mit weißen Mänteln, offensichtlich Ärzte der Klinik Salus.

„ Die Stadt müsste uns eigentlich dankbar sein, dass wir die Straßen von diesem Ungeziefer befreien und der Gemeinde gleichzeitig das Geld für die Verpflegung im Obdachlosenheim ersparen“, fuhr der Direktor fort.

„ Aber wie sollen unsere Lieferanten unbemerkt leblose Körper beschaffen, wenn ein Obdachloser das Seltenste und Wertvollste geworden zu sein scheint, was die Stadt zu bieten hat?“ fragte der Arzt mit ratlosem Gesichtsausdruck.

„ Wir wurden informiert, dass sie die Übergabe weiterer Probanden für sehr problematisch halten.“

„ Dann müssen sie eben das Rohmaterial wechseln. Es gibt ja nicht nur Obdachlose! Wie viele Menschen verschwinden spurlos, ohne dass es jemandem auffällt. Sie werden sich eben einer anderen Art von Menschen annehmen, den einsamen, unauffälligen Menschen, Menschen ohne Verwandte und Freunde, denen man im Endeffekt …. einen Gefallen tut, wenn man sie von der Last des Lebens befreit!“

Bei diesen Worten lehnte sich der Direktor namens Mark selbstzufrieden in die Lehne des enormen Ledersessels zurück, nahm einen weiteren Zug an seiner Zigarre und blies den Rauch genüsslich gegen die Decke. Dann wechselte er plötzlich den Gesichtsausdruck.

„ Wenn das Klonen problemlos geklappt hätte, könnten wir uns den ganzen Aufwand ersparen“, warf er verdrossen ein und fixierte die beiden Ärzte mit strafendem Blick.

„Ja, das ist leider richtig!“ musste die Ärztin zugeben. „ Wir haben den Fehler, der bei der Reproduktion aufgetreten ist, immer noch nicht hundert Prozent lokalisieren können. Zunächst dachten wir, der Grund für das Problem läge bei einer Stromschwankung, die während der Umprogrammierung der Hirnzellen der sechs Probanden aufgetreten war, aber beim allerersten Klon, den wir unter ständiger Überwachung in einer Einzelzelle behandelt hatten, war es zu keiner Abweichung gekommen, jedoch scheint das Ergebnis ähnlich, wenn auch nicht identisch zu sein. Alle Klone dieser ersten Serie hatten psychische Störungen, die erst nach mehreren Tagen in Erscheinung traten. Die Synapsen leiteten falsche Signale in die geklonten Hirnzellen, so dass es bei den Probanden zu Überreaktionen kam.“

„ Aber wie könnt ihr mit den Versuchen fortfahren, wenn ihr nicht einmal den Fehler gefunden habt?“ unterbrach Mark die Ärztin.

„ Wir müssen seit dem Start des Projektes unter Zeitdruck arbeiten, da die Vorgaben unserer Auftraggeber kaum realisierbar sind“, kam der Arzt seiner Kollegin zu Hilfe. „ Wir sind überzeugt, dass es an der Zusammensetzung der Körperflüssigkeit lag. Bei den neuen Probanden haben wir die Mischung minimal verändert und sind sicher, dass es diesmal problemlos funktionieren wird. Leider ist es dem ersten und sechs weiteren Klonen gelungen, den Aufsehern zu entkommen“, setzte er hinzu und sah Kent mit anklagendem Blick an, “ und das war ja nun wirklich nicht unsere Schuld.“

„ Ja, da habt ihr bedauerlicherweise recht!“ musste Mark Kent zugeben. „Die Flucht haben wir meinen Leuten zuzuschreiben. Sie haben mal wieder geschlafen“, fuhr er wütend fort. „Verdienen einen Haufen Geld und dann so eine Schlamperei! Sind nun eigentlich alle geflohenen Klonen zur Strecke gebracht worden?“

„Alle, bis auf den ersten, und zwar auf die einzige Art und Weise, auf die man diese Wesen unschädlich machen kann: die Fraktur des Dens Axis, des Zahnes des zweiten Halswirbels. Dieser verrückte Serienmörder, von dem die Medien berichten, muss das durch einen dummen Zufall bemerkt haben. Durch das Abquetschen des Rückenmarkes kommt es zur Zerstörung der Nervenzentren für Atmung und Kreislauf, was den sofortigen Tod zur Folge hat. Einfacher ausgedrückt: Genickbruch! Alle anderen gewaltsamen äußeren Einwirkungen führen zwar zu einer kurzen Störung der Klonen, aber dank des von uns eingerichteten Wiederherstellungssystems niemals zur Elimination. Zum Glück hat der verrückte Kriminelle durch seine zufällige Entdeckung bereits sechs dieser Fehlgeburten unschädlich gemacht.“

Die Ärztin stockte einen Moment und überlegte.

„ Wenigstens hoffe ich, dass es ein Zufall war“, sagte sie zögernd. „ Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Informationen dieser Art durchsickern können. Nur wir drei und Dexter kennen dieses Geheimnis ...“, fuhr sie nachdenklich fort, um den Satz mit Bestimmtheit zu beenden, „ … nein, diese Möglichkeit schließe ich a priori aus.“

Dann legte sie freundschaftlich die Hand auf den Arm ihres männlichen Kollegen.

„Gott sei Dank läuft jetzt nur noch ein einziger Klon frei herum. Allzu viel Schaden kann er nicht anrichten!“ fügte sie hinzu.

„ Das denke ich auch!“ stimmte der Arzt lächelnd zu. „ Heute haben übrigens die Tests mit den neuen Probanden begonnen. Der erste liegt bereits in der Transformationsphase und alles scheint problemlos zu laufen. Das einzige, was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist die erhöhte Produktion, aber unsere Lieferanten werden es schon schaffen, uns das notwendige Rohmaterial zur Verfügung zu stellen!“

„ Da bin ich auch zuversichtlich“, bekräftigte Kent. „Sie konnten uns bis jetzt immer zufrieden stellen!“ Dann hob er seinen übergewichtigen Körper schwerfällig aus dem weichen Ledersessel. „ Aber nun lasst uns eine Pause einlegen, mein Magen knurrt. Heute Nachmittag überlegen wir gemeinsam mit Dexter, ob wir die Produktion nicht doch etwas einschränken können. Unser Part sollte in ein paar Tagen abgeschlossen sein, so dass unser Auftraggeber endlich mit der letzten, entscheidenden Phase des Projektes starten kann. Der Abflug steht kurz bevor!“

Die drei gingen zur Tür und verließen das Büro. Exel vergewisserte sich kurz, dass er von niemandem beobachtet wurde, huschte durch das geöffnete Fenster und verharrte kauernd hinter dem Schreibtisch. Er musterte Decke und Wände des Zimmers, überprüfte alle Ecken und Nischen und stellte mit Erleichterung fest, dass keine Überwachungskameras angebracht waren. Er musste aufdecken, was hier vorging. Eine böse Vorahnung hatte er bereits. Der getötete Landstreicher schien in diesem Gebäudekomplex von den Ärzten aufbereitet, mutiert oder auf welche Weise auch immer behandelt zu werden. Die Frage war nur: wo? Er schlich zur Tür, öffnete sie einen Spalt und sah die Köpfe der drei Personen, deren Unterhaltung er kurz zuvor belauscht hatte, im Treppenhaus Richtung Erdgeschoss verschwinden. Im gleichen Moment verließen zwei Pfleger das gegenüberliegende Zimmer und schlossen eine Tür mit der Aufschrift ZUTRITT VERBOTEN hinter sich.

„ Nun hat auch der zuletzt eingelieferte Patient die Behandlung fast überstanden. Glaubst du wirklich, dass es sich um eine neue Dialysetherapie für Nierenkrebspatienten im Endstadium handelt?“ wagte einer der beiden mit fragendem Blick zu äußern.

„ Ich weiß es nicht und möchte es auch nicht wissen!“ antwortete der andere und klopfte seinem Kollegen auf die Schulter. „ Wir haben einen Job, bekommen jeden Monat ein festes Gehalt und arbeiten gemeinsam mit Ärzten in einer Klinik. Mehr interessiert mich nicht. Jetzt lass uns was essen gehen! Heute Nachmittag warten schon die nächsten zwei Patienten auf uns.“

Dann verschwanden sie ebenfalls treppabwärts Richtung Mensa.

Exel hatte den Zeitpunkt seines Besuches gut ausgewählt, da um die Mittagszeit ein Großteil der Angestellten mit dem Essen beschäftigt war. Er begutachtete mit prüfendem Blick die Wände des Korridors. Auch hier keine Videokameras. Sie sind sich ihrer Sache wohl sehr sicher! Er glitt geräuschlos auf den Gang und verschwand hinter der Tür, durch welche kurz zuvor die beiden Pfleger auf den Korridor getreten waren. Bingo! würden die Menschen in einem solchen Moment sagen. Dies musste das Labor sein!

Mehrere nackte, bis zur Hüfte mit weißen Laken bedeckte Körper waren hier aufgebahrt und jeweils über zwei durchsichtige Schläuche an eine Art Dialysegerät angeschlossen, in dessen gläsernen Behältern eine rötliche Flüssigkeit blubberte. Es musste sich um eine Blutwäsche handeln, nur schien in den ausgestreckten Körpern anstatt menschlichen Blutes nur noch diese künstliche, etwas dickflüssige Materie zu fließen. Während die Dialysegeräte seitlich aufgestellt waren, befand sich am Kopfende jeder Liege eine weitere Maschine, mit welcher die Patienten über mehrere Kabel und Elektroden an Stirn, Schläfe, Backenknochen und Nacken verbunden waren. Die Geräte erinnerten an Elektroenzephalografen, nur dienten sie in diesem Fall nicht der Aufzeichnung der durch die Gehirnaktivität erzeugten Spannungsschwankungen, sondern sie schienen angesichts der leichten rhythmischen Kontraktionen der Probanden elektronische Impulse zu setzen, um die Hirnströme der Toten neu zu aktivieren.

Direkt vor Exel lag der leblose Körper von Paul Stjepanovic, dessen tragisches Ende ihn gestern Abend zunächst in die Praxis des Tierarztes und schließlich in diese Operationsbasis geführt hatte, die Klinik Salus. Was haben sie nur mit euch vor? fragte sich Exel, während er den rhythmisch zuckenden Körper des Obdachlosen betrachtete. Dann setzte er sich an den großen Computer auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes und begann Informationen zu suchen.

„Sie sind leider weiter, als ich dachte“, murmelte er kurze Zeit später, während er in schneller Abfolge die Protokollseiten der Behandlungsergebnisse auf dem Bildschirm ab rief. „Das sieht gar nicht gut aus! Viel Zeit bleibt mir nicht mehr!“


Im gleichen Augenblick knüllte der Wachhabende im Untergeschoss die Papierserviette zusammen, der er kurz zuvor ein reichhaltig gefülltes Sandwich entnommen hatte, und entfernte genüsslich die letzten Krümel aus den Haaren seines Schnurrbartes. Da hatte Annie ihm wieder ein herrliches Mittagsmahl zubereitet. Sie war einfach ein Schatz! Vertieft in die schönen Gedanken kehrte er an seinen Arbeitsplatz zurück, wo auf vier riesigen Monitoren rund um die Uhr alle Aktivitäten in den wichtigsten Punkten der Klinik übertragen wurden. Man sah den Haupteingang, den Landeplatz für den Helikopter, den Aufenthaltsraum der therapierten Patienten und... das Labor.

„ Das Labooor!“ schrie er, als der erste Adrenalinstoß den Schweiß aus seinen Poren trieb. „ Was hat denn dieser Typ am Computer zu suchen? Alaaarrrmmm!“, und schlug mit aller Gewalt auf den roten Alarmknopf seitlich der Monitore. Fast gleichzeitig begann das ohrenbetäubende, rhythmisch aufheulende Geräusch einer Sirene alle Räume der Klinik zu durchdringen.

Exel fuhr erschrocken zusammen. Ein Blick an die Decke und er sah die Überwachungskamera. Er seufzte kurz auf. Sein Fehler! Diesmal hatte er sich zu sicher gefühlt!


In zwei Schritten war er auf dem Gang und flog in weiten Sprüngen Richtung Treppe. Ein bewaffneter Mann des Wachpersonals spurtete hinter ihm die Treppe hinauf.

„ Stehenbleiben oder ich schieße!“

Schon löste sich die erste Schuss. Mit zwei weiteren Sprüngen erreichte Exel den gleichen Korridor, über den er kurz zuvor geflüchtet war, nur ein Stockwerk darüber. Am gegenüberliegenden Ende stürzten drei Wachen mit Pistolen im Anschlag aus einem Zimmer. Hier gibt es mehr Wachpersonal als Patienten! dachte Exel und verschwand in einem Raum, der sich direkt über dem Büro des Direktors befinden musste. Er lief quer durch das Zimmer, sprang ohne zu zögern mit der rechten Schulter voran gegen das große geschlossene Fenster, das in tausend Stücke zerbarst, und landete nach kurzem Flug auf dem Dach der Garagen, von dem aus er vor etwa zwanzig Minuten ins Innere des Gebäudes gelangt war. Ein weiterer Sprung und er stand auf dem Rasen seitlich der Klinik … und dann war er weg.

Hinter der zerbrochenen Scheibe des Fensters erschien der erste Verfolger und schoss aufs Geratewohl in die Richtung, in der sich der Fliehende eigentlich befinden musste …. es jedoch nicht mehr tat. Die Schüsse gingen ins Leere. Aus dem Haupteingang stürzten drei bewaffnete Männer ins Freie und spurteten um das Gebäude herum, um den Flüchtigen zu stellen, aber der Eindringling war wie vom Erdboden verschwunden.

„ Verflucht! Wer auch immer es war, er ist uns entkommen. Los, wir müssen sofort den Chef informieren!“ sagte der Wachhabende, dem leider nicht die Zeit geblieben war, sein genüsslich verspeistes Sandwich in Ruhe zu verdauen.

Exel

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