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Kapitel I

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Björn saß wie fast jeden Sommerferien-Nachmittag auf der Terrasse seines Stammbistros am Rhein, gleich gegenüber der alten Pegeluhr, und trank Kaffee. Es war kühl, nur wenige Gäste, Björn döste vor sich hin. „Sind Sie Alfred Völkel?“ Björn schreckte auf. Vor ihm standen zwei Polizisten. „Wir machen im Rahmen einer Fahndung eine Personenkontrolle. Die Angaben zur Person, die wir suchen, passen auf Sie. Können Sie sich ausweisen?“ Björn griff in seine Jackentasche und war froh, dort gleich das Mäppchen mit dem Personalausweis zu finden. „Ich heiße nicht Völkel, sondern Aumann. Hier, mein Ausweis! Was soll ich denn verbrochen haben? Mord, Vergewaltigung, Bankraub?“ Die Polizisten konnten über diese Frage nicht lachen und hätten sie auch nicht beantworten dürfen. Denn Björn war nicht der Gesuchte, wie sich schnell herausstellte. „Noch einen schönen Tag“, wünschten die Polizisten und gingen. Björn bestellte noch einen Kaffee – und einen Cognac! Er zahlte und machte sich auf den Heimweg. Es war nicht weit, nur ein paar Minuten Fußweg. Zu Hause empfing ihn wieder dieses undurchdringliche Chaos, dessen Bewältigung er längst aufgegeben hatte. Bücher, Zeitungen, Klamotten, leere Flaschen und schmutziges Geschirr. Die übliche Mischung eines Chaoten-Haushalts in Single-Version. Björn, 32, war Lehrer am Gymnasium, Deutsch und Geschichte. Er war in Moers am Niederrhein geboren, hatte in Düsseldorf studiert und war hier hängen geblieben, obwohl ihm Köln viel besser gefiel.Lehrer, das war nicht gerade sein Traumberuf. Er hätte lieber etwas Künstlerisches gemacht, am Theater oder beim Fernsehen. Er wäre auch gern ins Ausland gegangen, nach Italien, aber es war eben alles anders gekommen. Björn setzte sich an den Schreibtisch, blätterte in einer Zeitschrift und dachte darüber nach, dass er wohl wie ein Verbrecher aussehen müsse. Zumindest wie dieser Gesuchte, was der auch immer angestellt haben mochte. Ein Verbrecher, ein Ganove... Man sprach dann immer von krimineller Energie. Hatte er kriminelle Energie? Immerhin hatte er als Student zwei- oder dreimal Bücher geklaut. Und dann die Vergehen als Autofahrer – zu schnell, zu eng aufgefahren, vier Strafpunkte standen in der Flensburger Verkehrssünderkartei zu Buche. Aber war das schon kriminelle Energie? Würde er vielleicht jemand umbringen können? Da fiel ihm gleich jemand ein: Dagmar Seibold, die Schulleiterin, seine Chefin. Die ließ keine Gelegenheit aus, ihn zu mobben. Anfangs war das anders gewesen. Da hatte sie sich an ihn heran geschmissen. Aber sie war nicht sein Typ, auch zu alt und überhaupt....

Was sollte er mit dem Rest des Tages anfangen? Fernsehen und Bier. Und zwischendurch einen Wodka kippen – so wie gestern und vorgestern. Er schämte sich. Dass einem Intellektuellen, einem gebildeten Menschen nichts anderes einfiel als Fernsehen und Saufen. Und er schämte sich noch mehr, als ihm einfiel, er könne sich ja im Internet ein paar Free-Pornos anschauen. Warum hatte er eigentlich keine Freundin? Zuletzt war es Erika, eine Kollegin aus Duisburg, Englisch und Bio. Aber sie passten wohl nicht zusammen. Sie war ein sportlicher Typ: Joggen, Tennis, Ski-Langlauf. Björn hasste dagegen sportliche Betätigung, vor allem, wenn sie mit Anstrengungen verbunden war. Er saß gern im Café, ging ins Museum, liebte Musik und träumte gern. Träumen war für Erika aber eher ein Schimpfwort. Das musste schief gehen. Schade, denn sie war hübsch, hatte eine sexy Figur und konnte sehr leidenschaftlich sein. Björn sah sich den „Tatort“ an. Eine Mordgeschichte aus dem Rotlicht-Milieu. Es ging um Drogen, Menschenhandel und Prostitution. Eine polnische Nutte bringt ihren russischen Zuhälter um, mitten auf der Reeperbahn! Björn hatte Hunger, machte sich ein paar Dosenravioli warm. Italienische Küche, da stand er drauf. Pasta, frittierter Fisch und auch eine gute Pizza. Dazu natürlich Vino. Der war ihm allerdings ausgegangen. Aber im Kühlschrank standen noch zwei Dosen Bier. Er legte eine CD von Gianna Nannini auf. Er wäre gern in den Ferien nach Italien gefahren. Er wollte mit dem Auto bis runter nach Sizilien, wollte in Verona, Florenz, Rom und Neapel Station machen. Aber dann gab sein alter Honda den Geist auf. Immerhin war der Neue ein gebrauchter Italiener, ein weinroter Fiat Punto. Der hatte erst 35000 Kilometer drauf. Aber er musste für den Wagen auch 7000 Euro auf den Tisch legen. Björn entschloss sich, den Tag mit zwei doppelten Wodka abzuschließen. Morgen wollte er nach Köln ins Römisch-Germanische Museum. Er war schon oft dort gewesen. Aber es gab immer wieder Neues zu entdecken. Und in der Nähe des Museums gab es einen verdammt guten Italiener.


Am späten Nachmittag saß er wieder auf der Bistro-Terrasse am Rhein. Es war ein schöner Köln-Ausflug gewesen. Jetzt wollte er den Tag ganz entspannt ausklingen lassen. Auf dem Nebentisch lag eine Zeitung. Björn las schon seit geraumer Zeit nicht mehr regelmäßig Zeitung. Das Abo hatte er gekündigt. Aber jetzt schaute er mal rein – und stieß sofort auf eine Geschichte, die ihn sehr interessierte. Er las, dass die Polizei immer noch auf der Suche nach Alfred Völkel sei, der in Verdacht stehe, in Mönchengladbach zwei Frauen umgebracht zu haben. Die Kripo vermute, dass er sich im Großraum Düsseldorf aufhalte. Daneben ein Fahndungsfoto. Björn erschrak: Der Mann auf dem Bild hätte auch er sein können. Eine frappierende Ähnlichkeit. Björn schlug die Zeitung schnell wieder zu und steckte sie in die Tasche. Er bestellte einen doppelten Wodka. Sah er wirklich wie ein Frauenmörder aus? Zu Hause stellte er sich vor den Spiegel. „Ich sehe doch ganz normal aus“, dachte er. „Eher bieder, harmlos, auf keinen Fall angsteinflößend. Aber das sollen ja die Schlimmsten sein, sagt man.“ Dieser Frauenmörder musste pervers sein. Und er, er war doch nicht pervers. Oder? Aber das würde der Frauenmörder von sich auch behaupten. Warum sprach man eigentlich nie von Männermördern? Das waren wohl nur einfache Mörder, kaum der Rede wert. Aber Frauenmörder... Björn hatte jetzt genug von diesen Gedanken. Aber morgen würde er eine Sonnenbrille aufsetzen, zur Tarnung!


Frauenmörder

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