Читать книгу Der Samurai-Manager - Reinhard Lindner - Страница 12
MICHAEL LOEFFLAD
ОглавлениеPräsident Würth Japan
Sie sind bereits seit zehn Jahren in Japan beruflich tätig. Was hat Sie dazu bewogen, sich für so einen langen Zeitraum zu verpflichten?
Die hohe Lebensqualität in Form von Sicherheit, die Freundlichkeit der Leute, der gute Service. All das zusammen ergibt einen guten Mix für mich und deshalb fühle ich mich wohl hier.
Wie spüren Sie die Sicherheit im täglichen Leben hier in Japan?
Die Sicherheit drückt sich darin aus, dass ich zum Beispiel in jedem beliebigen Lokal mein Sakko unbeaufsichtigt hängen lassen und ich meinen Geldbeutel auf dem Tisch oder an der Theke liegen lassen kann. Wenn ich zurückkomme, liegt er immer noch da. Wenn ich um zwei Uhr nachts einer Gruppe Jugendlicher begegne, dann kann ich sicher sein, dass mir nichts passiert: Wenn mir dasselbe in manchen Stadtteilen in Deutschland passiert, weiß ich nicht, welchen Gefahren ich mich aussetze.
Was machen Sie bei der Mitarbeiterführung hier für Würth Japan anders als beispielsweise für Würth Deutschland?
Ich muss hier meine Ideen viel stärker an meine Mitarbeiter verkaufen. Ich muss sie ganz stark in die Change-Prozesse einbinden, nur so findet man langfristig die nötige Akzeptanz und den hier so wichtigen Respekt.
Wenn Sie einen Geschäftstermin wahrnehmen: Worauf achten Sie hier besonders?
Das Wichtigste ist Vertrauen schaffen, am besten über eine freundliche Atmosphäre. Es empfiehlt sich beispielsweise, über den Markt zu reden und nicht zu früh über das Geschäft. Eine grobe Präsentation über das Angebotsportfolio, aber keinesfalls beim Erstbesuch ein Angebot konkretisieren, das würde der Japaner völlig missverstehen. Erfahrungsgemäß benötigt man in Japan mindestens drei Jahre, um in den Markt zu kommen.
Wie erklären Sie sich die hohe Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen?
Ich kann beobachten, dass die Loyalität der Mitarbeiter abnimmt. Sie ist aber verglichen mit Europa noch auf einem viel höheren Niveau. Dennoch denkt der Japaner heute bereits anders. Als Sony als erstes Unternehmen begonnen hat, Mitarbeiter im größeren Stil zu entlassen, und mit dem Platzen der IT-Blase, gefolgt von der Finanzkrise, haben auch die Japaner gemerkt, dass „lifetime employment“9 selbst Toyota, Hitachi oder auch Mitsubishi auf Dauer nicht bieten können.
Worauf achten Sie im Umgang mit Ihren Mitarbeitern?
Ich achte auf stilvolle Manieren. Hier zählt die gute alte Schule noch. Anstand und traditionelle Werte werden hier noch großgeschrieben. Tödlich wäre es, die Beherrschung zu verlieren oder laut zu werden, da disqualifiziert man sich hier nur selber und das ganz schnell.
Wie motivieren Sie Ihre Leute?
Ich zeige jedem einzelnen, dass er/sie hier eine Zukunft in unserem Unternehmen hat. Ich rekrutiere die Manager, wenn irgendwie möglich, aus den eigenen Reihen. Es gibt wenige, aber dafür attraktive Incentives.10 Zum Beispiel läuft im Vertrieb ein Wettbewerb für eine Reise nach Hawaii. Die Wettbewerbe sind so angelegt, dass jeder gewinnen kann und nicht nur die Stars. Dies ist eine globale Vorgehensweise von Würth. Zusätzlich bringe ich etwas europäischen Führungsstil mit ein, indem ich den Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung gebe.
Was ist wichtig, wenn man auf den japanischen Markt will?
Die Devise laute hier „think big“: ein Konzept ausfeilen bis ins Detail und dann groß umsetzen, keine Halbherzigkeiten. Viele Unternehmen machen den Fehler, dass sie hier eine Niederlassung gründen, meist um auf der Landkarte einen Haken dranzusetzen, sie machen dann aber den zweiten Schritt nicht.
IKEA war bereits vor 35 Jahren auf dem japanischen Markt. Damals waren in einigen Department-Stores IKEA-Abteilungen eingerichtet, wo bereits zusammengebaute Schränke und Regale standen. Denn die Japaner sind keine Hobbybastler, war die allgemeine Überzeugung. IKEA schlummerte über zwei Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit. Bis 2004 der damals drittgrößte IKEA-Store der Welt mit über 40.000 m2 Verkaufsfläche eröffnete und das IKEA-Prinzip konsequent umgesetzt wurde. In der Zwischenzeit gibt es in Japan schon fünf solche Stores und IKEA läuft prächtig im Land der aufgehenden Sonne. Starbucks-Gründer Howard Schultz war der Erste, der in Japan ein Nichtraucherlokal eröffnete. Niemand glaubte an seinen Erfolg. Doch er hatte die Starbucks-Idee konsequent umgesetzt, und heute ist er ein Big Player und Japan ist sein zweitwichtigster Markt geworden.
Was können Sie ausländischen Unternehmen noch empfehlen?
Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf Ihre Partner, wenn Sie nach Japan gehen. Der Partner hält eher die Marke klein. Das ist historisch bedingt. Der Japaner in einem ausländischen Unternehmen ist nicht der Initiator. Er hinterfragt auch nichts. Er ist eher das ausführende Organ. Das ganze japanische Bildungssystem hat sehr viel mit dem Auswendiglernen zu tun. Dies beginnt schon mit der Schrift, die muss man mit hoher Konsequenz und viel Disziplin einfach Auswendiglernen. Deshalb haftet der Japaner sehr stark am Geschriebenen und vertraut dem auch. Wenn zum Beispiel bei einer Gebrauchsanweisung steht: „Verwenden Sie einen Reiniger, so einen wie von Würth“, dann nimmt der Japaner einen von Würth und hinterfragt nicht, welche es noch gibt, weil er dies der Informationsbroschüre so entnommen hat.
Was haben Sie persönlich von den Japanern gelernt?
Gelassenheit, und dass Harmonie vor Macht und Geld steht. Die Japaner sind sehr diszipliniert. Dies sieht man in allen Lebenslagen. Zum Beispiel: Der Shinjuku-Bahnhof in Tokio hat eine Tagesfrequenz von 12 Millionen Menschen. Und es passiert nichts, hier wird Disziplin täglich gelebt. Gegenseitiger Respekt und Achtsamkeit werden hier noch gelebt, wie bei den alten Samurai.