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2.3 Albträume bei bestimmten psychischen Störungen1
ОглавлениеAlbträume treten häufig zusammen mit Schizophrenien, Substanzmissbrauch, Depressionen, Angststörungen oder bestimmten Persönlichkeitsstörungen auf.
Ein gehäuftes Auftreten von Albträumen findet sich bei schizophrenen Patienten. Schizophrenien sind psychische Störungen, bei denen die Betroffenen Denkstörungen und Störungen ihrer Emotionen aufweisen. Häufig gehen Denken und Gefühle nicht Hand in Hand, sondern sind voneinander losgelöst. Das Denken selbst ist oft eingeschränkt, unlogisch, formal gestört. Neben diesen Kernsymptomen der Schizophrenie gibt es Nebensymptome (sogenannte akzessorische Symptome) wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen, die beim Laien oft fälschlicherweise als das Charakteristische der Schizophrenie angesehen werden. Die Schizophrenien werden unterteilt in Schizophrenien mit Positivsymptomatik und Schizophrenien mit Negativsymptomatik. Wobei Positiv- oder Negativsymptomatik nicht bedeutet, dass es sich um eine gute oder schlechte Symptomatik handelt, sondern von Positivsymptomatik spricht man, wenn die Betroffenen ein Mehr an Verhalten zeigen und von Negativsymptomatik, wenn die Betroffenen in ihrem Verhalten sich stark eingeschränkt und verflacht zeigen. Die Positivsymptomatik ist entsprechend gekennzeichnet durch Halluzinationen, Wahnvorstellungen, ein produktives Denken und Sprechen, welches aber formale Fehler aufweist (z.B. assoziativ sehr gelockert ist, neue Worte erfunden werden oder die Sprache poetisch manieriert klingt) oder die Gefühle stark übertrieben oder unangemessen zur Situation oder zum geschilderten Erleben sind. Bei der Negativsymptomatik findet sich hingegen oft eine Spracharmut, eine Sprachverflachung, eine Verflachung der Gefühle, ein emotionaler und sozialer Rückzug, eine Willensverflachung und eine Entscheidungsunfähigkeit. Das Erleben eines schizophrenen Schubes mit seinen Halluzinationen und Wahnvorstellungen wird von den Betroffenen als sehr belastend und beängstigend beschrieben. Daher stellt die Schizophrenie, neben den ganzen sozialen und persönlichen Problemen, die die Erkrankung für die Betroffenen bedeutet, auch eine massive emotionale Belastung dar. Schizophrene Patienten leiden überdurchschnittlich häufig unter Albträumen.
Vermehrte Albträume finden sich vor allem bei schizophrenen Patienten mit Positivsymptomatik. Diese Patienten weisen eine erhöhte Aktivität des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn auf. Es wird vermutet, dass diese vermehrte dopaminerge Aktivität in bestimmten Bahnen des Gehirns für das vermehrte Auftreten von Albträumen (wie auch der anderen Symptome der Positivsymptomatik) verantwortlich ist. Da die meisten Patienten mit Schizophrenien medikamentös mit sogenannten Neuroleptika behandelt werden, ist natürlich nicht auszuschließen, dass die vermehrten Albträume der Schizophrenen auch durch diese Medikamente verursacht werden. Und tatsächlich können diese Medikamente auch Albträume auslösen, wie wir in Kapitel 6 sehen werden.
Auch beim Missbrauch von Substanzen (Alkohol, Drogen, Medikamente) kann es gehäuft zum Auftreten von Albträumen kommen. Dies kann einerseits die direkte Folge dieser Substanzen sein. So ist bekannt, dass bestimmte Drogen (Amphetamine, Kokain, Cannabis) zu Albträumen führen können. Im Fall der Amphetamine wird dies vermutlich über das dopaminerge Neurotransmittersystem vermittelt, bei Kokain und Cannabis vermutlich über das serotonerge Transmittersystem oder eine Störung des Gleichgewichts zwischen serotonergem und dopaminergem System. Es kann aber auch sein, dass der Entzug dieser Substanzen zum Auftreten von Albträumen führt, was beispielsweise für die Benzodiazepine (Medikamente zur Behandlung von Angst und Schlafstörungen) sehr gut gezeigt worden ist. Schließlich können aber auch belastende Faktoren, die sich sekundär durch den Missbrauch von Substanzen einstellen, zu einem vermehrten Auftreten von Albträumen führen. Hier ist daran zu denken, dass beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes oder sozialer und familiärer Beziehungen aufgrund des Substanzmissbrauchs zu Belastungen führen, die sich ihrerseits in vermehrten Albträumen niederschlagen können.
Depressionen sind Erkrankungen oder Störungen, die sich durch psychische, aber auch durch körperliche Symptome manifestieren. Die auffälligsten psychischen Symptome bei den Depressionen sind eine niedergedrückte Stimmung, Minderwertigkeitsgefühle, Schuldgefühle, eine innere Leere, ein Verlust des Antriebs und eine Willenlosigkeit, ein ausgeprägtes Grübeln, Konzentrationsstörungen und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit bis hin zu Suizidwünschen und Suizidversuchen. Auf der körperlichen Ebene finden sich bei Depressionen oft Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafstörungen, aber auch ein vermehrtes Schlafbedürfnis), Appetitverlust, ein Libidoverlust und mannigfaltige körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Hitzewallungen oder Zittern. Von einer Depression spricht man allerdings erst, wenn diese Symptome über mindestens zwei Wochen andauern. Eine Depression verläuft in der Regel in Episoden, das heißt, es kann nur eine einmalige depressive Episode im Leben auftreten; diese können sich aber auch wiederholen und immer wieder kommen (rezidivierende Depression). In aller Regel gehen Depressionen mit einer Störung des Schlafmusters mit einem erhöhten Anteil des REM-Schlafs einher, in dem die Albträume auftreten (siehe Kapitel 5). Aufgrund des erhöhten REM-Schlafanteils am Gesamtschlaf ist daher bei Depressiven auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Albträumen erhöht. Vermehrte Albträume bei Depressiven resultieren aber vermutlich auch aus einer erhöhten Besorgnis und Belastung dieser Personen und vermehrten Schuldgefühlen. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass in den Albträumen der Depressiven häufig solche Themen wiederkehren, die sich um Trennung, Verlust und Tod oder Schuld drehen. Bei Depressiven gibt es zudem einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Albträumen und Selbsttötungsabsichten oder -gedanken. So haben depressive Personen, vor allem Frauen, mit Selbstmordgedanken mehr Albträume, so wie Depressive mit häufigen Albträumen auch ein erhöhtes Suizidrisiko haben.
Auch Patienten mit Angststörungen weisen gehäuft Albträume auf. Zu den Angststörungen zählt man die Phobien, die Panikstörung, die Generalisierte Angststörung und die Belastungsstörungen (wie z.B. die Posttraumatische Belastungsstörung). Bei der Panikstörung kommt es zu plötzlichen Panikanfällen mit Todesangst, wobei diese Panikanfälle unvorhersehbar in allen möglichen Situationen (auch zuhause) auftreten können, oder sie können an ganz bestimmte Situationen gebunden sein, wie z.B. an große Menschenansammlungen. Bei der Generalisierten Angststörung machen sich die Betroffenen ununterbrochen Sorgen um alles Mögliche. Sie haben ständig die Angst, Ihnen oder Ihren Familienangehörigen könnte etwas Schlimmes zustoßen. Die Belastungsstörungen sind psychische Störungen, die mit starker Angst einhergehen und – wie der Name sagt – als Reaktion auf eine schwere psychische Belastung (ein psychisches Trauma) entstehen. Man unterscheidet zwischen der akuten Belastungsreaktion, die unmittelbar nach dem belastenden Ereignis auftritt und nur Tage bis wenige Wochen anhält und der Posttraumatischen Belastungsstörung, die oft erst Wochen oder Monate nach dem traumatischen Ereignis sich ausbildet und unbehandelt Jahre bestehen bleiben kann.
Die Phobien gehen in der Regel mit einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten einher, d.h., die Betroffenen vermeiden in meist völlig übertriebener Art die Situationen oder Objekte, in denen oder durch die ihre Phobie auftritt. Die Angst ist aber in der Regel auf bestimmt Objekte oder Situationen beschränkt (wie z.B. öffentliche Plätze, Tiere, Höhen oder die negative Bewertung durch andere Menschen), in allen anderen Situationen ist keine übermäßige Angst vorhanden. Ein wesentliches Merkmal der Phobien ist, dass die gefürchteten Objekte oder Situationen vermieden werden. So gehen im Extremfall Menschen mit einer Angst vor öffentlichen Plätzen (Agoraphobie) nicht mehr aus dem Haus oder vermeiden bestimmte Wege oder weitere Reisen, die sie an unbekannte Orte führen könnten. Personen mit einer Spinnenphobie vermeiden das Fernsehen, da sie ja aus Versehen in einen Kanal schalten könnten, in dem eine Dokumentation über Spinnen gezeigt wird und Menschen mit einer sozialen Phobie vermeiden z.B. Vorträge oder mündliche Prüfungen aus Angst, sich zu blamieren.
Bei Phobien sind die Albträume oft auf das phobische Objekt oder die ängstigende Situation bezogen. So träumen etwa Menschen, die unter einer Spinnenphobie (Arachnophobie) leiden, in ihren Albträumen vermehrt von Spinnen, Menschen, die unter einer sozialen Phobie leiden, also der Angst, von anderen, für sie wichtigen, Personen schlecht bewertet zu werden, träumen gehäuft von sozialen Situationen, in denen sie bloßgestellt werden oder sich in irgendeiner Form blamieren.
Bei der Generalisierten Angststörung machen sich die Betroffenen über alles Sorgen, sie leben in einer beständigen Angst, dass ihnen oder ihren Angehörigen etwas Schlimmes zustoßen könnte und diese Sorgenketten quälen sie den ganzen Tag. Aus diesen Sorgenketten gibt es quasi kein Entrinnen, denn wenn ein befürchtetes Unglück nicht eingetreten ist, schiebt sich die nächste befürchtete Katastrophe in den Vordergrund und beschäftigt und belastet die Betroffenen. Menschen mit einer Generalisierten Angststörung, die ständig besorgt und angespannt sind und das Leben schwer nehmen, leiden vermehrt unter Albträumen und erleben in ihren Albträumen oft genau das, was ihnen im wirklichen Leben Angst macht, nämlich Krankheiten, den Verlust von Menschen oder drohendes Unheil wie Arbeitslosigkeit oder finanzielle Verarmung.
Die Panikstörung ist durch das Auftreten von plötzlichen oder an bestimmte Situationen gebundenen Panikattacken gekennzeichnet. Panikattacken können auch im Schlaf auftreten und dann zum Erwachen führen. Je nachdem, was die Betroffenen gerade träumen, kann das Erleben dieser Panikattacken dann auch zu Albträumen führen bzw. die erlebte Panikattacke als Albtraum interpretiert werden. Menschen, die unter einer Panikstörung leiden, können auch Panikattacken im Schlaf bzw. im Traum erleben.
Bei den Belastungsstörungen kommen Albträume sehr häufig vor. Nach einem Unfall oder einem Angriff träumen die Betroffenen in der Regel in den ersten Tagen nach dem Vorfall noch oft von diesem Ereignis. Oft verschwinden diese Albträume dann mit der Zeit, so wie auch generell die Angst die durch das Trauma ausgelöst wurde, schwindet. Wenn sich eine Posttraumatische Belastungsstörung herausbildet, wird diese in aller Regel von wiederkehrenden Albträumen von dem traumatisierenden Ereignis (den posttraumatischen Albträumen) begleitet und diese stellen ein wesentliches Merkmal des Störungsbildes dar. Mit den Albträumen bei der Posttraumatischen Belastungsstörung werden wir uns ausführlicher in Kapitel 7 beschäftigen.
Unter Persönlichkeitsstörungen versteht man Auffälligkeiten der Persönlichkeit, die sich vor allem im sozialen Umgang zeigen und die die gesamte Person umfassen, also nicht nur auf bestimmte Zeiten oder Situationen beschränkt sind. Persönlichkeitsstörungen bilden sich bereits in der Jugend heraus und sind gewöhnlich so stabil, dass sie ein ganzes Leben lang vorhanden sind. Es werden verschiedene Persönlichkeitsstörungen unterschieden (wie etwa die Borderline-Persönlichkeitsstörung, die narzisstische Persönlichkeitsstörung oder die zwanghafte Persönlichkeitsstörung). Je nachdem, um welche Persönlichkeitsstörung es sich handelt, sind die Betroffenen in ihrem sozialen Umgang eher sehr impulsiv, emotional oder rücksichtslos (wie bei der Borderline-Störung, der histrionischen, narzisstischen oder antisozialen Persönlichkeitsstörung) oder sie sind im sozialen Kontakt sehr gehemmt, misstrauisch oder moralisierend (wie bei der ängstlich-vermeidenden, der schizoiden oder der zwanghaften Persönlichkeitsstörung). Ein weiteres Kennzeichen der Persönlichkeitsstörungen ist ihre Inflexibilität, d.h., die Betroffenen können sich im Umgang mit anderen Menschen gar nicht anders verhalten. Eine Person mit einer schizoiden Persönlichkeitsstörung wird immer misstrauisch anderen Menschen gegenüber sein, auch wenn dafür gar kein Grund gegeben ist. Sie kann nicht und will auch nicht anderen Menschen mit mehr Vertrauen und Sorglosigkeit entgegentreten.
Es ist relativ wenig darüber bekannt, ob Persönlichkeitsstörungen mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Albträumen einhergehen. Lediglich für die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist dies bekannt. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden die Betroffenen unter einer Reihe von stabilen Verhaltensmerkmalen, wie einer starken Angst vor dem Verlassenwerden, unstabilen, aber intensiven persönlichen Beziehungen, was sich in einem starken Wechsel in den Gefühlen gegenüber anderen zeigt, d.h., an einem Tag finden sie andere sehr gut und vergöttern sie, am nächsten Tag hassen sie diese ihnen nahestehende Personen. Dieser ständige Wechsel zeigt sich auch im Selbstbild, sodass sie ständig zwischen sich sehr gut finden und sich verabscheuen hin und her schwanken. Generell neigen diese Personen zu einem ausgeprägten emotionalen Erleben und haben Probleme, ihre Gefühle zu kontrollieren oder nach emotionalen Belastungen wieder in einen ausgeglichenen Zustand zurück zu finden. Zudem ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung mit einer hohen Impulsivität verbunden, einer inneren Leere und mitunter mit selbstschädigendem Verhalten, Selbstverletzungen und appellativem Äußern von Selbstmordabsichten oder Selbstmordversuchen. Aufgrund der ausgeprägten Emotionalität empfinden Personen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sehr viele Situationen als sehr belastend (sie sind in einer permanenten Krise), was zu einer permanenten emotionalen Belastung führt, die sich daher auch in vermehrten Albträumen niederschlagen kann. Zudem haben viele Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung häufig in der Kindheit oder Jugend traumatische Erfahrungen gemacht (vor allem sexuellen Missbrauch oder sonstige Gewalterfahrungen). Diese frühen Traumatisierungen disponieren zu vermehrten Albträumen, wobei es sich dann – und nicht selten zusätzlich zu den aufgrund der permanenten emotionalen Belastung auftretenden idiopathischen Albträumen – um posttraumatische Albträume handeln kann.
1 Man spricht heute weniger von psychischen Krankheiten als von psychischen Störungen.