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Vorwort

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1967 – ein ereignisreiches Jahr, auch in der Bundesrepublik Deutschland. Im Januar wurde in Berlin/West die so genannte Kommune 1 gegründet, die sich als eine in das Alltagsleben umgesetzte Form der ‚Außerparlamentarischen Opposition’ verstand. Im Februar erhielt der bisher erfolgreichste deutsche Schlagersänger, Freddy Quinn, seine zehnte Goldene Schallplatte, ebenfalls in Berlin/West, während sich in Bonn, der Hauptstadt der Bundesrepublik, Vertreter von Arbeitnehmer- und Unternehmerverbänden auf Initiative des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller zu informellen Gesprächen über eine ‚Konzertierte Aktion’ trafen, mit der die wirtschaftliche Rezession bekämpft werden sollte. Im März erhob die Aachener Staatsanwaltschaft Anklage gegen Angestellte des Herstellers des Schlafmittels ‚Contergan’, welches bei Einnahme durch Schwangere häufig zu Missbildungen bei Neugeborenen geführt hatte – außerdem wurde der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt als Nachfolger des im Februar verstorbenen Fritz Erler zum neuen Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt. Im April wurden im früheren Salzbergwerk Asse im Landkreis Wolfenbüttel zum ersten Mal in der Bundesrepublik radioaktive Abfälle ‚entsorgt’, im Alter von 91 Jahren starb Altbundeskanzler Konrad Adenauer. Im Mai wurde auf dem Bundesparteitag der CDU Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger zum Vorsitzenden und der ehemalige Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard zum Ehrenvorsitzenden gewählt, Ende des Monats kamen der persische Schah Mohammad Reza Pahlavi und seine Frau Farah Diba zu einem Besuch in die Bundesrepublik und nach Berlin/West. Im Juni starb in Berlin/West im Verlaufe einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien der Student Benno Ohnesorg, erschossen von einem Polizisten, außerdem begannen im Münchner Stadtteil Schwabing die Dreharbeiten für einen Film mit dem Arbeitstitel ‚Die Gafler’.

Aus ‚Die Gafler’ wurde im Laufe der Dreharbeiten der spätere Filmtitel ‚Zur Sache, Schätzchen’ – es war der erste Spielfilm der Regisseurin May Spils und ein Film, der wie kein anderer in dieser Zeit das Kinopublikum begeisterte und nachhaltige Auswirkungen auf das damalige Lebensgefühl – vor allem der jungen Generation – hatte. ‚Zur Sache, Schätzchen’ wurde 1968, nach seiner Uraufführung Anfang Januar, nicht nur der Überraschungserfolg an den Kinokassen, er wird heute als ‚Der Kultfilm der 68ziger – der 68ziger Kultfilm’ etikettiert.

Im kulturellen Bereich entstanden in diesem Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Westdeutschland viele neue Bewegungen und gerade der Film wurde durch das so genannte Oberhausener Manifest vollkommen neu definiert. Ausgangspunkt dieser filmischen Erneuerung war die Stadt München, wo viele der Vertreter des ‚Oberhausener Manifests’ wohnten und arbeiteten, ebenso wie die Regisseure der ‚Neue(n) Münchner Gruppe’, die bereits wieder eine neue, jüngere Generation von Filmemachern repräsentierten. Zu dieser Generation – und zur ‚Neue(n) Münchner Gruppe’ – gehörte auch die Filmemacherin May Spils, die ihren Wohnort, den Münchner Stadtteil Schwabing, auch zum vorrangigen Drehort ihres ersten Spielfilms machte.

Fast 40 Jahre nach den Dreharbeiten beschäftigte sich die Studentin Lisa Wawrzyniak in einer wissenschaftliche Arbeit am ‚Institut für Germanistik’ der ‚Justus-Liebig-Universität Gießen’ mit den Zeitgeist-Spiegelungen und Zeitgeist-Anregungen dieses Films – im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse dieses ‚Jungen Deutschen Films’. Nach einer ‚Analyse der Filmfiguren’, der Behandlung der ‚Berufe der Filmfiguren’ und einer Beschreibung der ‚Milieus der Filmhandlung’ reflektierte die Arbeit u. a. auch über ‚Normen, Regeln und Moralvorstellungen’ und die dargestellten ‚Sozialbeziehungen’. Ein essenzieller Bestandteil der Arbeit war der Sequenzplan, anhand dessen sich viele Äußerungen und getroffene Feststellungen detailliert nachprüfen ließen. Zugleich gab der Sequenzplan den Inhalt des Films wieder. Die verwendete Sprache in ‚Zur Sache, Schätzchen’, konkret die seiner Hauptfigur, wurde in einem eigenen Kapitel thematisiert, da viele der benutzten Wörter und Sätze in den allgemeinen Sprachschatz vorwiegend der jungen Generation eingingen.

Die wissenschaftliche Arbeit wurde die Grundlage dieses Buches, gemeinsam überarbeitet und ergänzt durch Lisa Wawrzyniak und Reinhold Keiner. Die Arbeit am ‚Schätzchen’-Buch wurde so ein Zwei-Generationen-Projekt, trafen sich doch hier nicht nur Tochter und Vater, sondern auch ein ‚hartnäckiger’ Vertreter der ewig verspäteten ‚Generation Z’ 1 und eine Vertreterin der – allerdings hier westdeutschen – ‚Generation 89’, die ihre entscheidenden Sozialisations- und Bildungserfahrungen nach dem Zusammenschluss der bis 1989 getrennt existierenden deutschen Staaten machte.

Schlichen die älteren Angehörigen der ‚Generation Z’, auch ‚Zaungäste’ genannt, in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts vorrangig in die Kinos, um sich in den ‚Schulmädchenreports’ und den so genannten Aufklärungsfilmen neueste Informationen über den soziokulturellen Stand der Dinge einzuholen, entsprach ein Film wie ‚Zur Sache, Schätzchen’ eher dem gegen die Elterngeneration revoltierenden Grundgefühl der älteren Geschwister, kamen die Angehörigen der ‚Generation 89’ schon nicht mehr in den Genuss dieses Films, da er in den Kinos nicht mehr lief, schlichtweg mittlerweile fast völlig unbekannt war – und weitgehend immer noch ist, trotz gelegentlicher Ausstrahlung in den ‚Dritten Programmen’ der Öffentlich-Rechtlichen Fernsehanstalten. Ein häufig wiederkehrendes Déjà-vu-Erlebnis: Spricht man Angehörige der ‚Generation 89’ und auch jüngere Generationen auf diesen Film an, erhält man häufig die Antwort, dass es sich doch wohl um einen ‚Softporno’ handele, wird cineastisch leichtsinnig von einem unter Marketing-Gesichtspunkten überaus erfolgreichen Titel auf den Inhalt des Films zurückgeschlossen.

Rebellion und Autoritätskonflikt, die in ‚Zur Sache, Schätzchen’ eine wesentliche Rolle spielen, sind für die auf die ‚Generation Z’ folgenden Generationen bereits Fremdwörter aus einem anderen Jahrhundert geworden – gehören Lebenserfahrungen mit gesellschaftlichen Brüchen, sozialen Konflikten und harten persönlichen Auseinandersetzungen für diese Generation nicht mehr zum wesentlichen ‚Schmierstoff’ der eigenen biografischen Entwicklung. Die Vertreter der ‚Generation Z’ schauen dagegen eher mit verklärten Blicken auf einen Film, der eine Sehnsucht nach einer persönlichen Freiheit postulierte, die so wohl nur Mitte der 1960er Jahre darstellbar und forderbar war, während sie selbst bereits einige Jahre später schon auf dem Rückzug in die ‚Neue Innerlichkeit’ endloser beziehungstheoretischer Selbstanalysen waren.

Zur besseren Schilderung des damaligen Zeitgefühls – hier konkret: in München-Schwabing – und der ergänzenden Darstellung der Hintergründe der Entstehung des Films befindet sich im Anhang des Buches ein Interview mit dem Produzenten von ‚Zur Sache, Schätzchen’, Peter Schamoni. Sein Hauptdarsteller und Mit-Drehbuchautor, Werner Enke, erhielt ein eigenes Kapitel, eine so genannte Biografische Skizze, die im Wesentlichen auf einem Interview beruht, das, wie auch das Peter Schamoni-Interview, digital aufgezeichnet, anschließend transkribiert und bearbeitet wurde.

Im Anhang abgedruckt ist auch eine protokollarische Drehbuchfassung des Films, die zum ersten Mal 1968 in einer Ausgabe der Zeitschrift ‚Film’ abgedruckt wurde, redigiert von dem in München lebenden Filmjournalisten Klaus Eder.

Die Zitate und die protokollarische Drehbuchfassung wurden in moderater Weise der aktuellen deutschen Rechtschreibung angepasst. Die Jahreszahl bei der Erwähnung von Filmtiteln bezieht sich immer auf das Datum der Uraufführung des jeweiligen Films.

Das Buch wäre ohne die engagierte Mitarbeit von Werner Enke und des Produzenten Peter Schamoni in der vorliegenden Form nicht zustande gekommen. Ihnen gilt unser besonderer Dank sowie Frau Uschi Rühle vom ‚Deutschen Filminstitut – DIF’ in Frankfurt am Main für Hilfestellung bei der Zusammenstellung der Auswahlbibliografie. Cornelius Lemke kümmerte sich um die korrekte technische Abwicklung für die digitale Aufzeichnung der Interviews. Bernd Brehmer vom Münchner ‚Werkstattkino’ begab sich – erfolgreich – auf ‚Ausgrabungsarbeiten’ nach einem Handzettel für die Filmreihe ‚Frühling in München’ aus dem Jahr 1998. Gert Bühringer vom SWR erinnerte sich in einem Telefonat mit einem Schmunzeln an die Dreharbeiten eines von ihm 1989 realisierten Fernseh-Porträts über Werner Enke; eine Kopie der Sendung stellte er freundlicherweise auf einer DVD zur Verfügung. Klaus Eder gab dankenswerterweise sein Einverständnis zum erneuten Abdruck seiner protokollarischen Drehbuchfassung aus dem Jahr 1968. Dr. Udo Engbring-Romang las die verschiedenen Entwürfe der Arbeit und brachte sich mit vielen Anregungen in das Projekt ein. Silke Rappelt übernahm Umschlaggestaltung und Satzarbeit, wie immer kreativ, akribisch und engagiert!


Faksimile des ,Oberhausener Manifests‘

Zur Sache, Schätzchen

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