Читать книгу Einführung in die Pädagogik bei Blindheit und Sehbeeinträchtigung - Renate Walthes - Страница 7
ОглавлениеDieses Buch ist gewidmet:
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bewegung im Dialog – Zentrum für Systemische Bewegungstherapie und Kommunikation e.V.
Dem Kollegen und kritischen Vordenker
Hans-Peter Spittler-Massolle (1957–2002)
Zwei unterschiedliche Themenbereiche in einem Buch zu einer Reihe von Einführungen in spezielle Pädagogiken unterzubringen ist aus mehreren Gründen eine große Herausforderung. Fragen einer Pädagogik bei Sehbeeinträchtigung unterscheiden sich fundamental von Fragen einer Pädagogik bei Blindheit. Geht es im ersten Fall darum, das vorhandene Sehvermögen und seine spezielle Diagnostik als Ausgangspunkt für Unterstützungsmaßnahmen zu wählen, so gilt es im zweiten Fall, Wahrnehmungsbedingungen bei Abwesenheit von Sehen zu finden und zu gestalten. Ähnlichkeiten bestehen lediglich in den Reaktionen einer vermeintlich alles gleich sehenden Welt der Sehenden. Diese Welt vermutet Gemeinsamkeiten in der Gruppe von Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, die bei näherer Betrachtung irreführend sind. Spezifische Sehbedingungen zu haben oder auf die visuelle Wahrnehmung nicht angewiesen zu sein schafft zwar in manchen Situationen ähnliche Umgangsweisen mit den Herausforderungen der Umwelt, die Menschen mit ihren jeweiligen Wahrnehmungsbedingungen sind jedoch so individuell wie alle und benötigen daher auch eine individuelle Unterstützung.
Bei näherer Betrachtung der Menschen mit Blindheit und Sehbeeinträchtigungen wird deutlich, dass neben der Gruppe, die traditionellerweise als blind, sehbehindert, hörsehgeschädigt gilt, weitere Personen von einer wahrnehmungsorientierten Pädagogik profitieren können, da Seh- und visuelle Wahrnehmungsprobleme in großem Umfang auftreten bei geistiger Behinderung, Körperbehinderung, Mehrfachbehinderung, gleichermaßen aber auch bei Lernbehinderung, Wahrnehmungs- und Verhaltensauffälligkeiten oder bei Lese-Rechtschreibproblemen. Immer dort, wo kognitive Probleme vermutet werden, könnte auch ein visuelles Problem vorliegen, das nur mit einer funktionalen Differenzialdiagnostik abgeklärt werden kann. In Deutschland sind wir leider noch weit von einer Standarddiagnostik im Kindesalter entfernt. Sie wäre dringend erforderlich und könnte manche Karriere im System der Sonderpädagogik anders gestalten. Dieses Buch ist daher nicht nur für das Feld der traditionellen Pädagogik bei Blindheit, Sehbehinderung und Mehrfachbehinderung geschrieben, sondern soll einen breiten interdisziplinären Diskurs über die Bedeutung des Sehens für Wahrnehmung und Lernen initiieren.
Sich mit Wahrnehmung, visueller Wahrnehmung und Sehen zu beschäftigen und mit Menschen zu tun zu haben, die über andere Wahrnehmungsbedingungen verfügen, ist eine außerordentlich spannende und faszinierende Herausforderung. Sollte Sie dieser „Virus“ einmal erfasst haben, werden Sie staunend vor der Vielfalt und Schönheit menschlicher Wahrnehmungsweisen stehen und von einer weiteren Beschäftigung mit diesen Themen nicht mehr lassen können. Ich hoffe, Sie werden wie ich froh darüber sein, dass diese Vielfalt existiert und gegen Tendenzen der Ausgrenzung von Vielfalt vehement eintreten.
Humberto Maturana, ein bekannter chilenischer Neurobiologe, pflegte seine Vorträge häufig mit folgendem Satz zu beginnen: „Ich bin verantwortlich für das, was ich sage. Sie sind verantwortlich für das, was Sie hören!“ Dies gilt auch für dieses Buch. Ich habe mich bemüht, eine Einführung in die Pädagogik bei Blindheit und Sehbeeinträchtigung verantwortlich zu schreiben. Was Sie lesen und verstehen, kann ich damit nicht steuern, ich hoffe dennoch, dass Sie es mit Vergnügen tun.
Wer heute ein Buch komplett alleine schreibt, Grafiken erstellt, korrigiert, Literatur sucht, mit sich alleine den Diskurs über Inhalte führt, hat entweder unglaublich viel Zeit oder ist ein Genie. Auf mich trifft beides nicht zu und das ist gut so, denn auf diese Weise bin ich auf Zusammenarbeit und Unterstützung angewiesen. Für beides, gute Zusammenarbeit und viele Unterstützungsleistungen, möchte ich danken: Astrid Aach, Frank Laemers, Juliane Leuders, Richard Piatkowski, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Projekt IsaR, meinen Kolleginnen in der Fachrichtung Pädagogik bei Blindheit und Sehbehinderung Emmy Csocsán und Birgit Drolshagen, Birgit Rothenberg und Ralph Klein vom Zentrum Behinderung und Studium (DoBuS), Petra Gehrmann und Barbara Ortland, Kolleginnen an der Fakultät Rehabilitationswissenschaften, Henner Frebel und Anja Steinmeier, Silke Roderfeld und Kirsten Wahren-Krüger, wissenschaftliche Hilfskräfte. Sie alle haben meine Anfragen und Bitten um Korrekturen, inhaltliche Auseinandersetzung, formale Gestaltung stets unterstützt und meinen Änderungswünschen mit Geduld entsprochen. Henner Frebel, Frank Laemers, Juliane Leuders und Anja Steinmeier haben darüber hinaus in der Endphase der Arbeit großes Durchhaltevermögen auch bei Nachtarbeit bewiesen. Lea Hyvärinen sei gedankt für ihre konstruktiv kritischen Kommentare und die Erlaubnis, einige Grafiken und Bilder in diesem Buch zu verwenden.
Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Bewegung im Dialog e.V., Gudrun Badde, Christiane Freitag, Karl Friton, Renate Heule, Regina Klaes, Ina Maag, Ellen Oßwald, Dorothee Schilling, Marion Schnurnberger und Erika Walthes-Friton habe ich in den letzten 15 Jahren ein pädagogisches Theorie-Praxis-Konzept entwickeln und gestalten dürfen, das in dieser Form einzigartig ist. Ohne diese Zusammenarbeit und Konzeptentwicklung wäre auch dieses Buch nicht denkbar. Christiane Freitag und Marion Schnurnberger sei besonders gedankt für die kritischen Kommentare und ihre konzeptionellen Überlegungen in den letzten Wochen. Alle so selbstverständlich gewährten Unterstützungen sind ein Beleg für ein ausgesprochen gutes Arbeitsklima sowohl an der Universität als auch bei Bewegung im Dialog. Der Verlag und insbesondere Ulrike Landersdorfer und Hildegard Wehler haben mit Geduld und Wohlwollen den hindernisreichen Prozess der Entstehung dieses Buches begleitet. Dass es nun vorliegt, ist wesentlich auch ihnen zu verdanken.
Dortmund, im Oktober 2002
Renate Walthes