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EINE ERHABENE FAMILIE

Sei unbesorgt! Gott wird dich gewiss beschützen. Denn du kümmerst dich um deine Verwandten, reichst den Armen deine Hand und kleidest sie. Du empfängst immerfort Gäste, weichst nie vom Weg Gottes ab und hast dich ganz den guten Taten gewidmet.“

Mit diesen Worten beruhigte Khadidsche den Propheten, nachdem dieser in der Höhle Hira auf dem Lichtberg die erste Offenbarung vom Erzengel Gabriel empfangen hatte und anschließend nach Mekka zurückgekehrt war. Wer war diese Khadidsche, die sich sofort ohne Wenn und Aber zu der neuen Botschaft bekannte, die sogleich Stellung bezog und ihren Ehemann von Herzen unterstützte? Welche Ausbildung hatte sie genossen? Über wie viel Wissen verfügte sie? Mit welchen Tugenden beschritt sie ihren Weg, für den sie sich frei entschieden hatte?

Khadidsche kam im Jahr 555 n. Chr. zur Welt, 15 Jahre bevor Abraha , der abessinische König des Jemen mit seiner Armee auf die Kaabe vorrückte.2 Khadidsches Vater war Khuweylid ibn Esed und ihre Mutter Fāṭima bint Zāʾide. Khuweylid war einer der ehrenhaftesten und höchstangesehenen Männer vom Stamme der Quraysch. In wichtigen Angelegenheiten pflegten sich die Mekkaner an ihn zu wenden und seinen Rat einzuholen. Khuweylid gehörte, wie auch ʿAbdulmuṭṭalib, der Großvater des Propheten, der Kommission an, die die Mekkaner gebildet hatten, um jener aus dem Jemen drohenden Gefahr Einhalt zu gebieten.

Khadidsche und der Prophet Muhammed besaßen über die Abstammungslinie ihrer Väter in Quṣayy ibn Kilāb einen gemeinsamen Vorfahren, der fünf Generationen vor ihnen gelebt hatte. Aber auch mütterlicherseits gab es in Luʾeyy und ʿAbdi Menaf eine ähnliche Verbindung. Diese verwandtschaftliche Nähe zum Propheten zeichnete keine andere seiner Ehefrauen aus.

Khadidsches Verwandtschaftsverhältnisse

In der Vorbereitung auf das, was Khadidsche in der Zukunft erwarten würde, spielte ihre Verwandtschaft eine große Rolle. Deshalb sollen hier einige weitere Verwandte namentlich erwähnt werden. Als Khadidsches Vaters Khuweylid im Krieg fiel, trat ihr Onkel ʿAmr ibn Esed an seine Stelle, der unter den Mekkanern hohes Ansehen genoss. Aus der Ehe ihrer Schwester Hala mit Rabiʿa ibn ʿAbd el-ʿUzzā ging ihr Neffe Ebu’l-As hervor, der einmal den Beinamen El-Emīn (der Vertrauenswürdige) tragen sollte. Diesem vertrauenswürdigen Neffen gab Khadidsche mit Einverständnis des Propheten später ihre gemeinsame Tochter Zeyneb zur Frau. Ein weiterer Neffe Khadidsches war Ḥakīm ibn Ḥizām, das erste Kind, das – und zwar drei Jahre vor dem Jahr des Elefanten – in der Nähe der Kaabe zur Welt kam. Er unterstützte seine Tante Khadidsche bei ihren Handelsaktivitäten und war schon eng mit Muhammed befreundet, bevor dieser zum Propheten berufen wurde. Von seinem Ahnen Qussay übernahm Hakim ibn Hizam das Amt eines Anwalts der Mekkapilger. Er war es, der den Kind Zeyd, welcher in den Anfangsjahren einer der wichtigsten Helfer des Propheten werden sollte, auf dem Basar ʿUkāẓ kaufte und ihn zu seiner Tante Khadidsche brachte. Außerdem tat er alles, um den Muslimen in den entbehrungsreichen Jahren des Boykotts zu helfen und ihnen wichtige Türen zu öffnen. Um das Herz dieses von ihm so hoch geschätzten Menschen für den Islam zu gewinnen, schenkte ihm der Prophet nach der Schlacht von Ḥuneyn 100 Kamele aus der Kriegsbeute. Einige Jahre später, gleich nach der Eroberung von Mekka, bekannte sich Hakim ibn Hizam dann tatsächlich zum Islam. Daraufhin erinnerte ihn der Prophet an seine guten Taten aus der Vergangenheit und lobte ihn:

Kein Zweifel, als du Muslim wurdest, hat du viele gute Taten aus der Vergangenheit mitgebracht.3

Als der Prophet in Mekka einzog, ließ er Hakim ibn Hizam seine Grüße ausrichten und erklärte, dass jeder Zufluchtsuchende in seinem Haus Sicherheit finden werde. Obwohl Hakim ibn Hizam dem Islam von Anfang sehr nahestand, nahm er den Islam also relativ spät an. Damit ihm seine Taten aus der Vergangenheit vergeben werden konnten, setzte er sich aber fortan umso mehr für seine neue Religion ein. Als er das Dār en-Nedwe erbte, den Tagungsort eines Komitees, das wichtige Entscheidungen traf, verkaufte er es an Muʿāwiye weiter und stiftete den Erlös für die Sache Gottes. Einmal entschloss er sich, die Hadsch (die Pilgerfahrt) zu vollziehen und verschenkte vor seinem Aufbruch 100 Kamele und 1000 Schafe. Außerdem schenkte er 100 Sklaven die Freiheit.

Am Tag der Schlacht von Ḥuneyn hatte Hakim ibn Hizam Gott und dem Propheten ein Versprechen gegeben: Er würde sich vornehmen, ein genügsames Leben zu führen und nie mehr jemanden um etwas zu bitten. Auch würde er auf jede Art von Entlohnung verzichten. Hakim ibn Hizam starb im Jahr 54 nach der Hidschra (der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina im Jahr 622 n. Chr.) zur Zeit des ersten Umayyadenkalifen Muawiye.4 Er wurde 120 Jahre alt, von denen er 60 Jahre im „Zeitalter der Unwissenheit“ (Dschāhiliyye) und 60 Jahre als Muslim lebte.

Khadidsches Cousin Waraqa ibn Newfel war ihr in jüngeren Jahren die wichtigste Informationsquelle. Er besaß genug Wissen, um die Thora und die Bibel in hebräischer Sprache zu lesen und zu verstehen. Weil ihm der Gedanke, Götzen anzubeten, zuwider war, machte er sich auf die Suche nach der wahren Religion. Dabei fand er heraus, dass in den Heiligen Schriften das Kommen eines letzten Propheten prophezeit worden war. Also erwartete er ihn sehnsüchtig.

Er teilte sein Wissen und seine Erfahrungen mit seiner Cousine und bereitete sie so auf die Zukunft vor. Khadidsche ihrerseits pflegte ihm alle Neuigkeiten zu berichten. Er interpretierte sie dann und machte sie ihr verständlich. Zu jener Zeit war es üblich, über Gedichte miteinander zu kommunizieren. Auch Waraqa brachte seine Gefühle oft in Gedichten zum Ausdruck. Als er einmal in seinen Versen auf das Kommen des Propheten anspielte, bat ihn Khadidsche, er möge ihr mehr davon erzählen. Er entgegnete ihr, er könne zwar nicht in die Zukunft sehen, aber dennoch wüsste er, dass der Erzengel Gabriel jemandem namens Aḥmed eine Offenbarung bringen würde. (Auch der Koran nennt Muhammed in Vers 61:6 „Ahmed – der Lobenswürdige“.) Dieser würde dann zum Propheten ernannt und mit Gottes Botschaft entsandt werden, um die Menschheit zu erretten.

Viele Jahre später wurde der Prophet Muhammed einmal nach jenem Waraqa ibn Newfel gefragt, der kurze Zeit später gestorben war. Da kam ihm Khadidsche, die zufällig dabei war, zuvor und antwortete für ihn: „Ohne Zweifel hat er dich bestätigt. Nur starb er, bevor du deine Prophetenschaft erklärt hast!“ Der Prophet fügte hinzu: Gewiss! Ich habe ihn ein weißes Gewand tragen sehen. Würde er zu den Bewohnern der Hölle gehören, hätte ich ihn in anderer Kleidung gesehen.5

Als der Prophet bei anderer Gelegenheit jemanden über Waraqa sprechen hörte, verkündete er die frohe Botschaft, dass Waraqa im Paradies sei (das ihm, dem Propheten, gezeigt worden war).6 Aufgrund dieser und weiterer ähnlicher Aussagen des Propheten bezeichnen manche Gelehrte Waraqa ibn Newfel als Muslim und zählen ihn zu den Prophetengefährten (Ṣaḥābe). Weil er kurz nach der ersten Offenbarung starb, erhielt er nicht mehr die Chance, am späteren Leben und an dem Auftrag des Propheten teilzuhaben.

Zubeyr ibn el-ʿAwwām, der später als Gefährte des Propheten bekannt werden sollte, war ein weiterer Neffe Khadidsches. Seine Mutter Safiya war eine Tante des Propheten väterlicherseits. Zubeyr wurde im Alter von 12 Jahren Muslim. Er wanderte zuerst nach Abessinien (ins heutige Äthiopien) aus und später dann nach Medina. Am Tag der Schlacht von Badr sagte der Prophet, die Engel seien in der Gestalt von Zubeyr herabgestiegen.7 Während des Qurayza-Konflikts betonte er: Jeder Prophet hat einen Apostel, und mein Apostel ist Zubeyr.8 Zubeyr zählte zu den 10 Gefährten, denen noch zu Lebzeiten das Paradies versprochen wurde. Nach dem Tod des Propheten entwickelte er sich zu einer der führenden Persönlichkeiten der muslimischen Gemeinschaft. Er war eines von sechs Mitgliedern jenes beratenden Ausschusses, der von ʿUmar gegründet wurde. Somit spielte Zubeyr bei der Wahl des Nachfolgers des Propheten eine wichtige Rolle.

2 Da die Unruhestifter mit Elefanten anrückten, wurde das Jahr ihres Angriffs später das „Jahr des Elefanten“ genannt. Es war das Jahr 571 n. Chr., in dem auch Muhammed, der zukünftige Prophet, geboren wurde.

3 El-Buḫārī, Ṣaḥīḥ el-Buḫārī, 2/521 (1369).

4 Ibnu’l-Eṯīr, Usdu’l-Ghābe fī Maʿrifeti’ṣ-Ṣaḥābe, 2/58.

5 Et-Tirmiḏī, Sunen et-Tirmiḏī, 4/540 (2288).

6 Ibnu’l-Eṯīr, Usdu’l-Ghābe, 5/417.

7 Ibnu’l-Eṯīr, ebenda, 2/308.

8 El-Buḫārī, Ṣaḥīḥ el-Buḫārī, 3/1047 (2692); Muslim, Ṣaḥīḥ Muslim, 4/1879 (2425).

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