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Kapitel 4

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Sergei hatten den Großteil seines Lebens in den Vereinigten Staaten verbracht. Lange genug, um einen Abschluss in Englisch und Wirtschaft zu machen und danach noch einen Master in Business zu absolvieren, aber seine Zeit in New Orleans hatte er mit Abstand am meisten genossen. Russland war ein schönes Land, doch New Orleans war voller Leben.

Üppig und extravagant.

Der Halbmond schien von einem wolkenlosen Himmel auf sie hinunter. Er, Kir und Roman saßen um den Terrassentisch verteilt mit Blick auf den Pool. Er konnte nicht umhin, mit seiner Entscheidung, seine Familie hier zu gründen, zufrieden zu sein.

Zigarrenrauch stieg auf und mischte sich mit dem Mondlicht. Um fast zweiundzwanzig Uhr erreichten die Temperaturen noch knapp sechsundzwanzig Grad.

Am ersten Oktober.

Er lächelte in sich hinein. Wäre er jetzt in St. Petersburg, wären es gerade mal um die zwölf Grad. Im Vergleich zum Winter, wenn die Temperaturen meist weit unter den Gefrierpunkt sanken, war das noch wahrhaft angenehm.

In der zweiten Etage des Kutscherhauses leuchteten die Lichter. Die Fenster auf dieser Seite des Hauses waren eher dazu eingebaut worden, um Tageslicht hineinzulassen, statt Einblicke zu gewähren – was auch gut war. Den Morgen mit Evette zu verbringen und zu wissen, dass sie nur einen kurzen Fußmarsch von seinem Büro entfernt war, war eine echte Herausforderung für ihn gewesen. Mehr als er gedacht hatte. Besonders, wenn sie ihn mit diesen großen, unschuldigen Augen ansah.

Er wollte die Stille nicht unterbrechen. Noch zögerlicher war er, das Thema anzusprechen, das schon den ganzen Tag viel zu viel Raum in seinem Kopf eingenommen hatte. Aber er musste es wissen, musste schnell wieder sein Gleichgewicht finden, wenn er jemals die Hoffnung hegen wollte, sich in Zukunft im Griff haben zu wollen. „Wie lief der Umzug?“

Roman unterbrach sein nachdenkliches Studieren des Nachthimmels und wechselte Blicke mit Kir.

Kir schmunzelte ihn an. Eine unausgesprochene Konversation, die Sergei nur allzu gut kannte und die ihm sagte, dass sie heute viel über ihn gesprochen hatten. Oder besser gesagt, darüber, dass er Evette und Emerson in die Familie gebracht hatte.

Kirs Blick verlagerte sich auf Sergei. „Es ist gut, dass du in Aktion getreten bist. Eine Frau wie sie sollte nicht in einer solchen Bude leben.“

„Ihr Umzug war einfach“, fügte Roman hinzu. „Wenig Besitz.“

Ein unwillkommenes Jucken breitete sich unter Sergeis Haut aus. „Erklär das.“

„Gerade genug Geschirr für die beiden. Ein kleines Sofa. Zwei Einzelbetten. Ein paar Kleidungsstücke.“ Roman zuckte mit den Achseln. „Wir mussten nur einmal fahren und haben nicht mal den halben LKW voll gehabt.“

„Sie hat Geschmack“, sagte Kir. „Sie mag nicht viel besitzen, aber die Wohnung war sauber. Gemütlich.“

Das überraschte ihn nicht. Nichts, was sie jemals angehabt hatte, wenn sie Emerson vom Diner abgeholt hatte, war übertrieben, hatte ihr jedoch stets eine stilvolle Ausstrahlung verliehen. Es lag nahe, dass sich ihre Liebe zu Mode und Zweckmäßigkeit auch auf ein von ihr gewohntes Haus erstrecken würde. „Irgendwelche Beobachter?“

Kirs Mund verzog sich zu einem verschmitzten Grinsen. „Da. Der Umzug war einfach, aber wir haben uns trotzdem Zeit gelassen. Haben einen großen Umzugswagen genommen und eine Show daraus gemacht.“

Hervorragend. Das bedeutete, dass sich diese Neuigkeit schneller verbreiten würde. „Und die Schule?“

„Der Platz des Jungen ist gesichert“, bestätigte Roman. „Dem Verwalter war es unangenehm, Ms. Labadie nicht sagen zu dürfen, dass du das Stipendium in voller Höhe finanziert hast. Aber wir haben dieses Hindernis überwunden. Emerson beginnt nächste Woche.“

„Ich gehe wohl zu Recht davon aus, dass das Hindernis durch eine zusätzliche Zahlung überwunden wurde?“

„Eine wohltätige Spende für die Turnhalle, die sie bauen“, sagte Roman.

Sergei nickte und war kein bisschen überrascht, dass es dem Verwalter gelungen war, zusätzliche finanzielle Mittel aus dem Deal zu quetschen. Wenn sie sich dadurch besser fühlten, was das Arrangement mit ihm betraf, war es ihm nur recht. Er würde es später auch zu seinem Vorteil nutzen.

Romans Augen richteten sich auf das Kutscherhaus und seine Stimme fiel in eine noch tiefere Tonlage. „Der Junge ist ruhig. Ein Beobachter.“ Er sah wieder zu Sergei. „Er ist wie wir.“

Das war ihm auch aufgefallen. Er hatte diese Intensität und Weisheit in den Augen des Jungen brennen sehen. Er war zwar erst sieben Jahre alt, aber er besaß eine alte Seele, die schon zu viel gesehen hatte. Vielleicht würde er, sobald er verstanden hätte, dass nun andere Erwachsene da waren, die sich um seine Mutter kümmerten, dahin zurückkehren, wieder ein Kind zu werden. „Schirmt ihn trotzdem ab. Wenn er älter ist, wird er seine Entscheidung treffen, aber für den Moment bleibt er unberührt.“

Er klopfte die Asche von der Spitze seiner Zigarre ab und konzentrierte sich auf Kir. Während Roman für die körperlichen Aufgaben und Ausführung ihrer Pläne zuständig war, sorgte Kir für Sicherheit und Informationen, einschließlich der Technologie. „Was hast du über ihren alten Job herausgefunden?“

„Ihre Behauptung war gerechtfertigt. Ihr Ausweis wurde tatsächlich benutzt, um das Gebäude nach Geschäftsschluss zu betreten. Wenn sie es nicht war, dann hat jemand anderer Zugriff auf ihren Ausweis.“

„Derjenige muss ihr nah genug sein, um ihn ihr am nächsten Morgen zurückzugeben“, fügte Roman hinzu.

„Jemand in ihrem Wohnkomplex?“, fragte Sergei. „Freunde?“

Kir machte eine kreisförmige Bewegung mit seiner Zigarre, ehe er einen tiefen Zug davon zu sich nahm und den Rauch in den Himmel schickte. „Jeder ist ein Freund für Ms. Labadie. Jeder Mieter. Jede Person auf der Straße. Niemand ist ein Fremder.“

Eine gute Sache für sein Vorhaben, das Vertrauen der Einheimischen zu gewinnen, indem er sie zu sich holte. Allerdings wurde es zur Stecknadel im Heuhaufen, wenn es sich darum drehte, denjenigen zu finden, der Zugang zu ihrem Zuhause gehabt haben könnte. Wie dem auch sei, nun war sie sicher. Und in Zukunft würde niemand mehr an sie herankommen, ohne dass er oder seine Männer davon wüssten. „Ich will, dass sie bewacht werden. Keiner von ihnen verlässt das Gelände ohne einen der Männer. Nichts Übertriebenes, aber genug, um sie zu schützen und eine unmissverständliche Botschaft zu senden.“

Kir und Roman tauschten für eine längere Zeit Blicke aus, eine nonverbale Konversation, in die Sergei nicht eingeweiht worden war. Es war Roman, der die Stille zuerst durchbrach und zu Sergei blickte. „Was für eine Botschaft senden wir aus, moy brat?“

Ein respektvoll ausgeführter Hieb gegen Sergeis Beweggründe, aber dennoch ein Schlag. Sosehr er es auch hasste, es zugeben zu müssen, seine Brüder hatten gute Gründe, besorgt zu sein. Wenn es ihm wirklich nur darum gegangen wäre, die Gunst der Nachbarschaft zu gewinnen, indem er Evette eine Auszeit gönnte, hätte er dies mit weitaus mehr Abstand tun können.

Aber er wollte keine Distanz. Er wollte, dass die Sonne auf sein dunkles Leben schien, wollte sie sehen und spüren, auch wenn sie nie direkt auf ihn strahlen würde. „Ich folge meinen Instinkten, und die besagen, dass sie und Emerson hierher gehören.“

Es war so nah an der Wahrheit, wie es ihm möglich war. Zumindest so nah, wie er bereit war, es laut auszusprechen.

„Keiner deiner anderen Angestellten hat Wachen.“ Wie Roman bemühte sich auch Kir, seine Worte sorgfältig zu wählen, aber es steckte noch immer eine unverwüstliche Eisenfaust dahinter. „Wenn du diesen Weg einschlägst, markierst du sie beide. Du stellst damit deinen Anspruch auf sie klar, ob du es willst oder nicht. In unserer Welt ist das gefährlich. Es schafft Risiken für sie und Verbindlichkeiten für uns.“

Das wusste er. Und doch konnte er sich nicht dazu entschließen, seinen Kurs zu ändern. Sergei starrte auf die Fenster des Kutscherhauses und spürte die gleiche Gewissheit, die er an dem Tag empfunden hatte, als Yefim ihm seinem Mentor und seine Vaterfigur, Anton, vorgestellt hatte. „Sie stehen unter unserem Schutz. Sie gehören zur Familie.“ Er blickte zu Kir, dann zu Roman. „Und wenn jemand es wagt, sie anzufassen, stirbt er.“

NOLA Knights: His to Defend

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