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Prolog

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Ich habe meine Enkelin beauftragt, meine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Doch es hat Jahre gedauert, bis sie es begriffen hat. Sie vermutet, dass der Auftrag von ihrer Freundin kommt, der sie meine ehemaligen Wohnorte in Zwenkau gezeigt hat. Oder sie denkt, sie muss etwas aus den geerbten Fotos, Dokumenten und Texten meiner ältesten Tochter Ellen machen und der Nachwelt erhalten. Sie ahnt nicht, dass ich heute noch einen starken Einfluss auf sie ausübe. Gern hätte ich ihr früher mehr aus meinem Leben erzählt, doch sie hat mich nie danach gefragt.

Mein Name ist Eleonore Jacklowsky, auch Lore genannt oder in Zwenkau „die Jacky“. Den Spitznamen Mimi hat mir Enkelin Ricarda verpasst, als sie bei ihren ersten Sprechversuchen Omi sagen sollte, aber nur die Silben Mi-Mi schaffte. Daraufhin blieb ich für die Zwenkauer Familie zeitlebens die Mimi.

Ricarda fehlte mir unheimlich, als sie mit ihrem Mann und meinem süßen Urenkel fort aus meiner Wohnung nach Leipzig zog. Es war nicht der erste Verlust, den ich erleiden musste, aber er riss alte Wunden wieder auf. Eigentlich wollte ich damals selbst meine Biografie aufschreiben, doch es kam immer etwas dazwischen. Ich hatte ständig anderes vor. Und ich war auch unschlüssig bei der Auswahl, was ich mitteilen und welche Ereignisse ich besser mit ins Grab nehmen sollte.

Heute ist Ricarda selbst Rentnerin, denkt über meine Geschichte nach und versucht, mich im Nachhinein besser zu verstehen. In Frankfurt am Main war meine Heimat, doch ich habe zwei Drittel meines Lebens in der kleinen Stadt Zwenkau südlich von Leipzig verbracht. Hier wohnten auch meine beiden ältesten Töchter, die beide in Frankfurt geboren wurden, bis zu ihrem Lebensende. Meine vier jüngeren in Zwenkau geborenen Kinder lebten später in der Bundesrepublik, der Schweiz und Spanien. Zehn Enkel hatten mir die vier Jüngsten beschert, doch leider konnte ich sie alle nur selten sehen. Es war nicht nur die unselige Grenze, die das Land und unsere Familie zerschnitt.

Doch das soll Ricarda von Anfang an erzählen. Ich bin gespannt, was sie alles von mir und der Familie weiß und ob sie diesen Auftrag nun endlich erledigt.


Sie nannten mich Mimi

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