Читать книгу EIN ZOMBIE KOMMT SELTEN ALLEIN - Rich Restucci - Страница 7
Ich muss was loswerden
ОглавлениеEs gibt noch eine Regierung. Das ist nichts, was ich denke oder glaube, das ist etwas, was ich weiß.
Ich weiß es, weil sie mich wollen, und zwar dringend. Nicht etwa, weil ich jemanden von besonderer Bedeutung getötet hätte oder weil ich im Besitz irgendwelcher Codes wäre, die man für den Start nuklearer Waffen bräuchte, oder weil ich über eine voll ausgestattete Unterwasserbasis verfügen würde. Ich habe weder ein Heilmittel noch einen Impfstoff entdeckt.
Es geht ihnen nicht darum, wer ich bin, sondern darum, was ich bin.
Ich bin der Impfstoff!
Irgendjemand muss das erfahren, und das ist auch der Grund, warum ich es hier auf diesen Seiten festhalte.
Es geschah ganz am Anfang, als die Menschen noch kämpften, anstatt sich zu verstecken. Ich bin in einer Kolonne von Fahrzeugen in einem Gefängnisbus auf irgendwelchen Nebenstraßen von New Hampshire gereist. Es waren nicht sie, die uns angriffen, sondern welche von uns. Es war eine andere Gruppe von Überlebenden mit Waffen und Fahrzeugen, die unbedingt auch noch unsere Waffen und Fahrzeuge wollten.
Kugeln flogen und Menschen starben. Die Angreifer zogen sich wieder zurück, als sie feststellten, dass wir uns nicht einfach hinlegten und starben, sodass sie sich an unserer Ausrüstung bedienen konnten. Okay, manche von uns legten sich tatsächlich hin und starben, allerdings taten sie das nicht absichtlich … und leider blieben sie auch nicht unten. Innerhalb kürzester Zeit standen sie wieder auf und versuchten, einfach jeden um sich herum zu töten, egal ob Angreifer oder Verteidiger. Wir verfügten über wirklich gute Waffen und deshalb konnten wir die bösen Jungs in die Flucht schlagen. Unsere Gruppe bestand aus Gefängniswärtern, Polizisten mit ihren Familien, dem Gefängnisarzt und natürlich uns Gefangenen. Vierzehn Insassen, die von den Wärtern aus ihren Zellen gelassen worden waren, als wir randaliert hatten. Natürlich hatten sie nicht alle von uns aufgenommen, sondern nur diejenigen, die in ihren Augen das Potenzial hatten, zu helfen, und die ihre Familien nicht töten würden.
Ja, ich war ein Gefangener, und eigentlich hätte ich noch fast zwei von insgesamt vier Jahren verbüßen müssen. Was ich angestellt habe, ist unwichtig, denn es geschah in einem anderen Leben in einer anderen Welt.
Drei unserer sieben Fahrzeuge, der Bus eingeschlossen, waren nach dem Angriff nicht mehr zu gebrauchen, aber immerhin hatten wir im Gegenzug zwei Geländewagen unserer Angreifer plündern können. Ich war gerade dabei, einen Ford F150 SuperCap auseinanderzunehmen, weil ich prüfen wollte, ob ich den Kühler vielleicht für ein drittes Fahrzeug verwenden könnte, als plötzlich eine blutige Hand unter dem Fahrzeug hervorschnellte und nach meinem Bein griff. Ich hatte nicht damit gerechnet und da es, wie bereits erwähnt, ganz am Anfang geschah, war ich auch noch nicht daran gewöhnt, dass mich plötzlich etwas packte.
Ich sah nach unten und eine zweite Hand griff jetzt nach meinem Bein. Die Hände zogen, doch anstatt zu versuchen, mich unter den Wagen zu zerren, versuchte das Ding, sich selbst darunter hervorzuziehen. Wie ihr sicher wisst, sind diese Dinger verdammt schnell, wenn sie nahe genug an einem dran sind, aber dieser spezielle Angriff spielte sich praktisch in Zeitlupe ab. Ich kann mich noch so genau daran erinnern, als wäre es gestern gewesen und nicht vor fast einem Jahr.
Der Mann, der, wie ich später herausfinden sollte, von Handfeuerwaffen durchlöchert worden war, brachte seinen Mund an mein Bein. Er schien mich allerdings nicht einfach nur beißen zu wollen, wie sie es sonst immer tun, sondern er bäumte sich mit geöffnetem Mund auf. An das Aufbäumen erinnere ich mich noch gut, weil er sich dabei den Schädel an der Stoßstange des F150 anstieß und das einen Schlag gab, von dem ich mir dachte, dass er ziemlich schmerzhaft gewesen sein musste. Ich fand das Ganze ziemlich lustig … solange, bis er mich biss.
Sein Gesicht schnellte nach vorn, sein Kiefer presste sich auf mein Bein und dann biss er zu, und zwar fest. Als Insasse hatte ich laut Gefängnisordnung zu jeder Zeit Denim-Jeans zu tragen. Der Typ biss einfach direkt durch den Stoff in mein Bein. Nicht in den fleischigen Part, sondern vorn, irgendwo zwischen Schienbein und Wadenmuskel. Was ja letzten Endes auch ganz egal ist, jedenfalls tat es scheiße weh. Ich schrie und wollte reflexartig nach hinten ausweichen, doch dieser tote Hurensohn ließ einfach nicht los. Er hatte sich wie eine Schnappschildkröte auf mich gestürzt und sich festgesaugt wie eine Zecke. Die Jeans schien ihm jedoch ein paar Schwierigkeiten zu bereiten, da er nicht einfach ein großes Stück von mir abbiss, als wäre ich ein Cheeseburger, sondern stattdessen einfach weiter an mir nagte und ich fiel schließlich auf meinen Hintern. Einer der Polizisten hörte meinen Schrei und lief zu mir herüber. Er schoss dem Kerl in den Rücken, was jedoch keinerlei Wirkung zeigte, weshalb er ihm schließlich mit seiner Waffe eins überzog.
Daraufhin ließ der Typ mich endlich los und ich krabbelte hektisch von ihm weg wie ein Krebs. Der Typ hingegen kroch nun auf den Polizisten zu und dieser durchlöcherte ihm den Schädel. Daran erinnere ich mich auch noch gut, weil sein Schädel dabei noch einmal gegen die Stoßstange stieß und genau dasselbe Schlaggeräusch verursachte wie zuvor.
In diesem Moment kamen sie dann alle angelaufen. Ob sie helfen oder einfach nur gaffen wollten, werde ich nie mit Sicherheit wissen. Der Polizist griff jetzt nach unten, um mir auf die Füße zu helfen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne, als er mein blutiges Bein entdeckte.
Dann zielte er plötzlich mit seiner Waffe auf mich und rief nach dem Arzt, der aber bereits neben ihm stand. Der Doktor zog blaue Handschuhe über und schaute sich meine Wunde genau an. Ich werde weder diese Handschuhe noch den Ausdruck auf seinem Gesicht, als er mir danach in die Augen sah, jemals vergessen. Sein Gesicht sagte mir alles; es war eine Mischung aus trauriger Abscheu und Hilflosigkeit.
Infiziert!
Er stand auf und flüsterte dem Polizisten etwas zu, der daraufhin mit demselben Gesichtsausdruck nickte. Ich sah zu den Leuten hinüber, die um mich herumstanden und auf mich herabblickten. Mütter, Ehefrauen, Kinder, Polizisten und meine ehemaligen Zellengenossen. Die meisten von ihnen hatten denselben Blick drauf, doch bei anderen sah ich auch Erleichterung. Ob das daran lag, dass ich nur ein Gefängnisinsasse war und sterben würde oder weil es dann ein Maul weniger zu stopfen geben würde, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war ich tot und alle wussten es.
Ich zog mein Hosenbein vorsichtig nach oben und betrachtete die Wunde. Es gab einen fast kreisförmigen Biss, um den herum sich die Haut bereits zu verfärben anfing. Da war auch ein bisschen Blut, allerdings nicht sehr viel. Dennoch hatte der Tote definitiv meine Haut verletzt.
Es ist faszinierend, wie man dazu tendiert, das eigene Verderben einfach wegzurationalisieren. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass es lediglich ein kleiner Biss sei, der doch kaum durch die Haut gedrungen war. Vielleicht hatte die Jeans ja verhindert, dass der Tote seinen Tod auf mich hatte übertragen können. Vielleicht war er ja auch gar nicht mit diesem Zeug infiziert gewesen, sondern hatte etwas ganz anderes gehabt. Innerhalb einer Nanosekunde spielten sich noch hundert andere Varianten vor meinem geistigen Auge ab, wie ich doch noch unbehelligt aus dieser Misere kommen würde, doch die Waffe, die auf mein Gesicht gerichtet war, holte mich abrupt wieder zurück in die Realität.
Der Polizist sagte, dass ich infiziert sei. Ich saß da und spielte die einzige Karte aus, die mir den unvermeidlichen Bleikopfschmerz ersparen würde. Ich sagte dem Polizisten, dass ich der Einzige sei, der den Geländewagen reparieren könnte.
Und genau das tat ich auch. Ich reparierte das Ding, wie noch nie zuvor irgendwas repariert worden war.
Als das Baby dann schnurrte wie ein Kätzchen, das mit süßer Sahne gefüttert worden war, forderte mich der Polizist auf, der seine Waffe mittlerweile weggesteckt hatte, ihm zu folgen. Er und ein anderer Typ, ein Insasse namens Dave oder Don oder Dan … irgendwas mit D, ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern, brachten mich schließlich hinter einen Schuppen, der ein bisschen an ein Gartenhäuschen erinnerte. Ich weiß noch, dass eine graue Antenne und ein paar Solarzellen darauf angebracht waren. Ich kann mich zwar nicht mehr an den Namen des Verurteilten erinnern, aber an die blauen Solarzellen mit den weißen Punkten, an die erinnere ich mich noch verdammt gut. Sie brachten mich hinter den Schuppen und der Polizist sagte mir, dass es für alle das Beste wäre, wenn er mich jetzt erschießen würde. Immerhin erhole sich niemand mehr von dieser Sache, es sei eine schreckliche Art zu sterben, ich würde die Zahl des Feindes nur erhöhen … bla, bla, bla.
Ich erwiderte, dass ich jede verdammte Sekunde, die mir noch blieb, nutzen wollte und er meinte, dass er das durchaus verstehen würde, dass ich dann allerdings nicht bei ihnen bleiben könnte. Immerhin war ich infiziert und damit nicht einfach nur eine Bürde, sondern ein potenzielles Desaster.
Ich war also jetzt ein Desaster, einfach nur, weil ich einem Toten zu nahegekommen war. Es war unfair, aber mir blieb nur eine einzige Möglichkeit: Ich stimmte ihm zu. Ich sagte ihm, dass ich allein sein wolle, und der Polizist, den ich, warum auch immer, vor dem Morgen, an dem sie uns aus den Zellen gelassen hatten, nie zuvor gesehen hatte, gab mir etwas zu essen und Wasser mit auf den Weg. Außerdem bedankte er sich bei mir und sagte, dass es ihm leidtäte.
Ein anderer Wärter, dessen Kind ich zuvor vor einem dieser Dinger gerettet hatte, als wir eine Pinkelpause eingelegt hatten, versprach mir, er würde etwa eine halbe Meile von hier entfernt eine Waffe und etwas Munition für mich deponieren. Da die Gefahr bestand, dass ich damit direkt jemanden erschießen würde, wollte er mir die Waffe nicht sofort anvertrauen. Immerhin war ich ein Knacki und kann nicht behaupten, dass der Gedanke sonderlich abwegig gewesen wäre. Ich bedankte mich bei ihm und die Kolonne ließ mich schließlich allein auf dem gelben Streifen in der Mitte der Straße irgendwo im südlichen Teil von New Hampshire zurück.
Ich konnte beobachten, wie der Pick-up des Wärters ein Stück die Straße hinauf anhielt, und lief hin, um nachzusehen, ob dort tatsächlich eine Waffe auf mich wartete. Er hatte Wort gehalten. Es war ein altmodischer Revolver zusammen mit einer halb vollen Packung Munition für ein .38er Kaliber. Darin befanden sich noch sechsundzwanzig Patronen. Das waren sechsundzwanzig Patronen, die zwischen mir und vermutlich zweihundert Millionen Toter standen, die es alle kaum erwarten konnten, einen großen Happen von mir abzubekommen.
Sie brauchten leider auch nicht lange, um mich zu finden.