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Das Orchestermodell: So klingt Ihr Team
»Was habe ich für ein Glück gehabt, dass mein erstes eigenes Orchester gleich ein Spitzenensemble war!«
Riccardo Chailly, Dirigent
Würde doch jedes Team zusammenspielen wie ein Spitzenorchester! Leider wird in Teams oft mehr Lärm als Musik gemacht. Das habe ich als Trainer und Berater immer wieder erlebt. Glücklicherweise kann allen Teams geholfen werden. Das nützlichste Modell, das ich dazu kenne, ist das Teamrollenmodell des englischen Psychologen und Managementexperten Dr. Meredith Belbin. Seit ich es vor bald 25 Jahren entdeckt habe, arbeite ich begeistert damit. Ich bin zertifizierter Belbin-Trainer und stehe in engem Kontakt mit der Belbin-Organisation hier in Holland. Das Modell von Meredith Belbin geht von acht unterschiedlichen Teamrollen aus, die Teammitglieder aufgrund ihres Charakters und ihrer bisherigen Erfahrungen mehr oder weniger gut spielen.
Ein Nachteil des Belbin-Modells ist, dass es sehr wissenschaftlich und abstrakt formuliert wurde. Insbesondere die Bezeichnungen für die einzelnen Teamrollen sind verwirrend und wenig einprägsam. Irgendwann saß ich mit meinem Kumpel, dem Musiker Franck van der Heijden, beim Bier zusammen und wir hatten eine Idee, wie wir das Belbin-Modell anschaulicher machen könnten: Wir überlegten uns für jede Teamrolle ein Musikinstrument, das als Metapher genau passt. So kam es zu dem Orchestermodell, das ich heute verwende. Zwischenzeitlich haben wir eine Instrumentenshow entwickelt, mit der ich das Modell live vor Publikum präsentiere. Und ich habe 2012 im Gabal Verlag ein erstes Buch über bessere Teamarbeit mit dem Orchestermodell herausgebracht: »Macht Musik«.
Auf den folgenden Seiten finden Sie das Wichtigste über das Belbin-Modell, wie ich es in meinem ersten Buch beschrieben habe. Wenn Sie mein erstes Buch kennen, können Sie Ihr Wissen schnell auffrischen. Wenn Sie es nicht kennen – das soll es geben! –, bekommen Sie hier alle Hintergrundinfos, um die restlichen Teile dieses Buchs noch besser verstehen und anwenden zu können. Los geht’s!
Was sind Teamrollen und welche gibt es?
Teamrollen sind etwas anderes als funktionale oder hierarchische Rollen. Funktionale Rollen sind zum Beispiel Geschäftsführer, Assistent, Projektleiter oder Verkäufer. Es geht jeweils um die Funktion, den Aufgabenbereich in einer Organisation. Ob sich eine Person für eine funktionale Rolle eignet, hängt von ihren fachspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen ab. Diese lassen sich objektiv ermitteln. Über die bevorzugten Teamrollen gibt dagegen kein Diplom, kein Arbeitszeugnis und kein Jobtitel Auskunft. So kann der »Tempomacher« – die »Trommel« – im Team der Geschäftsführer sein – oder einer seiner Mitarbeiter. Das ist völlig offen. Für eine bestimmte Teamrolle entscheiden sich Menschen laut Belbin aufgrund von Faktoren wie Persönlichkeit, Werten, Situation oder Erfahrung. Es kommt hier also, kurz gesagt, eher auf unseren Charakter als auf unsere Ausbildung und unseren Werdegang an.
Die bahnbrechende Erkenntnis von Dr. Meredith Belbin lautet: Für den Erfolg eines Teams kommt es mehr auf die richtige Mischung der charakterlichen Teamrollen an als auf alles andere. Das konnte Belbin in jahrzehntelangen wissenschaftlichen Experimenten mit Teams beweisen. Was die jeweils »richtige« Mischung ist, hängt von den Zielen eines Teams ab. Entscheidend ist, nicht allein funktionale Rollen zu besetzen, wie es die meisten Unternehmen bis heute tun. Sondern die jeweilige Teamrolle in den Vordergrund zu rücken. Belbin hat ursprünglich acht Teamrollen unterschieden. In meinem Orchestermodell sind das die folgenden Musikinstrumente:
Der tüchtige Bass
Die begeisternde Trompete
Die energische Trommel
Das vielseitige Klavier
Die kreative Gitarre
Die faktenorientierte Harfe
Das planende Horn
Die hilfsbereite Geige
In Track 5 finden Sie die wichtigsten charakteristischen Eigenschaften aller acht Instrumente im Überblick. Achtung: Das Teamrollenmodell ist kein Persönlichkeitsmodell! Sie »sind« nicht ein bestimmtes Instrument, sondern Sie spielen in unterschiedlichen Teams unterschiedliche Instrumente mehr oder weniger gut. In der Regel beherrscht jeder zwei bis drei Instrumente gut, drei bis vier Instrumente passabel und zwei bis drei Instrumente gar nicht gut. Durch Üben können Sie Ihre Fähigkeit auf allen Instrumenten – das heißt in sämtlichen Rollen im Team – verbessern!
Machen Sie den Test!
Auf meiner Website www.richarddehoop.de finden Sie unter der Rubrik »Das Orchesterspiel« einen kostenlosen Test, mit dem Sie herausfinden können, was Ihre bevorzugten Teamrollen sind. Der Test besteht aus 48 Fragen. Sie erhalten die Auswertung gratis per E-Mail – dazu noch jede Menge Tipps für Ihre bevorzugten Teamrollen. Spielen Sie gerne Geige oder trommeln Sie lieber? Finden Sie es heraus!
Was unterscheidet Spitzenteams von übrigen Teams?
Spitzenteams unterscheiden sich von anderen Teams dadurch, dass die Teamrollen für das jeweilige Ziel perfekt besetzt sind. Jede Person spielt im Team exakt die Rolle, die ihrem Charakter, ihren Neigungen und ihren Talenten entspricht. Gleichzeitig sind sämtliche Teamrollen, die nötig sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, auch mit mindestens einer Person vertreten. Belbin konnte nachweisen, dass sogar ein Team aus mittelmäßig Begabten, bei dem die Rollen sehr gut besetzt sind, erfolgreicher ist als ein Team aus Hochbegabten. Es zeigte sich, dass sogenannte »Apollo-Teams«, die ausschließlich aus klugen Köpfen bestehen, sogar häufig scheitern, weil sie sich zum Beispiel gerne in Diskussionen über die beste Lösung verzetteln und zu wenig Teamdynamik entfalten.
Ein Spitzenorchester kann viele verschiedene Stücke spielen. Das gilt auch für Spitzenteams. Jeder im Teamorchester ist dann Virtuose auf seinem Instrument. Jedes Teammitglied weiß, welche Rollen ihm am meisten liegen. In Spitzenteams darf jeder seine Lieblingsrolle spielen. Alle kennen den Wert ihres Beitrags. Sie wissen, dass es bei den Teamrollen kein Besser und Schlechter gibt. So wie kein Violinvirtuose einen Pianisten beneidet, so beneidet auch in Spitzenteams niemand einen anderen um seine Rolle. Spitzenteams sind krisenfest und geben so schnell nicht auf.
Wie ist Belbin gerade auf diese acht Rollen gekommen?
Das Modell von Meredith Belbin ist psychologisch fundiert. Die acht Rollen korrespondieren mit vier psychischen Grundkräften, die in jeder Gruppe von Menschen in jeweils aktiver oder reaktiver Ausprägung wirken. Diese Grundkräfte sind Tatkraft, Willenskraft, Denkkraft und Gefühlskraft. Daraus ergeben sich die folgenden acht möglichen Kombinationen:
aktive Tatkraft (Bass)
reaktive Tatkraft (Trompete)
aktive Willenskraft (Trommel)
reaktive Willenskraft (Klavier)
aktive Denkkraft (Gitarre)
reaktive Denkkraft (Harfe)
aktive Gefühlskraft (Horn)
reaktive Gefühlskraft (Geige)
Nehmen Sie zum Beispiel die Gitarre und die Harfe im Team. Beide bringen Denkkraft ins Spiel, jedoch auf unterschiedliche Weise. Die Gitarre als aktive Denkerin ist der kreative Kopf. Sie strebt ständig danach, Neues zu erschaffen: Designs, Produkte, Prozesse, was auch immer. Die Harfe dagegen analysiert mit ihrer Denkkraft viel lieber Bestehendes. Aktive Gitarre und reaktive Harfe können sich im Team sehr gut ergänzen: Dann produziert die Gitarre Ideen und die Harfe überprüft, ob diese Ideen Hand und Fuß haben. Für die Umsetzung von Ideen sind wieder andere Instrumente nötig. Da braucht es Willenskraft und Tatkraft.
Wie sehr sind Teammitglieder auf einzelne Instrumente festgelegt?
Es scheint durchaus so etwas wie das »geborene Klavier« oder den »typischen Bass« zu geben. Belbin fand heraus, dass manche Menschen immer wieder nach derselben Teamrolle streben. Persönlichkeitsmerkmale, Werte, äußere Bedingungen sowie positive oder negative Erfahrungen in Teams beeinflussen die Wahl der Teamrolle. In der Regel sind es jedoch mindestens zwei oder drei Teamrollen, die Menschen in Teams gerne einnehmen und gut ausfüllen. Hinzu kommt: Alles ist immer eine Momentaufnahme! Menschen verändern sich mit der Zeit und entwickeln sich weiter. Dadurch können sich auch die Präferenzen bei den Teamrollen verschieben.
Eine große Chance für Teams liegt darin, dass Teammitglieder in bestimmten Situationen Teamrollen aktivieren, die sie bisher nicht oder zu wenig gespielt haben. Denn nicht immer kann ein Team um eine Person ergänzt werden, die genau die jetzt nötige Teamrolle spielt. Angenommen, in einem Projekt geht es viel zu langsam voran. Eine Trommel wäre gut, steht aber gerade nicht zur Verfügung. Dann ist die Frage: Wer im Team kann trommeln? Es könnten jetzt Teammitglieder die Rolle der Trommel übernehmen, bei denen das nur die dritt- oder viertstärkste Teamrolle ist. Aber weil dringend mehr Tempo gebraucht wird, kann und soll jemand die Rolle besetzen.
Wie genau hängen Charakter und Teamrolle zusammen?
In der Forschung von Meredith Belbin kristallisierten sich bestimmte Charaktermerkmale heraus, die einen besonders großen Einfluss auf die Wahl einer Teamrolle haben. Charakteristisch sind zum Beispiel zwei Gegensatzpaare. Erstens: Ist eine Person eher introvertiert oder eher extravertiert? Und zweitens: Ist eine Person eher angespannt oder entspannt? Ein stiller und in sich ruhender Mensch ist zum Beispiel von Natur aus gerne Bass. Dagegen dürfte sich ein Mensch, der ständig unter Strom steht, und dabei auch noch sehr extravertiert ist, als Trommel ziemlich wohl fühlen. So lassen sich schließlich alle acht Instrumente in einem Quadrantenmodell mit den beiden Achsen Introversion/ Extraversion sowie Anspannung/Entspannung einordnen.
Genau in der Mitte steht die Harfe. Harfen sind faktenorientiert, kritisch und analytisch. Sie sind weder auffallend introvertiert oder extravertiert noch besonders angespannt oder entspannt. Mit ihrem Bemühen um Objektivität sind sie gewissermaßen neutral. Bei allen übrigen Instrumenten erkennen Sie in der Grafik, dass diese recht unterschiedlich angeordnet sind. Die Gitarre zum Beispiel wird im Team gerne von Menschen gespielt, die zwar eher introvertiert, jedoch weder auffallend angespannt oder entspannt sind. Das Klavier auf der anderen Seite ist eher extravertiert, weil es sich für die anderen Teammitglieder und deren Talente interessiert. Willenskraft und Zielorientierung sorgen für Anspannung in dieser Teamrolle. Doch im Vergleich zur energischen Trommel ist es nur eine leichte Anspannung.