Читать книгу Spitzenteams der Zukunft - Richard de Hoop - Страница 8
Entertain us: Was der Kunde mag, verkauft sich
ОглавлениеSet Point hätte alle Voraussetzungen mitgebracht, in der neuen Welt der Wirtschaft vorne mit dabei zu sein. Die Bekleidungskette hatte nämlich längst auf zwei der in Zukunft wichtigsten Erfolgsfaktoren gesetzt: Spitzenteams und positive, lebendige Kundenkontakte. Insbesondere während der legendären Aktionswochen hätten die Kunden beim Betreten der Läden von Set Point glauben können, hier sei die Arbeit eine einzige Party. Die Teams hatten untereinander Wettbewerbe laufen, wer in einer Woche am meisten verkauft. Alle packten in den Läden mit an, auch Mitarbeiter, die sonst in der Buchhaltung saßen oder für die IT verantwortlich waren. Dieser besondere Spirit, dieses Gefühl, dass jeder im Team die Talente der anderen schätzt und alle füreinander einstehen, machte die Firma besonders.
Die Kunden liebten nicht nur die Aktionswochen, während der sie glänzend unterhalten und noch mehr als sonst mit Freigetränken und Snacks verwöhnt wurden. Sie hörten oft und gerne von Set Point. Die Mitarbeiter waren geschult, sich die Vorlieben der Kunden zu merken und sie aktiv zu kontaktieren, sobald es attraktive neue Angebote im Laden gab. Da wurde dann ein Kunde zum Beispiel sofort angerufen, sobald neue Hemden in seiner Größe und mit seinem bevorzugten Schnitt eingetroffen waren. Natürlich bedeutete diese Betreuung auch Aufwand. Aber der Aufwand zahlte sich aus. Set Point hatte eine extrem hohe Kundenbindung und brauchte auch das Internet nicht grundsätzlich zu fürchten. Denn welche Website ruft Sie schon an und fragt Sie, ob Sie Lust auf ein neues Shirt von Ihrer Lieblingsmarke haben?
Mit dem Verkauf an einen Konzern war mit diesem Spirit schnell Schluss. Schon nach sechs Monaten kündigten die ersten Mitarbeiter. Der neue Eigentümer setzte auf Effizienz. Kunden wurden nicht mehr angerufen, sondern bekamen anonyme Mailings aus der Konzernzentrale – so wie alle anderen Kontakte irgendwo in Europa. Auch in den Läden schaute man jetzt vor allem, wo man Geld sparen und Personal abbauen könnte. Natürlich ist Effizienz wichtig. Aber an der richtigen Stelle! Der Innovationsforscher Clayton Christensen spricht von drei Arten von Innovationen: Empowering Innovation, Sustaining Innovation und Efficiency Innovation (siehe »Facts«).
Effizienzoptimierung kommt immer zum Schluss. Nämlich dann, wenn neue Technologien und Geschäftsmodelle nicht nur am Markt sind, sondern sich auch nachhaltig etabliert haben. Wer einseitig auf Effizienz setzt und über grundlegende Innovationen nicht mehr nachdenkt, der wird in Zukunft schneller noch als heute aus dem Geschäft sein. Das sind die Unternehmen, die sich »kaputtsparen«, statt zu überlegen, was ihre Kunden morgen wollen und mit welchen Teams ihnen das geboten werden kann.
Facts
Nach dem Innovationsforscher und Harvard-Professor Clayton Christensen finden Innovationen auf drei Ebenen statt, die typischerweise als drei Phasen ablaufen:
1 Empowering Innovation: Diese Innovationen sind »disruptiv«; neue Mitspieler schaffen neue Märkte oder krempeln bestehende um.
2 Sustaining Innovation: Das sind Neuerungen, die Technologien oder Geschäftsmodelle am Markt halten und langfristig tragfähig machen.
3 Efficiency Innovation: Wenn eine Technologie oder ein Geschäftsmodell etabliert ist, kann dessen Effizienz gesteigert werden.
Jedes Unternehmen muss wissen: Was brauche ich wann? Wenn Empowering Innovations gerade meine Branche umkrempeln, genügt es nicht mehr, die Effizienz meines Business zu verbessern.
Je anonymer und digitalisierter die Welt wird, desto mehr steigt gleichzeitig die Sehnsucht der Menschen nach echten, positiven zwischenmenschlichen Kontakten. Die Kunden der Zukunft wollen beides: effiziente, einfach zu bedienende Technik und persönliche zwischenmenschliche Kontakte. Die besten Unternehmen in der neuen Welt der Wirtschaft wissen auch genau, wie beides seinen Platz bekommt: Wo brauche ich ein Spitzenteam? Und wo können Routineaufgaben schneller und besser von Computern und Maschinen erledigt werden? Das zu entscheiden, ist keine technische Frage, sondern eine strategische. Wenn ich bei KPN anrufe, dem holländischen Gegenstück zur Deutschen Telekom, und eine Computerstimme leitet mich erst minutenlang durch Menüs – »Wenn Sie dies wollen, drücken Sie die Eins, wenn Sie das wollen, drücken Sie die Fünf« –, dann werde ich schier wahnsinnig. Hier wird der persönliche Kundenkontakt dem Effizienzgedanken geopfert. Dabei könnte ein Spitzenteam von Kundenbetreuern aus jedem Kundenkontakt eine Menge machen.
Ähnlich ist es, wenn eine Firma den Rechnungsversand einspart und ich mich als Kunde selbst auf der Website einloggen soll, um die Rechnung abzurufen. Für mich ist das lästig. Die Firma spart Geld dadurch, dass ich ihre Arbeit mache. Das ist an sich schon kein guter Deal. Aus Sicht der Firma gibt es aber auch keinen positiven Kundenkontakt mehr. Der Kunde verschwindet aus dem Blickfeld. Und so wird die digitale Zukunft eben nicht aussehen. Menschen wollen nach wie vor bei Menschen kaufen und mit Menschen gemeinsam Geschäfte machen. Dabei jedoch gleichzeitig neue Möglichkeiten ausschöpfen.
»Immer wird beklagt, dass keiner zu Klassikkonzerten kommt und die Musik ausstirbt. Wenn jemand Talent mitbringt und etwas dagegen tut, wird es aber ignoriert. Manchmal habe ich das Gefühl, einige wollen gar nicht, dass sich was ändert.«
David Garrett, Stargeiger
Kürzlich wollte ich ein neues Fahrrad kaufen. Ich steuerte ein traditionsreiches Geschäft an. Da fragte ich mich dann angesichts unfreundlicher Bedienung und null Beratung: Warum bestelle ich nicht gleich online? Das wäre viel preisgünstiger. Was bringt mir so ein Laden noch? Diese Frage von Kunden müssen immer mehr Händler beantworten. Eine innovative Strategie ist hier das sogenannte Show-Rooming. Es gibt dann nur noch wenige Läden, in denen die Kunden Produkte anschauen und ausprobieren können. Ein qualifiziertes Team berät, beantwortet Fragen und nimmt Beschwerden oder Reparaturaufträge entgegen. Der Vertrieb läuft aber entweder vollständig oder hauptsächlich über das Internet. Ein Showroom nimmt die Bestellungen entgegen und hat allenfalls eine kleine Auswahl von Produkten vorrätig.