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Über Erdbeben, Wind und Feuer hinaus
ОглавлениеElia und sein aufrüttelndes Erleben in der Höhle am Berg Horeb kann für uns so etwas wie ein Vorbild zur Meditation werden. Ein Bild für das hörende Gebet, wenn wir so wollen.
Vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte, die uns in 1 Könige 18 und 19 überliefert ist. Wie Elia auf dem Karmel über die Propheten des Baal triumphiert. Wie Isebel versucht ihn zu töten. Wie Elia um sein Leben läuft. Wie er erschöpft und starr vor Angst unter dem Wacholder sterben will: „Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele“ (1 Kön 19,4). Wie der Engel des Herrn Elia anrührt und ihm ein kräftiges Frühstück serviert … zweimal. Wie er gestärkt durch diese Mahlzeiten vierzig Tage und Nächte läuft, bis er endlich an den Horeb kommt, den Berg Gottes. Und wie er in die Höhle tritt und über Nacht dort bleibt … elend, einsam und entmutigt.
Auch mir wird der Alltagsdruck manchmal zu viel und ich möchte rufen: „Mach Platz, Elia. Lass mich zu dir in die Höhle kriechen.“ Vielleicht kennen auch Sie solche Zeiten der Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit, in denen Sie Elia in seiner Höhle am liebsten Gesellschaft leisten möchten. Die Höhle am Horeb ist ein Ort von Verzweiflung, Elend und Mutlosigkeit.
Aber jetzt werden wir sehen, wieso die Geschichte von Elia am Horeb ein Bild für das meditative Gebet ist. Gott holt Elia aus der Höhle der Depression heraus auf den Gipfel: „Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr wird vorübergehen“ (1 Kön 19,11). Diese Worte, „der Herr wird vorübergehen“, lassen an einen anderen Berg denken, den Berg Sinai, wo Gott auf spektakuläre Weise Mose begegnete und ihm das gab, was wir heute die Zehn Gebote nennen. Wir kennen die Geschichte natürlich gut … und Elia kannte sie auch. Der brennende Busch. Die von Gott selbst beschriebenen Steintafeln. Die Blitze. Zersplitternde Felsen. Verkohlte Bäume. Heulender Wind und ohrenbetäubender Donner in den Klüften. Und dann fällt uns ein – genau wie Elia –, wie Mose sich in einer Felsspalte verbarg, als Gott, der Herr, der Allmächtige, vorüberzog und ihn seine göttliche Herrlichkeit sehen ließ.
Und nun, hier auf dem Berg Horeb, wird Gott an Elia vorübergehen. Auf dem Sinai kam Gott in einem gewaltigen Feuerwerk von Naturphänomenen. Auch auf dem Horeb gab es heftige Winde, Erdbeben und sengendes Feuer. Aber Gott war in keinem dieser Ereignisse. Das muss für Elia ein Schock gewesen sein. Keine Spur von Gott im Erdbeben, im Wind oder Feuer. Erst als das Feuerwerk der Natur verebbt war und wieder völlige Ruhe herrschte, kam Gott mit leiser Stimme zu Elia, in einem göttlichen Flüstern, einem „stillen, sanften Sausen“ (1 Kön 19,12). Er redet zu Elia nicht in den Naturgewalten, sondern in einem sanften Flüstern.
In völliger Demut steht Elia dort auf dem Berggipfel vor Gott. Wie verzweifelt er ist, sehen wir an seiner Angst vor Isebel und seinem Wunsch zu sterben. Und mit diesem demütigen Herzen hört Elia das dabar Jahwe, das Wort des Herrn. Der Dichter John Greenleaf Whittier schrieb:
Durch die Hitze unsrer Wünsche
hauch den kühlen Balsam du.
Den Sinn mach stumm, das Fleisch betäube;
sprich durch das Beben, Wind und Feuer,
o sanfte, leise Ruh.
Ach, dass wir doch in stiller Demut das Herz des Elia annehmen könnten. Dass wir mit demütigem Herzen dem Rat des Psalmisten folgten: „Sei stille dem Herrn und warte auf ihn“ (Ps 37,7).
Vielleicht erinnern wir uns daran, dass Elia noch auf einem anderen Berg Gottes stand: dem Hermon, dem Berg der Verklärung. Dort stand er neben Mose – gemeinsam repräsentierten sie das Gesetz und die Propheten. Dort sahen sie Jesus, den Christus, verwandelt, „und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht“ (Mt 17,2). Dort auf jenem Berg sprachen Elia und Mose mit Jesus und erlebten die Erfüllung all dessen, wonach sie sich gesehnt, wovon sie geträumt und wofür sie gearbeitet hatten (Mt 17,3). Was muss das für eine Unterhaltung gewesen sein!