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2. Vertrauter Umgang mit Jesus

Wahre Stille ist der Schlüssel zum gewaltigen und brennenden Herzen Gottes.

Catherine De Hueck Doherty

Im meditativen Gebet wachsen wir in das hinein, was Thomas von Kempen den „vertrauten Umgang mit Jesus“ nennt. Wir lernen, in das Licht und das Leben Christi hinabzusinken und uns in dieser Haltung wohlzufühlen. Wir erleben die ständige Nähe Jesu (seine sogenannte „Allgegenwart“) nicht nur als theologischen Lehrsatz, sondern als strahlende Wirklichkeit. „Er geht mit mir durchs Leben und ich hör sein Reden“, ist nicht mehr nur eine fromme Floskel, sondern wird zur Beschreibung des alltäglichen Lebens.

Bitte verstehen Sie mich richtig: Ich rede hier nicht von einer schwammigen, gefühlsduseligen, kumpelhaften Beziehung. Eine solche sentimentale Geschmacklosigkeit verrät nur, wie wenig wir wissen, wie weit weg wir von dem Herrn sind, der in der Höhe thront und uns in der Schrift offenbart wird. Johannes berichtet uns in der Offenbarung, als er den herrschenden Christus sah, „fiel ich zu seinen Füßen wie tot“ … und so sollte es uns auch gehen (Offb 1,17). Die Wirklichkeit, von der ich hier spreche, ähnelt dem, was die Jünger beim letzten Abendmahl empfanden – nächste Nähe und gleichzeitig tiefste Ehrfurcht.

Ein Heiligtum im Herzen

Im meditativen Gebet bereiten wir den emotionalen und spirituellen Rahmen vor, der es Gott erlaubt, in unserem Herzen ein innerliches Heiligtum zu schaffen. Der herrliche Vers „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an“ wurde ursprünglich für Gläubige geschrieben, nicht für Ungläubige (Offb 3,20). Jesus klopft an die Tür unseres Herzens – täglich, stündlich, jeden Augenblick. Er möchte mit uns essen, mit uns Gemeinschaft haben. Er wünscht sich im Heiligtum unseres Herzens ein immerwährendes Abendmahl. Jesus klopft, und meditatives Gebet öffnet ihm die Tür.

Der weise Apostel Paulus erinnert uns daran, dass wir in der göttlichen Gemeinschaft keine Gäste und Fremdlinge mehr sind. Wir gehören zum Haushalt Gottes, einem Haushalt, der auf dem soliden Fundament der Apostel und Propheten ruht. Jesus selbst ist der Eckstein und durch ihn wächst „der ganze Bau ineinander gefügt … zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist“ (Eph 2,21-22, Hervorhebung durch den Verfasser).

Erlauben Sie mir, diese Aussage zu unterstreichen: Mein Herz, Ihr Herz, wird zu einer „Wohnung Gottes“.3 Nun weiß ich nicht, wie es bei Ihnen aussieht, aber wenn mein Herz eine „Wohnung Gottes“ werden soll, dann sind ein paar größere Umbauten fällig! Teresa von Avila betete einmal im Blick auf das Böse in ihrem eigenen Herzen: „O mein Herr, da es scheint, als wärest du entschlossen, mich zu retten, flehe ich dich an, Majestät …, meinst du nicht, es wäre gut, … wenn das Gasthaus, in dem du ständig wohnen musst, nicht immer so schmutzig würde?“

Alle wahre Umgestaltung ist „Herzensarbeit“, wie die großen Gottesmänner der Puritaner es nannten. Das Herz des Menschen ist der Ursprung allen menschlichen Handelns. Es ist das Zentrum allen Wollens und der tiefen Wahrheiten des Geistes. John Flavel, ein englischer Puritaner aus dem siebzehnten Jahrhundert, bemerkte: „Die größte Schwierigkeit bei der Bekehrung ist es, das Herz für Gott zu gewinnen; und die größte Schwierigkeit nach der Bekehrung ist es, das Herz bei Gott zu halten … Herzensarbeit ist harte Arbeit.“

Zwei zentrale Wirklichkeiten

Wenn wir über die Veränderung des menschlichen Herzens nachdenken, müssen wir zwei zentrale Wirklichkeiten im Auge behalten. Zunächst einmal können wir unser eigenes Herz nicht programmieren. Wir können auch nicht über das Herz eines anderen bestimmen. Hinter diesen Aussagen steht eine ganze Theologie. Ich will hier nicht ins Detail gehen, sondern ganz ungeschützt feststellen: Es ist nicht Ihre Aufgabe, Ihr Herz zu verändern. Auch nicht meine. Dies ist Gottes Bereich, und Sie und ich sind völlig darauf angewiesen, dass Gott dieses Werk vollbringt. Wir können uns wünschen, dass unser Herz sich verändert, und wir können danach trachten. Das ist ganz sicher etwas Gutes. Aber Tatsache ist, dass wir die Veränderung nicht bewirken können. Das tut Gott.

Zweitens ist das menschliche Herz selbst ein Teil unseres Problems. Wir sind, jeder einzelne von uns, angefüllt mit einem Durcheinander von Motiven: Hoffnung und Angst, Glaube und Zweifel, Einfachheit und Zweideutigkeit, Ehrlichkeit und Falschheit, Offenheit und List. Gott kennt unser Herz in einer Weise, wie es uns selbst nie möglich ist. Übernatürliche Fähigkeiten sind nötig, um das Durcheinander zu entwirren. Gott ist der Einzige, der das Echte vom Falschen trennen kann. Nur Gott kann die Motive unseres Herzens reinigen.

Wir sehen also, wir sind wirklich voll und ganz davon abhängig, dass Gott diese Veränderung in uns bewirkt: das Herz reinigt, die Seele bekehrt, das Innere erzieht, das Leben verändert. Diese einzigartige innere Arbeit im Herzen ist die wichtigste, wahrste, dauerhafteste Wirklichkeit im menschlichen Leben.

Wenn die Meister der Andacht uns also ständig dazu aufrufen, unser Herz zu reinigen, so wollen sie uns etwas ganz Wichtiges sagen. Es ist nicht umsonst, dass wir immer und immer wieder zu unserer ersten Liebe zurückkehren. Es ist ein Akt des Glaubens, Gott immer wieder anzuflehen, dass er uns prüft und erforscht und unser Herz erkennt und alles Böse in uns ausreißt (Ps 139,23-24). Das ist ein wesentlicher Aspekt der Erlösung durch den Herrn.

Lassen Sie es mich noch einmal betonen: Gott ist der höchste endgültige Gestalter und Um-Gestalter des menschlichen Herzens. Dem möchte ich aber sofort hinzufügen, dass Gott in seiner Gnade Sie und mich einlädt, an diesem höchsten und gleichzeitig tiefsten Werk mitzuarbeiten. Denn vergessen wir es nicht: Gott kommt nie uneingeladen. Wenn bestimmte Räume unseres Herzens Gottes heilende Berührung nie erlebt haben, dann vielleicht deshalb, weil wir sie nie seiner göttlichen Prüfung ausgesetzt haben.

Herzensveränderung

Wie also sieht dieses gestaltende Werk aus, das tief drinnen in den unterirdischen Kammern unseres Herzens geschieht?

Von der göttlichen Seite aus können wir nur wie durch einen dunklen Spiegel blicken. Es ist ein wunderbares Geheimnis, dieses Wirken Gottes am Herzen des Menschen. Es erlaubt ein Maximum an Freiheit und Selbstbestimmung. Es geht uns still, aber unablässig nach. Schenkt uns Gnade und Barmherzigkeit, die wir nicht verdienen und nicht einmal suchen. Gewährt uns Quantensprünge hin zu Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Keuschheit. Und noch viel mehr. Das ist das große Werk, aber es ist uns nur in äußerst beschränktem Maße möglich, etwas darüber zu sagen oder es überhaupt zu verstehen. Wir können nur ehrfürchtig und anbetend vor dieser Güte Gottes stehen.

Aber lassen Sie mich versuchen, dieses Werk von der menschlichen Seite aus zu beschreiben. Es beginnt damit, dass wir uns dem Licht Jesu zuwenden. Wir „suchen das Licht“, wie die Väter sagten. Bei manchen geht diese Wendung qualvoll langsam vor sich und es dauert lange, bis wir die ganze Drehung geschafft haben. Bei anderen geschieht sie plötzlich und gewaltig. Doch egal wie, wir beginnen, Jesus zu vertrauen und ihn als unser Leben anzunehmen. Wir werden von oben geboren, so wie wir es in Johannes 3 lesen.

Doch zu diesem Geborenwerden von oben gehört notwendig auch das von oben Verändertwerden hinzu. Geistlich geboren zu werden ist ein Anfang – ein herrlicher, wundersamer Anfang. Nicht das Ende. Viel intensive Gestaltung ist nötig, ehe wir vor dem himmlischen Feuer bestehen können. Viel Training ist nötig, ehe wir zu dem Menschen geworden sind, der sicher und leicht gemeinsam mit Gott regieren kann.

So werden wir nun also in diese neue Beziehung gebeten. Wie Petrus es sagt, sind wir „wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da bleibt“ (1 Petr 1,23). Gott lebt! Jesus ist da und wirkt in unseren kleinen Angelegenheiten.

Also fangen wir an zu beten, fangen an, in den Austausch und die Gemeinschaft mit Gott zu treten. Doch am Anfang ist unser Beten unbeholfen und zögernd. Es ist wie beim Wechselstrom; unsere Aufmerksamkeit springt hin und her zwischen der himmlischen Herrlichkeit und den Aufgaben unseres gewöhnlichen Lebens. Hin und her, hin und her. Und oft ist dieses Hin und Her schlimmer – viel schlimmer –, als überhaupt nicht zu beten. Im einen Moment schwelgen wir in heiligen Geheimnissen und im nächsten suhlt sich unser Denken im Schmutz diesseitiger Begierden.

Wir fühlen uns gespalten und zerrissen. Wie Thomas Kelly sagte, leben wir in „einer unerträglichen Jagd, wie von Fieber getrieben“. Wir spüren, wie die mannigfaltigen Verpflichtungen an uns ziehen und zerren und versuchen, allen nachzukommen. Und nur allzu häufig fühlen wir uns dabei „unglücklich, unbehaglich, angespannt, bedrückt und fürchten, wir könnten verflachen“.

Dennoch, in allem Suchen und Kämpfen tun wir unablässig drei Dinge:

1 Wir bitten. Immer sind wir am Bitten. „Verändere mein Herz, o Herr; lass es geschehen. Verändere mein Herz, o Herr; lass mich sein wie du.“ Bitten, immer bitten.

2 Wir hören. Immer sind wir am Hören. Wie Elia warten wir durch Beben, Wind und Feuer hindurch auf die kleine, leise Stimme. Hören, immer hören.

3 Wir gehorchen. Immer sind wir am Gehorchen. Wir gehorchen Jesus in allen Dingen. Wir gehorchen dem Geist zu jeder Zeit. Wir gehorchen der Schrift in jeder Weise. Gehorchen, immer gehorchen.

Schließlich schenkt Gott uns durch Zeit und Erfahrung – und manchmal viel Zeit und Erfahrung – eine erstaunliche Ruhe in dem, was Thomas Kelly die „göttliche Mitte“ nannte. In der Tiefe unseres Wesens macht das Hin und Her einem nahezu ungebrochenen Leben der demütigen Anbetung in der lebendigen Gegenwart Gottes Platz.

„Das ist keine Ekstase, sondern eine heitere Gelassenheit, Unerschütterlichkeit, Klarheit der Lebensausrichtung.“ Um es mit George Fox zu sagen, werden wir als Männer und Frauen „gefestigt“. Es wird uns zur Gewohnheit, uns an Gott auszurichten. Das ist kein Perfektionismus, sondern ein Schritt vorwärts in unserem Leben mit Gott. Das innere Werk des Gebets wird viel einfacher. Wir erleben längere Zeiten des Lobes und ein entspanntes Hören in der Tiefe unseres Herzens. Alles, was nötig ist, um unser Herz beständig auf Gott auszurichten, sind kleine Blicke himmelwärts und ein paar geflüsterte Worte der Hingabe und Unterordnung.

Ohne es zu wissen, erleben wir die Gegenwart Gottes. Formelle Zeiten des Gebets sind nur Ergänzung und bestärken die Haltung stiller Anbetung, die unsere Tage bestimmt. Hinter dem Vordergrund unseres Alltags läuft im Hintergrund die Ausrichtung auf den Himmel weiter.

Das ist die Veränderung des Herzens vor Gott. Ohne dass wir es je merken, erhält unser Herz einen neuen Charakter. Vergangen ist das alte Verlangen nach Manipulation, nach Wut und Rache. Ehe wir es merken, schlüpfen neue Reaktionen herein – der Liebe und Freude, des Friedens, der Geduld und Freundlichkeit und Güte und Treue und Sanftmut und Keuschheit.

Mit den Worten von Thomas Kelly treten wir ein in „ein Leben von gemächlichem Frieden und Kraft. Es ist einfach. Es ist heiter. Es ist erstaunlich. Triumphal. Strahlend. Es braucht keine Zeit, aber es nimmt alle Zeit in Anspruch. Und es macht unser Lebensprogramm neu und überzeugend. Wir brauchen nicht hektisch zu werden. Er steht am Ruder. Und wenn unser kleiner Tag vorbei ist, legen wir uns in Frieden zur Ruhe, denn alles ist gut.“

Das ist die Veränderung des menschlichen Herzens, die uns zur rechten Zeit und auf ihre Weise unaufhaltsam in den „vertrauten Umgang mit Jesus“ führt.

3 Siehe auch die ziemlich direkte Aussage von Paulus an die christliche Gemeinde in Korinth: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16).

Der Weg zu Gott führt nach innen

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