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Buenos Aires, 1985

Im Oktober 1985 hatte ich als Dozent des Goethe-Instituts gerade erst ein 3-monatiges Praktikum am Goethe-Institut Buenos Aires angetreten, als mich die Nachricht der Münchner Zentrale von meiner Versetzung nach Indien erreichte, eine Entscheidung, die dankenswerterweise einem meiner Dienstortwünsche entsprach. Der Umzug mit Frau und Sohn nach Neu Delhi wurde auf den Herbst des nächsten Jahres festgelegt und beinhaltete eine Umzugskostenvergütung für den Hausrat, der in Bälde von Deutschland aus auf den Weg gebracht werden sollte.

Cora drückte ihre Freude immer schon am besten in Bildern aus. Kurze Zeit später hielt sie dieses Blatt vor mich hin: Wir fahren nach Indien! Und darin trat – wohl aus ihrem Unterbewusstsein, denn es war erstmalig in ihrem Werk – das Mango-Muster auf, das wir später in Indien überall antreffen sollten.


Coras Bild „Wir fahren nach Indien“ (+)

Als diese Nachricht in der Familie und bei Freunden die Runde machte, rief sie gemischte Reaktionen hervor. Dabei muss festgehalten werden, dass niemand Indien wirklich kannte, niemand schon dort gelebt hatte. Nichtsdestotrotz war es bemerkenswert festzustellen, dass nahezu jeder eine feste Meinung zu haben schien, zumindest nach dem Eifer zu urteilen, mit dem jeder eine vertrat. Und so geschah, was häufig geschieht, wenn eine fremde Kultur als Thema das Gespräch bestimmt: es entfaltete sich ein breites Panorama an Meinungen, von der Ablehnung des Fremden, von Warnungen, ja nahezu Drohungen mit den „Geißeln“ und Gefahren, denen man sich ausliefere bis hin zu von Neugier geprägten Verlockungen, die auch als Versprechen verstanden werden können, Einmaliges und Faszinierendes zu erleben. Jeder hatte zumindest etwas über Indien gelesen oder auch entsprechendes Bildmaterial gesehen.

Aber für einige der Freunde war Indien mehr, es war eine Welt zwischen Weisheit und Wesenheit, die sie aus Büchern konstruierten. Vor allem solcher aus einer Buchhandlung in Buenos Aires: Kier8. Mit ihr und durch sie kommt eine weitere, ja, es kommen vielleicht gleich mehrere Perspektiven der interkulturellen Betrachtung hinzu. In welcher Form und mit welchem Tenor wurde von jenem (für einen Europäer) so entfernten Ende der Welt ein Blick auf den anderen Teil des Globus, auf Indien geworfen?

Buenos Aires ist eine Stadt der Buchhandlungen, und ihr Überleben spricht eine deutliche Sprache über die Lesegewohnheiten ihrer Einwohner. Welche der dort erworbenen Bücher hatten Coras Indienbild geformt, und inwiefern unterschied es sich von meinem? Inwiefern ist für die beurteilende Einschätzung einer Kultur die Perspektive wichtig, aus der die Betrachtung erfolgt? Wie oft traten solche und ähnliche Überlegungen im interkulturellen Gespräch in den Vordergrund?

Allmählich wuchs unsere Sensibilisierung für das Verhältnis Betrachter-Standpunkt (Perspektive) und Betrachtungsgegenstand. Später, als wir in Indien lebten, kamen wir oft und gerne auf diese Gespräche in der argentinischen Hauptstadt zurück.

7 – Etliche Jahre später war mir die interkulturelle Fragestellung viel klarer geworden: Im März 1991 veranstaltete ich in Neu Delhi die internationale Konferenz „ Judging An Other Culture“ mit den herauszuarbeitenden Themen: Judgement Without Understanding, Understanding Without Judgement, Judgement With Understanding und auch The Past As An Other Culture.

8 Librería Kier, ‘Libros, venta de libros, libros para la mente y el espíritu’ (Bücher für Verstand und Geist)

Indien denkt anders - eine interkulturelle Begegnung

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