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Wenn unser Denken uns „benutzt“

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Wir Menschen sind stolz auf unsere Fähigkeit zu denken. Es ist sicherlich richtig, dass wir erstaunlich fähige Geschöpfe sind, die sich immerhin die Zukunft ausmalen, geniale Maschinen erfinden, wundervolle Musik komponieren, großartige Kunstwerke schaffen und majestätische Gebäude errichten können. Stärker jedoch, als wir unser Denken zum Erschaffen dieser Wunder nutzen, werden wir die meiste Zeit von unserem Denken benutzt. Urteile, Meinungen und Glaubenssätze, die wir unhinterfragt übernehmen, bewirken, dass wir als Einzelperson und im Kollektiv (Gruppen, Unternehmen, Religionsgemeinschaften, Nationen) in Stolz, Angst, Abwehrhaltungen oder aggressives Verhalten verfallen.

Ich spreche davon, dass wir von unserem Denken „benutzt“ werden, weil wir unseren Gedanken glauben und uns mit ihnen identifizieren, ohne vorher zu fragen: „Kann ich wirklich wissen, dass das, was ich gerade denke, wahr ist?“ Wir werden von unserem Denken benutzt, weil es uns ständig mit unserem Leben in Konflikt bringt. Wir stimmen dem Leben, so, wie es ist, nur selten zu. Stattdessen „sagen“ wir ihm ständig, wie es zu sein hat. Wir lieben unseren Intellekt, sehen dabei aber nicht, dass wir ihn viel stärker dazu einsetzen, das, was uns Angst macht, zu kontrollieren, als ihn als Bewusstseinszustand für das Verstehen des Wunders unserer Existenz zu nutzen. Wir werden von unserem Denken benutzt, weil die Ängste, die in unserer Vorstellung existieren, und die Verteidigungsmaßnahmen, die wir (durch unser Denken) zu unserem Schutz erfinden, uns nicht nur häufig in eine feindliche Beziehung zu anderen Menschen bringen, sondern uns vor allem der Natur entfremden.

Vielleicht der größte und bedauerlichste Beweis dafür, dass unser Denken uns benutzt, statt dass wir diese wunderbare Eigenschaft des Verstandes einsetzen, besteht darin, dass wir genau das Biosystem schädigen, von dem unser Leben und das vieler anderer Lebensformen abhängt. Das Artensterben schreitet in einem alarmierenden Tempo voran. Wir sind die Quelle dieser Zerstörung und wir wissen es auch. Dennoch fällt es uns schwer, mit unseren Gewohnheiten zu brechen – und tatsächlich die Art und Weise zu ändern, wie wir über uns selbst, über andere und die Welt denken.

Es ist eine traurige Tatsache, dass wir es nicht gelernt haben, wirklich bewusst, gewahr zu sein und somit die Realität zu hinterfragen, die unser Denken erschafft. Uns ist nicht klar, dass wir die Verantwortung für unsere Gedanken übernehmen und herausfinden müssen, ob sie wirklich wahr sind. Erst dann können wir diejenigen Gedanken beiseitelegen, die lediglich Meinungen oder Vorurteile darstellen, oder uns zumindest bewusst machen, dass sie das sind. Wir bemerken meist nicht, dass die meisten unserer Gedanken letztendlich Wertungen sind und dass das Entscheidende an jedem Urteil (wie wir später noch sehen werden) das Gefühl ist, das es in uns hervorruft.

Letzten Endes ist das Problem beim Denken nicht nur, dass Sie Ihren Gedanken glauben, sondern dass Sie Ihre Identität – ihre Eigenwahrnehmung – auf ihnen aufbauen. Es ist die Identifikation mit dem, was Sie sich über sich selbst „erzählen“: dass Sie ein guter Mensch seien (oder auch nicht), eine liebenswerte Person (oder nicht), ein kluger Kopf (oder nicht) und so weiter. Und daraus bildet sich dann tatsächlich das, was Sie zu sein glauben. Dieses aus der Vorstellung entstandene Selbst ist das Ego.

Das Ego ist kein Wesen und es ist nicht real wie beispielsweise Ihr Körper. Es ist eine Form der Informationsverarbeitung, die zu der falschen Annahme führt, dass Sie ein getrenntes Selbst seien. Auf der Ebene des Ego kommt Ihnen nie in den Sinn, dass Sie auch das sind, was all diese Gedanken wahrnehmen kann – gewahr all der Möglichkeiten, wie Sie (als Ego) Ihre Wahrnehmungen und Gefühle interpretieren. Anders gesagt: Als Ego glauben Sie, auf der Außenseite zu stehen, getrennt vom Leben und von allen anderen, anstatt sich als Teil eines höheren (wenn Sie so wollen: göttlichen) Ganzen zu sehen.

Wir wollen uns hier jedoch nicht so sehr auf das große Problem des Ego oder des Denkens konzentrieren. Es geht stattdessen darum, sich bewusst zu machen, wie Sie sich mit Ihren eigenen Gedanken jeden Tag unnötig selbst Schmerz zufügen. Sie leiden nämlich aufgrund der Gedanken, die Sie über sich selbst und die Situation haben, und nicht aufgrund dessen, wer Sie sind oder wie die Situation tatsächlich aussieht.

Ich möchte damit keinesfalls abtun, wie schwach, müde und miserabel man sich fühlen kann, wenn man krank ist. Ich leugne nicht den Schmerz, die Trauer und die Angst, die häufig mit der Diagnose einer schweren Krankheit oder Verletzung einhergehen. Auch den Schmerz, den eine Scheidung oder ein Verlust hervorrufen kann, möchte ich keinesfalls bagatellisieren. Solche Zeiten fordern uns aufs Höchste heraus (und damit auch all jene, die uns lieben). Was ich Ihnen klar machen möchte, ist, dass Sie wesentlich mehr Einfluss auf den Grad Ihres Leidens haben, als Ihnen bewusst ist. Vielleicht fühlen Sie sich im Moment noch nicht in der Lage, diese Kraft zu nutzen. Aber Sie werden es im Verlauf der Lektüre dieses Buches lernen und es wird Ihr Leben von Grund auf verändern.

Die Kraft der Präsenz

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