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Mirhat Balık

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Zu seinem Glück wurde Ahmet ins Zivilgefängnis von Bayrampaşa verlegt. Dort blieb er auch nach dem Urteilsspruch. Fünf Jahre hatte er ausgefasst. In Bayrampaşa wurde wenig gefoltert. Zu Beginn war er öfter geschlagen worden. Andere Genossen landeten in Gaziantep, İzmir und Metris. Dort wurde systematisch gefoltert. In den Militärgefängnissen nach dem Putsch von 1980 kam niemand mehr der Marter aus. Was allerdings zu dieser Zeit und vor allem später in den 1990er-Jahren im Gefängnis der 5. Abteilung in Diyarbakır im Osten des Landes mit den Häftlingen geschah, das überstieg Ahmets Vorstellungskraft, und vermutlich geschieht es noch immer.

Dass die Gefängnisleitung in Bayrampaşa auf systematische Folter verzichtete und kaum sadistisches Personal anstellte, hieß aber mitnichten, dass man dort ohne Gefahr lebte. Mit regelmäßigen Hungerstreiks fügten sich die Genossen lebenslange gesundheitliche Schäden zu.

Die Kriminellen fürchteten die Politischen wegen ihrer Organisation und Unerschrockenheit. Aber verirrte sich mal ein verlorenes Schäfchen im Gefängnishof in falsche Gesellschaft, konnte es leicht sein, dass man es schlug, ausraubte oder vergewaltigte. Der Respekt dieser Halunken vor den Politischen war deren Schutz, denn der Ruf ihrer Taten und die völlig unverständliche Tatsache, dass sie diese Taten nicht irgendeines Gewinns willen außer dem einer besseren Gesellschaft vollbrachten, eilte ihnen ins Gefängnis voraus. In Wirklichkeit waren sie allesamt durch die Prügel der Untersuchungshaft eingeschüchterte Jungs, die Bürgerlichen weich und verzweifelt, die härteren Arbeiter- und Bauernjungs chaotisch und desorganisiert. Es dauerte, bis aus ihnen, den unversöhnlichen Konkurrenten aus Dutzenden linken Splittergruppen, ein Block wuchs, und ihr verdientester Anführer, das war Mirhat Balık.

Mirhat Balık war ein Monster und der edelste Kizilbasch zugleich. Er hatte in der Schlacht vom 1. Mai an vorderster Front gekämpft, ein kleiner drahtiger Kurde aus Erzurum. Liebenswürdig, hilfsbereit, politisch unendlich naiv, aber ein meisterlicher Organisator. Hatte er, Ahmet Arslan, je intellektuelle Arroganz gegenüber den ungebildeten Genossen verspürt, spätestens mit Mirhat Balıks festem Händedruck war die aus seinem Körper gefahren. Mirhat Balık hatte ihm das Leben gerettet.

Bald hatten die Kriminellen die Schwäche vieler Politischer erkannt. Manche von ihnen, vor allem die Bürgerlichen, erlagen der romantischen Anziehungskraft der Gauner, Zuhälter und Mafiosi und begannen für sie zu arbeiten. Zudem kamen alte Animositäten zwischen den rivalisierenden politischen Zellen hinzu. Einen Jungen aus Mardin, der wie Ahmet bei Dev-Yol organisiert war, hatten ein paar Messerstecher im Gefängnishof so sehr verletzt, dass er wenige Tage später starb.

Einer der Unterbosse hatte ausgerechnet an Ahmet Gefallen gefunden und um ihn geworben. Ahmet hatte ihm dann bei einer seiner Avancen die Nase eingeschlagen und war davongelaufen. Eines Tages schickte man ihn mit einem Brief in den Trakt der Kriminellen, den er an einen Boss übergeben sollte, den sie Padişah nannten. Plötzlich sah sich Ahmet von einer Bande lüstern grinsender und ihre Messer zückender Häftlinge umringt. In diesem Augenblick fuhr wie ein Blitz Mirhat Balık dazwischen. Ahmet versuchte sich immer wieder diese Szene ins Gedächtnis zurückzurufen, doch war damals alles so schnell gegangen, dass sich auch so viele Jahre später eine logische Abfolge schwer rekonstruieren ließ. Mirhat Balık hatte vier Männer zu Boden gestreckt, einen in den Schwitzkasten genommen und seinen Kantinenlöffel in dessen Kehle gedrückt. Er hatte Ahmet gerufen, zu ihm rüberzukommen, und den anderen befohlen, in ihren Trakt zu verschwinden. Auch ohne diese Geisel hätten die Kriminellen den Rückzug angetreten. Mirhat Balık war tags zuvor aus Gaziantep nach Bayrampaşa verlegt worden, und diesem glücklichen Umstand verdankte er sein Leben.

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