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Sabiha Gökçen Airport
ОглавлениеSabiha Gökçen – Leitstern weiblicher Emanzipation.
Sabiha Gökçen – die erste Frau in der Türkei, die ein Flugzeug flog.
Sabiha Gökçen – die erste Frau in der Türkei, die zur Kampfpilotin ausgebildet wurde.
Sabiha Gökçen – die erste Frau in der Türkei, die aus der Luft Kurden tötete.
Ihre ersten Einsätze flog die Ziehtochter Kemal Atatürks gegen kurdische Dörfer während der Dersim-Massaker 1937 und ’38. Im Jahr 2004 erbrachte der Journalist und Menschenrechtsaktivist Hrant Dink den Nachweis, dass sie aus einer armenischen Familie stammte, die den Massakern von 1915 zum Opfer gefallen war. Drei Jahre zuvor war der neue İstanbuler Flughafen im Osten der Stadt nach ihr benannt worden.
Ahmet Arslan stand an einem Apriltag des Jahres 2008 vor der Passkontrolle. Er hatte die Wahl gehabt zwischen drei Kabinen. In der ersten saß eine junge Beamtin mit hochgesteckten Haaren, in der zweiten ein Mann mit dunklem Bartschatten – beide trugen die respekteinflößende Unnahbarkeit ihres Amtes zur Schau. Doch suchten sie nur selten auf dem Bildschirm nach Verdachtsmomenten. Warum hatte sich Ahmet Arslan ausgerechnet in die dritte Reihe gestellt, die von einem mürrischen Polizisten mit harten Gesichtszügen abgefertigt wurde? Trotz war es. Gepaart mit dem Versuch, seiner Angst die härteste Prüfung zu gönnen. Er dachte: Du bist Bauer, ich bin Bauer, lassen wir es darauf ankommen. Zudem hat die Bürokratie bekanntlich kein Gesicht. Gelangweilt winkte der Beamte die Leute in der Reihe durch, deren letzter Ahmet Arslan war. Ahmets Hochmut fiel wie ein Schleier von ihm, als der Beamte seinen Pass prüfte. Nicht einmal den üblichen Abgleich zwischen Foto und Gesicht, der auch Unbescholtene nervös macht, ließ er Ahmet angedeihen. Er tippte bloß eifrig in die Tastatur und verglich die Daten des Passes mit denen des Bildschirms, über welche Ahmet dunkle Ahnungen hatte.
Der Beamte stand auf und verließ die Kabine. Ahmets Herz begann zu rasen. Der Beamte kam zurück und befahl ihm, sich an den Schalter 47 zu wenden, es gebe ein Problem.
Ahmet trippelte zu jenem Schalter 47, in dem die Vorgesetzten der Passkontrolleure Zweifelsfälle behandelten. Auch sie kamen ihm zivilisierter vor als die türkischen Beamten seiner Erinnerung. Doch was heißt das schon. Nervös schob Ahmet ein Dokument, das er aus seinem Rucksack geholt hatte, in die Durchgabemulde.
Hören Sie, fuhr Ahmet einen kleinen Polizisten mit Bürstenhaarschnitt an, hier haben Sie die Bestätigung des Innenministeriums über die Aufhebung des Einreiseverbots.
Der junge Polizist musterte Ahmet mit einem Anflug von Amüsement. Er sah den Schweiß auf Ahmets Stirn. Und ließ ihn, um den Augenblick noch ein wenig auszukosten, mit der Antwort warten.
Nein, nein, sagte er schließlich, das geht schon klar. Keine Sorge, Herr Arslan. Ein Formfehler bloß, das passiert immer mit diesen österreichischen Pässen, das System erkennt sie nicht, weil auf den Visa das P vor der Passnummer fehlt. Immer derselbe Mist.
Er reichte ihm den Pass mit einem freundlichen Lächeln und hieß ihn willkommen in der Türkei.
Ahmet schämte sich bei der Gepäckabholung ein wenig, weil er den kleinen Beamten am liebsten umarmen wollte, und mit ihm diese ganze neue zivile Türkei, die ihm zunächst solch eine Angst eingejagt hatte, nur um damit zu prahlen, dass sie nicht mehr die alte war, dass sie nicht mehr das Land war, das er vor 28 Jahren verlassen hatte. Durfte er dieser alerten, gut gelaunten Service-Türkei trauen?