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Gleichgültigkeit

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Doch nicht nur eine schleichende Sinnkrise ist die Folge des inneren Kontaktverlustes und der damit einhergehenden Selbstentfremdung. Auch unsere natürliche Fähigkeit zu Empathie und Mitgefühl werden eingeschränkt. Je stärker wir in eine funktionale Welt eintauchen, desto weniger sind wir in Kontakt mit unseren Gefühlen und unserem Herzen. Wir spüren uns selbst nicht mehr richtig und genauso stumpfen wir auch gegen die Belange von anderen ab.

Die Folge ist eine innere Neutralität, in der wir bestens funktionieren und Ziele verfolgen können, bei der aber gleichzeitig unser Lebensgefühl abflacht und uns Situationen und Menschen nicht mehr tief berühren. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich diese scheinbare Neutralität als eine innere Gleichgültigkeit, die uns nach außen hin abschottet. Alles, was nicht unseren unmittelbaren Interessen dient, wird dabei aussortiert und geht uns folglich nichts mehr an.

Nur so lässt es sich erklären, wie es möglich ist, dass die Menschheit wider besseres Wissen weiterhin in unverantwortlicher Weise die Natur ausbeutet und damit viele Arten und sogar langfristig sich selbst bedroht. Oder wie lässt es sich sonst verstehen, dass unsere Gesellschaft oft so herzlos und gleichgültig mit der Not von Flüchtenden umgeht? Wie wenig sind wir doch bereit, unseren Reichtum zu teilen? Mit einem offenen Herzen, das interessiert am Schicksal anderer ist und empathisch mitschwingt, ist es nicht möglich, kühl und scheinbar sachlich kurzfristige Ziele und Eigeninteressen zu verfolgen, ohne dabei nach links und nach rechts zu schauen.

Wieder müssen wir uns vergegenwärtigen, dass diese Dynamik kein persönliches Problem Einzelner, sondern ein kollektives Geschehen ist. Der Kontaktverlust und die Funktionalität, die mit der Alltagsrealität einhergehen, entfremden uns grundsätzlich von einer fühlenden Aufmerksamkeit. Je stärker und je länger wir vom Funktionieren vereinnahmt sind, desto deutlicher machen sich Gefühle von Abflachung, Neutralität, Gleichgültigkeit, Desinteresse und innerer Verhärtung breit.

Natürlich hat der einzelne Mensch die Möglichkeit, aus dieser Dynamik auszusteigen und das Herz wieder über das Denken und Funktionieren zu stellen. Dies benötigt aber meist eine große Bewusstheit. Im Gegensatz dazu schleicht sich die kollektive Dynamik einer zunehmenden Identifizierung mit der Alltagsrealität und der damit einhergehenden Gleichgültigkeit von selbst immer wieder ein und legt fast unmerklich einen unsichtbaren Schleier der Fühllosigkeit und der Neutralität über unser Leben.

Zwischen Zeit und Ewigkeit

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