Читать книгу Slow Dancing In A Burning Room - Rika Mayer - Страница 7
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ОглавлениеAgneta saß in der Küche und blätterte in einer Zeitschrift, als Linnea müde und erschöpft nach Hause kam. Obwohl sie einen Bürojob hatte, fand sie es zunehmend anstrengend, ihn auszuüben. „Hej, Linn.“ „Hej, Mamma.“ Sie zog einen Stuhl zurück und ließ sich ächzend darauf fallen. „Wie hast du es geschafft, einen ganzen Arbeitstag zu überstehen, als du schwanger warst?“ „Ich hatte damals keinen Job.“ „Oh…“ Das hatte sie nicht gewusst. „Möchtest du was zu trinken?“, erhob Agneta sich und ging zum Kühlschrank. Linnea nickte. „Ja, danke. – Wo ist Erik?“ Kaum dass sie es gesagt hatte, hätte sie sich dafür ohrfeigen können. Ihre Mutter sah etwas nachdenklich aus, vielleicht hatten sich die beiden getrennt. Nicht, dass es Linnea besonders überraschen würde, aber keiner hatte sich so lange gehalten wie Erik und sie hatte sich irgendwie an ihn gewöhnt. „Er ist zu Hause“, nahm Agneta jedoch eine Packung Apfelsaft aus dem Kühlschrank und stellte sie neben der Spüle ab, um Gläser aus dem Schrank zu holen. „Wir sehen uns nicht jeden Tag, wir haben unsere eigenen Leben.“ Sie füllte die Gläser und kam dann zu ihrer Tochter zurück. „Natürlich“, nickte diese. „Ich wollte nicht…“ „Wie geht es Albin?“, kam die zu erwartende Gegenfrage und Linnea nippte an ihrem Saft. „Erm… Gut. Sehr gut, danke.“ „Er kommt doch am Wochenende vorbei, oder? Erik bräuchte jemanden, der ihm im Garten hilft. Die Hecke hält dem Schnee nicht mehr lange Stand.“ Linnea nickte langsam. „Ja, er kommt Freitag gleich nach der Arbeit.“ „Gut dass du das sagst“, nickte Agneta, „dann können wir noch einkaufen gehen. Erik hatte noch keine Zeit.“ „Morgen Nachmittag, wenn ich aus dem Büro komme?“ „Perfekt.“ Sie stand auf und ging zur Spüle zurück, um ihr Glas aufzufüllen, das noch fast voll war. Etwas beschäftigte sie sichtlich und Linnea kam nicht umhin sich zu sagen, dass es zu früh gewesen war, ihr das von Albin und sich zu erzählen.
„Wo wir gerade von Albin sprechen“, drehte Agneta sich dann ruckartig wieder um und Linnea sah auf. „Ich habe ehrlich versucht, mich nicht einzumischen, aber es geht nicht.“ Sie kam zurück zum Tisch, schlug eine Seite in dem Magazin auf und schob es ihrer Tochter hin. Es war eine Werbekampagne für Dior Homme Parfüm und Haydn Cavendish zeigte sich darauf in äußerst provozierender Pose mit einer halbnackten Frau auf seinem Schoß. Linnea schluckte schwer. Verdammt, sah er heiß aus. Aber sie wusste, dass es hier nicht darum ging. Sie hatte es immer gefürchtet und doch immer gewusst, dass es unvermeidlich war. Agneta hatte damals fast augenblicklich wieder das Haus verlassen und seither war dieser Tag über ihnen geschwebt und hatte nur darauf gewartet, aufgeklärt zu werden. Keine Mutter der Welt hätte das Geschehene einfach so hinnehmen können.
„Wieso war Haydn Cavendish in meiner Küche?“ Linnea wusste, was sie eigentlich fragen wollte, war ihr aber dankbar, dass sie es nicht aussprach. Es hätte ihr die Antwort um so vieles erschwert. „Mamma, ich glaube nicht, dass ich dir das wirklich erklären kann“, seufzte sie und nahm einen großen Schluck, um den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Aber er blieb. „Versuch es“, erwiderte Agneta. „Denn ich fürchte, das übersteigt alles was ich an Vorstellungskraft habe.“ „Mamma…“ „Das war keine einmalige Sache, habe ich Recht?“ Linnea schluckte erneut und seufzte kopfschüttelnd. „Wir treffen uns gelegentlich.“ Wo war Haydn wohl gerade? Im Studio? Vor der Kamera? In einem Schlafzimmer? Er war jedenfalls nicht hier und konnte ihr nicht helfen, aus dieser Situation herauszukommen, an der er genauso Schuld hatte wie Linnea.
„Was heißt das?“, war Agneta wenig zufrieden mit Linneas Antwort. „Du triffst dich mit ihm? Um Sex zu haben? – Linn, Kind, sagst du mir gerade, dass du eine seiner Frauen bist, die er über den ganzen Erdball verstreut hat?“ Ihre Stimme war aufgebracht und Linnea wurde auf ihrem Stuhl etwas kleiner. Was sollte sie denn sagen? Konnte sie jetzt auch lügen? Konnte sie in wenigen Sekunden eine Lüge aus dem Ärmel schütteln, die Agneta zufrieden stellen würde? „Wie kannst du nur, Linn?“, schüttelte Agneta den Kopf als keine Antwort kam. „Wie kannst du dich so billig verkaufen?“ All die Aufregung darüber, dass sie ihre Tochter mit einem Star angetroffen hatte war mit der Zeit abgeklungen und in Unverständnis übergegangen. Immerhin war es nicht irgendein Star gewesen, sondern Haydn Cavendish, dessen kleines schwarzes Telefonbuch dicker war als die Bibel. „Hast du das wirklich nötig?“, stieß sie hervor und deutete auf das Foto in der Zeitschrift. Es war fast als würde es sich über alles lustig machen, was Linnea ihrer Mutter über ihn klarmachen wollte. „Mamma…“ Es tat weh! Aber Agneta würde es nie verstehen. Sie war nicht dabei, wenn er ihr die Welt versprach. Wenn er sie im Arm hielt, sie küsste, ihr Baby in den Schlaf summte… Und die Tatsache, dass ihre Mutter sie gerade als eine Hure bezeichnet hatte, machte die Sache so überhaupt nicht besser.
„Linn“, legte Agneta ihre Hand auf Linneas in dem Versuch sie zu beschwichtigen. „Ich weiß ich habe selbst oft genug gesagt, dass ich ihn nicht von der Bettkante stoßen würde, aber meine Tochter ist eine viel zu anständige junge Frau, um sich auf sein Niveau herab zu lassen.“ „Du weißt doch gar nicht wovon du redest, Mamma!“, zog Linnea ihre Hand zurück. „Er ist nicht so ein Arsch wie du denkst!“ „Dass du so denkst, sagt doch schon…“ „Ich kenne ihn, Mamma!“, schnitt sie ihr harsch das Wort ab. „Ich kenne ihn.“ Sie kannte ihn und sie kannte ihn gleichzeitig überhaupt nicht und deswegen war es so schwer, ihn zu verteidigen. „Er ist vielleicht ein bisschen kompliziert, aber er ist auch liebevoll und zärtlich und…!“ Als sie den Blick ihrer Mutter sah, brach sie plötzlich ab. Für den Bruchteil einer Sekunde war Agneta überrascht, dann gewann sie ihre Fassung zurück. „Wie lange kennst du ihn denn, um so etwas sagen zu können?“, fragte sie kopfschüttelnd. Das arme Kind war doch übergeschnappt. „Fast fünf Jahre!“, schnaubte Linnea zurück. War es tatsächlich schon so lange her? Damals war er ja tatsächlich fast noch ein Kind gewesen, das unzählige Dummheiten im Kopf hatte. Und sie war eine junge Frau mit Komplexen und einem Freund gewesen, die Angst davor gehabt hatte, sich jemals wirklich binden zu müssen. Und nun saß sie vor ihrer Mutter und versuchte zu rechtfertigen, dass sie sich jeden Tag psychisch quälen ließ, weil sie ihn nicht aus dem Kopf bekam und er das so gar nicht teilte.
„Oh, Linn, du willst doch nicht sagen, dass du ihn in einem Interview wirklich kennen gelernt hast?“, schüttelte Agneta den Kopf. „Das ist ewig her und jeder weiß, dass er es mit der Wahrheit nicht besonders genau hält.“ Dieses eine Mal angeblich doch mehr als jeder zu wissen glaubte. „Mamma, wir kennen uns seit fünf Jahren“, gab Linnea auf. Es hatte keinen Sinn eine Lüge schön zu reden. Jetzt nicht mehr. „Und das zwischen uns geht seit vier Jahren. Ich kenne ihn besser als du dir vorstellen willst.“ Die Knotenpunkte in Agnetas Gehirn begannen zu rechnen und ihre Augen wurden immer größer, je näher sie der Wahrheit kam. Der Wahrheit die da war, dass ihre Tochter eine Affäre gehabt hatte, während sie mit ihrem Freund unter einem Dach gewohnt hatte. Die Wahrheit die besagte, dass ihre eigene Tochter sie jahrelang belogen hatte. Die einzige Wahrheit die ihr noch entging war jene, dass Linnea ihren Freund erneut betrog. Denselben Freund. Und zwar mit ihrem Ehemann. Nur das wusste Agneta noch nicht und Linnea würde lieber sterben, als ihr das zu gestehen.
„Ja genau“, sprang Linnea dann plötzlich auf, die nicht mehr die Geduld hatte zu warten, bis Agneta zu den richtigen Schlüssen gekommen war. Warum sollte sie? Es war alles wahr und sie schämte sich nicht im Geringsten dafür. „Ich bin eine billige Hure, die dem falschen Charme eines Casanovas erlegen ist, für den Frauen Einwegprodukte sind! Ich habe meinen Freund betrogen und lasse mir Flüge bezahlen, um mich durchficken zu lassen!“ Endlich, endlich, endlich! Verdammt, es tat so gut, das alles endlich zu sagen. Auszusprechen. Loszuwerden. „Aber du, du hast dich jahrelang durch die Betten von Männern geschlafen, die meine Brüder hätten sein können – meine kleinen Brüder. Und ich habe nie etwas gesagt!“ „Du hattest auch nichts zu sagen. Das war meine Angelegenheit.“ „Und das hier ist meine! – Du solltest doch eigentlich stolz auf mich sein: Ich habe mir einen jüngeren Mann geangelt, der Geld hat – und den du anhimmelst.“ „Du hast dir überhaupt niemanden geangelt, du hast dich angeln lassen. – Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.“ „Nein, der einzige Unterschied ist, dass du dich nie von einem von den Jungs hast schwängern lassen!“