Читать книгу Slow Dancing In A Burning Room - Rika Mayer - Страница 8
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ОглавлениеEs war wahrscheinlich nicht die originellste Idee, nach London zu ziehen, um ein Album aufzunehmen, aber Toningenieur Sam McKay Kelly war in ihren Augen der Beste für den Job – und er war nunmal in England. Er hatte ihnen schon bei ihrem ersten Album den Weg gezeigt und die Band war sich bewusst, dass das hier ihr schwerstes Album werden würde – aber es konnte daher auch ihr bestes werden und deshalb brauchten sie den Besten.
Während Ian sich mit seiner Frau und Bobby und Barclay sich mit ihren Freundinnen in drei Studioapartments in der Nähe des Studios einmieteten, zogen Lafayette und Layla zum ersten Mal in die Wohnung, die sie sich erst zwei Monate zuvor gekauft hatten. Layla hatte darauf bestanden, da sie nicht gerne flog und so zumindest nicht ständig den Atlantik überqueren musste, wenn Lafayette auf Tour in Europa war. Es war die erste von vielen kleinen Gesten die Lafayette zu verstehen geben sollten, dass auch Layla sich irgendwie, irgendwo, irgendwann vorstellen konnte, ihm treu zu werden – so viele Witze sie auch jetzt noch darüber machte. Haydn hingegen zog ganz selbstverständlich in seine alte Wohnung und ging am ersten Abend die wenigen Schritte hinüber zu dem alten Speicher, dessen Wände voller Skizzen und Farbspritzer war. „Oh, look at what the cat dragged in“, sah Devon von ihrer Leinwand auf und musterte den jungen Mann der das Tor hinter sich schloss. „Good to see you too, White“, drehte er die Musik etwas leiser. „Was verschafft mir die Ehre?“, wischte sie ihre Hände in ihrem Mantel ab und ließ sich hochziehen. „Tut mir leid“, gab Haydn ihr einen sanften Kuss. „I’ve been alienating many people lately.“ „Eine Postkarte hier und da wäre nett gewesen”, sah sie auf ihr Werk hinunter und begann dann, ihre Pinsel einzusammeln. „Dafür kriegst du mich jetzt für eine ganze Weile“, reichte Haydn ihr ihre Palette. „Wir haben das Studio bis Mai.“ „Glory Days!“, steckte sie die Pinsel in eine Terpentinlösung und knöpfte ihren Mantel auf. „Is there any point in asking if you’re hungry?“ „Nein, nicht wirklich”, warf er einen flüchtigen Blick in den kleinen staubigen Spiegel über dem Waschbecken und rieb sich die Nase. „Okay“, zuckte sie die Schultern. „Dann werde ich nicht fragen.“ „Ha-ha. – You know you can always eat, I like watching you.“ „You are creepy.“
Obwohl es kein einfaches Album war und man zwischen den Aufnahmen Tourdaten abzuhaken hatte, verliefen die Aufnahmen überraschend gut. Abgesehen von dem einen oder anderen Streich, den sich jemand nicht verkneifen konnte. So war auf einer eigentlich abgeschlossenen Version des Titelsongs plötzlich Jodeln zu hören oder Ians Violine war plötzlich falsch herum bespannt. Haydn fand heraus, dass man seine Stimme einen ganzen Nachmittag durch den Verzerrer aufgenommen hatte und Bobbys Sticks waren mit Honig beschmiert. Irgendwie musste man ja verhindern, dass man alt wurde.
An den Abenden an denen sie früh genug nach Hause entlassen wurden, um nicht im Studio trinken zu müssen, trafen sie sich in diversen Bars und Restaurants und waren vielleicht ein bisschen zu laut, ein bisschen zu kanadisch, tranken ein bisschen zu viel und trällerten hin und wieder ein Lied. Auch wenn es London war, man konnte auch als Star hier in der Anonymität der unzähligen Pubs untertauchen und mit den anderen Betrunkenen am Gehsteig rauchen. Da sie alle in verschiedenen Richtungen wohnten, verließen sie die Trinkstätten zu verschiedenen Zeiten und erschienen am Morgen unterschiedlich aufgeweckt und hatten keine Ahnung, wie man das jeweilige Instrument zu halten hatte. Nicht, dass sich ein Profi wie Sam davon gestört fühlte. Es war ein Übel, aber ein Übel mit dem er zu arbeiten gelernt hatte.
Es war vielleicht auch das umstrittenste Album innerhalb der Band. Zu ernst, zu persönlich. Wollte Haydn wirklich mit solchen Texten an die Öffentlichkeit? Wusste er denn nicht, was ihm dann ins Haus stehen würde? Doch Haydn schüttelte alle Sorgen einfach ab. Er hatte sich bis jetzt auch immer über alle Verdächtigungen hinweg reden können. Aber natürlich würde er niemals laut zugeben, wie wichtig ihm dieses Album war. Es war eine Art Selbstverwirklichung, eine Art Selbstbefreiung. Doch noch konnte nicht einmal er wissen, dass die wirklich guten Texte noch nicht geschrieben worden waren und den ganzen Zeitplan durcheinander bringen würden.
Nichts desto Trotz waren sich alle einig, dass es ein fantastisches Album werden würde. Die Musik war intensiv und eine Herausforderung an die Band und die Fans und die Texte waren gut genug um in einem Seminar auf der Universität studiert und analysiert zu werden. „Ich hoffe ja nur, dass das unsere Fans nicht zu sehr vor den Kopf stößt“, äußerste Anthony dennoch jeden Tag aufs Neue seine Bedenken, wenn er den aufzunehmenden Song aus seiner Mappe zog und auf dem Mischpult ausbreitete. Er ließ es sich nicht nehmen, regelmäßig bei seinen Schützlingen vorbei zu schauen und ihren Aufnahmetag durcheinander zu bringen. Nicht, dass ihm das schwerfallen würde, Agents Provocateurs waren sicher alles andere als organisiert und er musste eigentlich eher einen Ablauf in die Vorgänge bringen als ihn zu stören.
Die fünf Jungs saßen meist auf dem Boden des Studios und rauchten, während sie über einem Arrangement brüteten. Auch wenn die Musik Haydns Hirngespinst war, durfte doch jeder mitspinnen und meistens entstanden die Akkordfolgen erst direkt auf diesem Boden, regelmäßig mit Zigarettenasche und Bierflecken unterschrieben. Wenn der Rauch zu dicht wurde, gingen sie dann nach draußen und kickten die Bierdosen über den Hof oder benutzen sie als Baseballbälle. Sams Cricketschläger war bestens dafür geeignet und Haydn bekam davon ein Cut auf der Unterlippe, Ian ein aufgeschrammtes Knie und Bobby renkte sich fast den Arm aus.
An manchen Tagen wurden sie auch wegen guter Führung entlassen und durften sich einen ganzen freien Tag in der Stadt herumtreiben. Oder schlafen – oder was Rockstars sonst noch so machten, wenn sie sich außerhalb des Business bewegten. Haydn liebte diese Tage an denen er in der National Gallery sitzen konnte und Waterhouses „Lady of Shalott“ so lange studieren konnte, bis die Aufseher skeptisch wurden; oder im St. James’ Park Tauben füttern und im Pavillon ein unsichtbares Orchester dirigieren; oder mit Devon in den Secondhandläden am Camden Market stöbern bis sie etwas gefunden hatten, das sie weder brauchten noch wollten, nur um es zu kaufen weil sie Mitleid damit hatten. Dasselbe hatten sie damals gemacht, als Haydn Devon das erste Mal dazu hatte überreden können, die Schule zu schwänzen und stattdessen den Zug nach London zu nehmen. Sie fanden diesen perfekten Laden, der sich auf die Fünfziger spezialisiert hatte und kleideten sich darin völlig neu ein. Alles war aufregend, spannend und sie wurden von der Atmosphäre der Stadt und ihrem eigenen Fantasiespiel gänzlich aufgesogen und natürlich versäumten sie ihre letzte Verbindung nach Hause. Aber anstatt so verzweifelt zu sein, wie man es von zwei Zwölfjährigen erwarten würde, die zum ersten Mal allein in einer großen Stadt waren die sie nicht kannten, taten sie das Nächstbeste: Sie spazierten die ganze Nacht über durch die Viertel und Parks – ganz wie im Film - und frühstückten bei Sonnenaufgang auf der Westminster Bridge – wo sie die Polizei fand und sofort zurück nach Liverpool transportierte.