Читать книгу Mord im Grandhotel - Rita Hampp - Страница 7
DREI
ОглавлениеLea fühlte sich so unsicher wie noch nie in ihrem Leben. Eine private Einladung von Kriminalhauptkommissar Maximilian Gottlieb zu einem Abendessen in dessen Wohnung mit Kostproben aus seinem Saxophon – das ging eigentlich nicht. Gut, es war eine Gegeneinladung für ihr Abendessen von vor knapp einem Jahr, aber jener Abend war streng genommen ein Arbeitstermin gewesen, ein Informationsgespräch zwischen Presse und Polizei. Hätten sie sich damals im Lokal getroffen, hätte sie den Abend von der Steuer absetzen können.
Aber heute gab es keinen beruflichen Anlass, aus dem der Leiter der Mordkommission die Polizeireporterin des Badischen Morgens hätte einladen können. Dieser Abend war rein privat. Viel zu privat.
Leas Schritte wurden langsamer, und das nicht etwa, weil sie nach dem Anstieg über die steile Friedhofstraße außer Atem war, auch nicht, weil es ihr zu warm geworden war in der Abendsonne, die die Häuser der Staufenbergstraße und die Streuobstwiesen unterhalb des Merkurberges in ein romantisches goldenes Licht tauchte und die Stadt unten im Tal in bläulichen Schatten hüllte.
Nein. Ihr war schlicht und einfach mulmig zumute. Wenn sie es sich ehrlich eingestand, mochte sie den kauzigen Kripochef. Sie hatten den gleichen Humor, die gleichen Interessen, den gleichen Arbeitseifer, und sie lebten beide seit Jahren allein. Schlimmer noch: Seit einem Jahr spürte sie ein leises Kribbeln in Bauch, wenn sie ihn sah. Das war gefährlich, denn es war nicht steuerbar. Dieser Abend würde womöglich in einem emotionalen Desaster enden.
Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht, aber das ging nicht, denn zu oft hatte sie den Termin schon verschoben, und Gottlieb hatte sich bestimmt Mühe gegeben. Sie konnte jetzt nicht kneifen, dafür war es zu spät. Sie wollte ihn auch gar nicht enttäuschen. Aber sie würde gleich zur Begrüßung klarstellen, dass er sich gar keine Hoffnungen zu machen brauchte. Sie war gern Single und wollte es auch bleiben. Keine Verwirrungen, keine schlaflosen Nächte, keine Ablenkungen. So sollte ihr Leben sein und bleiben. Langweilig, aber kontrollierbar. Wie seit dreiundvierzig Jahren.
Wie um sich selbst Mut zu machen, drückte sie viel zu lange auf den Klingelknopf, dann stieg sie mit leichtem Herzklopfen die schmale Stiege nach oben unters Dach.
Gottlieb empfing sie an der Tür. Er hatte sich ein Geschirrtuch wie eine Schürze in den Hosenbund gestopft, eine Serviette über dem Arm und zwei Sektgläser in der Hand. Für seine vierundfünfzig Jahre sah er richtig attraktiv aus, fand Lea, und ein kleiner, allzu bekannter Stich fuhr ihr in die Magengrube. Er war einen Kopf größer als sie, da konnte er die paar Gramm zu viel gut vertragen. Seine Haare waren in letzter Zeit genau wie sein gepflegter Vollbart grau geworden, was ihn paradoxerweise jünger und gelassener aussehen ließ – oder dichtete sie ihm das nur an? Seine braunen Augen blitzten freundlich hinter seiner runden Hornbrille, und sein Lächeln rann ihr vom Scheitel bis zur Sohle wie ein Strahl Ayurvedaöl.
Nur ein Abendessen! Es ist nur ein unverbindliches Treffen, redete sie sich verzweifelt ein, während sie gleichzeitig versuchte, ihre Knie daran zu hindern, einzuknicken.
»Du lieber Himmel, Frau Weidenbach«, sagte er und lachte leise. »Sie sehen aus, als seien Sie auf dem Weg zum Schafott! Ich garantiere Ihnen, es gibt heute kein Fastfood. Ich habe mir extra ein Kochbuch gekauft und mich genau an die Anweisungen gehalten. Außerdem dürfen Sie abschmecken. Nur Mut!«
Lea musste lachen. Im Morddezernat nannten sie ihren Chef »Big Mäx« wegen seiner Vorliebe für Hamburger. Jetzt war sie gespannt, was er für sie gekocht hatte! Sie nahm ihm das Glas ab und trank einen Schluck, während sie neugierig und erleichtert seine Wohnung betrat. Alle Bedenken stoben davon. Gottlieb war nett, und es würde ein interessanter, fröhlicher Abend werden. Nicht mehr und nicht weniger.
*
Drei Millionen! Marie-Luise saß wie betäubt auf dem Bett. Was sollte sie jetzt tun? Sie konnte eine solche Summe unmöglich im Zimmer lassen. Sie konnte so viel Geld aber auch nicht ins Krankenhaus mitnehmen oder zu sich nach Hause. Außerdem, wofür hatte Raphael es überhaupt gebraucht? Sie wusste, dass er oft Millionenverträge abschloss. Aber in bar? Nicht doch! In bar tätigte man keine ehrlichen Geschäfte dieser Größenordnung.
Egal. Sie musste das Grübeln verschieben. Erst musste sie ins Krankenhaus! Später würde Zeit genug sein, sich um das Geld zu kümmern. Wenn es sogar der geizige Raphael im Schrank verwahrte, konnte es noch ein paar Stunden dort bleiben. Sie legte die Bündel in den Koffer und schichtete sorgsam mehrere Kleidungstücke darüber, dann schloss sie den Deckel. So, das war zwar kein Safe, aber wenigstens konnte niemand rein zufällig auf den Inhalt stoßen. Dennoch wollte sie lieber auf Nummer sicher gehen und schleppte den Koffer zum Schrank, wuchtete ihn hinein und drapierte Raphaels Staubmantel darüber. Immer noch hatte sie größte Bedenken, das Geld hier zu lassen. Am liebsten würde sie Joseph bitten, den Schrank zu bewachen, aber er musste sie ja ins Krankenhaus fahren.
Schnell steckte sie die bereitgelegten Kleidungsstücke in die Sporttasche, hängte das Bitte-nicht-stören-Schild an die Tür, verschloss das Zimmer sehr sorgfältig und gab den Schlüssel nicht an der Rezeption ab, sondern behielt ihn in ihrer Handtasche, die sie fest an sich drückte.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie die Halle durchquerte, sich die Tür öffnen und die Reisetasche abnehmen ließ und endlich, endlich in Josephs Jaguar klettern konnte. Der Portier stellte die Tasche in den Kofferraum und gab ein Zeichen zur Abfahrt.
Das Innere des Wagens roch nach Josephs unaufdringlichem Aftershave, männlich und elegant zugleich. Sein weißer Schnauzbart zitterte leicht, als er flüsterte: »Stadtklinik, nicht wahr?«
Sie konnte nur nicken und schloss die Augen. Wieder wirbelten Erinnerungen durch ihren Kopf wie Fetzen eines Ohrwurms, den man nicht loswurde. Raphaels dritter Geburtstag, den er bei ihnen feierte und an dem er seinen ersten Fußball bekommen hatte. Die ersten Rollschuhe, das erste Fahrrad, seine Konfirmation, bei der sie zum ersten Mal erschrocken festgestellt hatte, wie schnell doch die Zeit verflog. Seine wilden Sturm- und Drangjahre, in denen sie sich große Sorgen um ihn machte, dann seine Hochzeit mit Nicole, ihr persönliches vergebliches heimliches Warten auf Nachwuchs. Eine Träne entschlüpfte ihr, rollte langsam an der Nase entlang in den Mundwinkel. Verstohlen leckte sie den salzigen Tropfen weg. Joseph sollte nicht merken, was in ihr vorging. Bestimmt waren ihre Sorgen vollkommen unbegründet, und Raphael würde sie gleich in seiner ihm eigenen Art tadeln, weil sie ihm natürlich die falschen Sachen mitgebracht hatte. Sie konnte es gar nicht abwarten, seine Nörgeleien zu hören.
Doch als sie wenig später in der Notaufnahme stand und in das verlegene Gesicht der Klinikangestellten sah, dieses ausweichende »Ich hole einen Arzt« hörte, da fuhr ihr die unsichtbare Faust sofort wieder in den Magen.
»Warum sagen Sie mir nicht, wo ich ihn finde?«, fragte sie und wurde noch aufgeregter, als sie ihre eigene Stimme so piepsen hörte. »Und warum wollen Sie meine Personalien haben?«
Die Angestellte sah sie mitleidig an, sagte aber nichts, sondern nahm den Telefonhörer auf.
Joseph fasste sie am Arm, beruhigend, fest und verlässlich. Am liebsten hätte sie sich an ihn gelehnt. Aber dann sagte sie sich, dass sie übertrieb. Noch gab es keinen Grund zur Panik. Raphael wurde wahrscheinlich gerade untersucht. Gleich würde der Arzt kommen und ihr sagen, dass er später mit ihnen zurückfahren könne. Nur ein kleiner Schwächeanfall. Er hatte den ganzen Tag schon schlecht ausgesehen, aber sie hatte gedacht, er hätte vielleicht am Abend zuvor zu lange gefeiert. Er hatte jedenfalls noch mittags ganz eindeutig eine Fahne gehabt, das hatte sie genau gerochen, auch wenn er ständig diese fürchterlichen Pfefferminzdragees gekaut hatte.
Doch als sie das Gesicht der jungen Frau sah, die sich ihr in einem weißen Kittel langsam näherte, sprang ihr das Herz wieder in den Hals und klopfte und pochte und presste ihr die Luftröhre zusammen. Sie versuchte, ruhig zu atmen, aber es gelang ihr nicht.
Noch einen Meter war die junge Frau entfernt. »Dr. Szepesi«, stand auf dem kleinen Namensschild. Ihr Gesicht war ernst, und ihr Blick wich zur Seite aus, dann saugte er sich an den weißen Schuhspitzen fest.
»Sie sind die Tante von Herrn Wittemann?«
Marie-Luise nickte mit angehaltenem Atem. Zu mehr war sie nicht fähig.
Mit einem Ruck hob die Frau den Kopf. Ihre Augen waren bodenlos schwarz. »Es tut mir leid. Wir haben wirklich alles versucht. Es war das Herz.«
Marie-Luise schüttelte den Kopf. Alles drehte sich. »Tot?«, fragte sie. »Sie meinen, Raphael ist tot?«
Dr. Szepesi nickte. »Sind Sie einverstanden, wenn wir ihn obduzieren? Kennen Sie seinen Hausarzt?«
In Zeitlupe knickten Marie-Luise die Beine weg. Joseph tat sein Bestes, aber auch er konnte sie nicht halten. Nur mit Hilfe der Ärztin schaffte sie es zum nächsten Stuhl. Die Armlehne war aus Stahlrohr, und Marie-Luise begann zu frieren. Sie schloss die Augen. Wie gern würde sie jetzt allein sein und ein Gebet sprechen. Oder wenigstens weinen.
»Ich komme später wieder«, hörte sie die Ärztin, dann entfernten sich die Schritte.
Jemand strich ihr unbeholfen über den Arm. »Lass dich gehen, das tut bestimmt gut«, hörte sie Josephs Stimme ganz nah an ihrem Ohr.
Müde schlug sie die Augen auf. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem ihren entfernt. In seinen Augen standen dicke Tränen, sein Unterkiefer zitterte.
»Wein doch nicht, Joseph«, sagte sie und legte ihre Hand auf seine Wange. Sie wollte ihm etwas Tröstliches sagen, aber es ging nicht. Ihre Lunge schmerzte. Sie holte tief Luft. Fassung! Haltung! Wenn sie jetzt loslassen würde, würde sie nie mehr aufhören zu weinen.
»Lass uns an die frische Luft gehen«, murmelte sie, und allein diese Worte zu formen raubte ihr fast die letzte Kraft, die sich noch in ihrem müden, uralten Körper befand.
Joseph half ihr hoch, und gemeinsam schleppten sie sich ins Freie. Es war warm, die Sonne sandte ihre letzten Strahlen zu ihnen auf den Berg hinauf. Oberhalb der Klinik begann der Wald, und direkt dort stand eine Bank.
Marie-Luise ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf das krustige, warme Holz sinken. Der Blick, den man von hier über die Weststadt und das Oostal über die Rheinebene bis zu den Vogesen im Elsass hatte, war unpassend schön. Sie schloss die Augen und fühlte, wie die untergehende Sonne langsam an Kraft verlor; wahrscheinlich nahm sie Raphaels Seele gerade mit in die Dunkelheit, die vom Westen langsam heranzog. Ihr Herz stolperte, dann kamen die Tränen.
»Es ist nicht gerecht«, flüsterte sie eine Weile später. »Die Jungen sollten nicht vor uns sterben. Das ist so nicht vorgesehen.«
Joseph sagte nichts. Er streichelte nur unentwegt ihren Arm und reichte ihr mit der anderen Hand sein weißes, ordentlich zusammengelegtes Taschentuch. Es roch nach seinem Aftershave.
Hinter ihnen raschelte etwas im Laub, dann schlug eine Amsel ein Klagelied an.
Der Tag verschwand. In der Stadtklinik unter ihnen gingen die Lichter an. Irgendwo dort lag Raphaels Leichnam, und sie hatte gar nicht Abschied nehmen können. Wollte sie ihn überhaupt noch einmal sehen, oder wollte sie ihn so im Gedächtnis behalten, wie sie ihn heute Nachmittag erlebt hatte? Lustig, lachend, am Steuer des alten Mercedes?
Allmählich begann ihr Kopf wieder zu arbeiten. Das Herz, hatte die Ärztin gesagt? Das war unmöglich. Er war vollkommen gesund gewesen. Das hatte er ihr heute Nachmittag selbst gesagt.
Nervös öffnete Marie-Luise ihre Handtasche. Ja, der Schlüssel zu Raphaels Suite und zu dem Koffer mit den Millionen war noch da. So viel Bargeld! Das konnte eigentlich nur eines bedeuten:
»Es war Mord!«
Josephs Hand hielt inne. Trotz der beginnenden Dunkelheit konnte sie erkennen, dass er sie verwirrt und zugleich besorgt betrachtete.
»Ich bin vollkommen bei Sinnen«, beruhigte sie ihn. »Für Trauer ist später Zeit. Jetzt müssen wir beweisen, dass es kein natürlicher Tod war!«
»Aber ... aber ...«, stotterte Joseph. Ganz offensichtlich fehlte ihm die Routine für die Rolle eines Mister Stringer.
Marie-Luise ging im Geiste all die Krimis durch, die sie im Laufe ihres Lebens verschlungen hatte. Tote im Swimmingpool hatten in der Regel eine Schuss- oder Stichverletzung, waren vergiftet oder bei einem heftigen Kampf unter Wasser gedrückt worden. Kein einziger war einem natürlichen Herztod erlegen.
Aufgeregt stand sie auf und strich den Rock ihres guten Kostüms glatt. Dann reichte sie ihrem verdutzten Begleiter die Hand.
»Unten ist eine Telefonzelle. Ich muss telefonieren«, verkündete sie, und ihre Stimme piepste nicht mehr. »Wir müssen zurück ins Hotel, schnell, ehe alle Spuren verwischt sind.«
*
»Ich kann nicht mehr«, seufzte Lea und lehnte sich zurück. »Noch ein Bissen, und ich platze! Das waren die besten Maultaschen und der allerbeste Kartoffelsalat meines Lebens.«
Maximilian Gottlieb sah glücklich aus. »Ich war mir nicht sicher, ob Ihnen die schwäbische Küche ...«, stammelte er, und seine braunen Augen nahmen hinter den Brillengläsern die Farbe von Karamellbonbons an.
Lea wurde es durch und durch warm, und das lag nicht am Cannstatter Zuckerle, der noch fast unberührt zwischen ihnen stand. Wie hatte sie nur Bedenken gegen dieses Treffen haben können? Es war ein zauberhafter Abend, und dabei hatte Gottlieb noch gar nicht zum Saxophon gegriffen, das neben ihm auf dem gemütlich durchgesessenen Sofa lag.
Während er die Teller in die winzige Kochnische jonglierte, stand sie auf und trat an das große, bodentiefe Giebelfenster. Die Aussicht über die Stadt und die Rheinebene war umwerfend. Hinter den blauen Vogesen am Horizont ging die Sonne gerade glutrot unter wie in einem kitschigen Liebesfilm.
Sie spürte Maximilians Wärme, als er hinter sie trat. Wenn sie sich nur ein winziges Stückchen nach hinten lehnen würde, würde sie in seinen Armen landen.
Nein! Das durfte nicht sein. Sie musste etwas tun, um diese romantische Stimmung zu durchbrechen, sonst würde sie in einem heillosen Gefühlschaos ertrinken. Das war das Letzte, was sie wollte. Sie war gern allein, verdammt. Sie brauchte keinen Menschen, der ständig um sie war, sie kontrollierte, sie umschlang und nicht mehr atmen ließ. Sie wollte unabhängig bleiben. Sie wollte, sie wollte ...
Ach, zur Hölle mit ihrer Unabhängigkeit. Wann hatte sie eigentlich das letzte Mal dieses Kribbeln verspürt? Diese aufgeheizten Nerven, dieses Vibrieren in den Adern? Wie sich seine Lippen wohl anfühlten? Was gab es denn Schöneres, als sich an einem warmen Sommerabend wie diesem zurückzulehnen, verwöhnen und liebkosen zu lassen, miteinander zu lachen und nicht mehr allein zu sein? Was war denn so Schlimmes dabei, wenn, wenn, wenn ...
Sie schloss die Augen und hielt ergeben den Atem an.
Fast meinte sie zu spüren, wie auch Gottlieb dahinschmolz, wie er seinen Arm hob und ...
Nein! Nicht jetzt! Nicht ihr Handy! Warum hatte sie es vorhin nur nicht ausgeschaltet, als Gottlieb sie darum gebeten hatte? Sie würde es ignorieren. Es würde schon aufhören. Ganz bestimmt.
Gottlieb seufzte, nur einen Zentimeter von ihrem Ohr entfernt. Sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren, und es durchfuhr sie ein wohliger Schauer.
Das Telefon klingelte weiter.
»Das ist bestimmt wichtig«, versuchte sie zu erklären. Er sollte bloß nicht merken, wie leid ihr die Unterbrechung tat. Er würde sie sonst womöglich davon abhalten, das Gespräch anzunehmen. Es musste wichtig sein, so spät!
»Schade«, flüsterte er, trat einen Schritt zurück und steckte die Hände in die Hosentasche.
Sie sah auf die Uhr. Gleich zehn. Wer konnte das sein? Die Polizei bestimmt nicht, die hätte zuerst Gottlieb informiert, wenn etwas geschehen war. Wer dann?
Als sie das Telefon aufnahm, war sie schon wieder ganz Lea Weidenbach, die Polizeireporterin des Badischen Morgens. Mit der freien Hand angelte sie sich Stift und Stenoblock aus dem Rucksack.
Frau Campenhausen war am anderen Ende, ihre liebenswürdige Vermieterin und Vertraute.
»Helfen Sie mir«, rief die alte Dame aufgeregt in ihr Ohr. »Mein Neffe ist tot. Die Ärzte meinen, es sei das Herz gewesen. Aber das kann ich nicht glauben. Ich bin mir sicher, es war Mord.«