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Prolog

Das Wasserflugzeug hatte ihn zurück nach Dawson City gebracht, wo ihn der Kulturschock lähmte. Vierzehn Tage hatte er in der nordkanadischen Wildnis verbracht, allein, und doch in bunter Gesellschaft. Fauna und Flora, Landschaft und Wetter hatten ihm unbeschreibliche Momente beschert, die er mit seiner Kamera eingefangen hatte. Er brachte einige Tausend Bilder mit, die er in den kommenden Wochen sortieren und klassifizieren, von denen er viele verwerfen und manche für sich behalten würde. Er hatte genug Material, um seine Auftraggeber zufriedenzustellen: die Journalistin, die über die heutigen Goldgräber am Yukon zu berichten hatte; den Veranstalter, der Reisen mit dem Wasserflugzeug in die sogenannte Wildnis verkaufte. Für ihn aber war Wildnis erst da, wo dessen Kunden der Mut verliess. Da, wo ihn das Wasserflugzeug abgesetzt und ihn seinem Schicksal überlassen hatte.

Zu Fuss ging er zehn Minuten durch die Stadt bis zu seiner Pension. Leute, Autos, Lärm und Lichter nahm er wahr, als wäre er umschlossen von einem Luftballon und gehöre nicht dazu. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn er für die Menschen unsichtbar gewesen wäre. Erleichtert verschwand er in seiner ruhigen Unterkunft, wo er zwar Dusche, Frottiertücher und das weiche Bett zu schätzen wusste, aber noch immer auf Radio, Telefon und Internet verzichtete.

Nach drei Stunden Schlaf fühlte er sich dem Unterfangen gewachsen, aus seinem Ballon herauszutreten und in die Stadt zu gehen, insbesondere deshalb, weil sein Magen laut knurrte und vor seinem geistigen Auge Früchte, Gemüse und Kartoffeln vorbeizogen. Er ass für zwei, und erst, als er den letzten Rest Sauce mit einer schlabbrigen Brotscheibe aufgetrocknet hatte, schaltete er endlich sein Handy ein.

Hunderte von Nachrichten, die allermeisten bedeutungslos. Er wechselte in den Posteingang, las flüchtig die Betreffzeilen der Mails, blätterte rasch weiter.

Als er mehrere Schreiben vom Auswärtigen Amt entdeckte, hielt er inne. Was man wohl von ihm wollte? Mit jedem Mail wurde er dringender geben, sich mit dem Absender in Verbindung zu setzen. Er schaute auf die Uhr, rechnete. Noch ein Bier, dann würde das Büro in Deutschland geöffnet sein.

Kurz nach elf trat er aus dem Lokal hinaus in die Dunkelheit, um zu telefonieren. Sofort wurde er weiterverbunden zu einem Mann, der ihm in endloser Folge Fragen zu seiner Identität stellte.

«Aber was ist denn eigentlich los?», wiederholte er ungeduldig.

Eine junge Frau, die das Restaurant verliess, lächelte ihn freundlich an, aber er beachtete sie nicht.

«Dieter?», fragte er verwirrt. «Ja, Dieter Falk ist mein Bruder. Ja, wir wohnen zusammen in Frankfurt.» Wieder lauschte er der Stimme.

«Tot?», rief er entsetzt. Die junge Frau wandte sich erschrocken um. Leichenblass liess er sich an der Hauswand niedersinken. Die Frau beugte sich besorgt über ihn, während er der Stimme aus Deutschland zuhörte.

«Mein Bruder Dieter Falk ist in den Schweizer Alpen ums Leben gekommen», wiederholte er dumpf die Worte, die er soeben gehört hatte. Er lauschte dem Klang seiner Stimme nach, als würde die Information glaubhafter, wenn er sie selber aussprach.

Tod am Piz Beverin

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