Читать книгу Tod am Piz Beverin - Rita Juon - Страница 7
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Von den nächsten Minuten hing ihre Zukunft ab. Sie konnte es nicht mehr länger hinausschieben. Ganz bewusst atmete sie seinen leicht schweissigen Geruch ein, kostete das Spüren seiner regelmässigen Herzschläge unter ihrer Hand aus, genoss das Kitzeln seiner Brusthaare an ihrer Nase. Sollte es das letzte Mal in ihrem Leben sein, dass sie seine nackte Haut spürte, wollte sie die Erinnerung für alle Zeiten bewahren.
«Ich bin schwanger.»
Jetzt war es draussen. Sie spürte, wie sein Herz einen Satz machte. Bange wartete sie auf seine Reaktion. Würde er aufstehen und heimgehen zu Frau und Kindern?
Langsam liess er den Atem entweichen, den er angehalten hatte. Dann drückte er sie an sich.
Ein erleichtertes Lächeln schlich sich in ihre Züge. Das konnte alles bedeuten: Wir schaffen das. Ich halte zu dir. Ich freue mich trotz der widrigen Umstände. Ganz sicher aber hiess es nicht: Das war’s dann. Schau selber, wie du damit zurechtkommst. Das ist das Ende.
Sie erlaubte sich den Traum, er würde sich von seiner Frau trennen, seine Kinder zurücklassen, mit ihr weggehen, ein neues Leben anfangen an ihrer Seite. Wohl wissend, dass das eine Illusion war.
Am nächsten Morgen stand sie wie gewohnt in der Gaststube, arbeitete flink im Service, scherzte mit den Gästen. Sie brauchte bloss etwas zu plappern in ihrem Tiroler Dialekt, der Schalk in ihren leuchtenden Augen sprühend, und schon hatte sie die Gäste im Sack. Im abgelegenen Dorf im Prättigau nahmen die einheimischen Restaurantbesucher, fast ausschliesslich Männer, das frische Blut aus dem Montafon mit offenen Armen auf.
Im wörtlichen Sinne hatte sie sich in die offenen Arme von Joggel sinken lassen. Seit geraumer Zeit besuchte er sie heimlich in ihrer Kammer über der Gaststube. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis im Dorf Vermutungen aus dem Kraut schossen, es wurde gemunkelt und getratscht.
So war niemand erstaunt, als sich einige Monate später ihr Bauch deutlich rundete. Der ganzen Einwohnerschaft, seiner Frau eingeschlossen, war klar, dass da Joggels Kind heranwuchs. Niemand verlor ein lautes Wort darüber.
Als der kleine Johanngeorg schliesslich im Zivilstandsregister eingetragen wurde, hiess es anstelle eines Männernamens nur: Vater unbekannt.