Читать книгу Tod am Piz Beverin - Rita Juon - Страница 6
ОглавлениеErster Teil
Wieder dieser Traum. Während einiger Nächte hat er mich in Ruhe gelassen, doch heute früh war er wieder da. Immer der gleiche. Ich sitze dort, an einem schönen See, in der aufgehenden Sonne. Das Motiv würde für eine Postkarte taugen, wären da nicht die schweren, dunklen Wolken direkt über mir, welche die Sonne so unerreichbar fern erscheinen lassen. Ich sitze vor einer Höhle, einem rabenschwarzen Loch. Ich weiss, dass ich mich nicht umdrehen darf, um keinen Preis, ich muss nach vorne schauen. Hinter mir die undurchdringliche Dunkelheit, vor mir, aber weit, weit entfernt, das fahle Licht der Morgensonne.
Ich kann keine Träume deuten, will mich gar nicht darin versuchen. Ich warte bloss sehnlich darauf, dass sich die Wolken verziehen, dass mich die Sonnenstrahlen erreichen, dass die Höhle hinter mir sich verwandelt in ein lichtdurchflutetes Zimmer. Dass mich die Wärme der Sonne erreicht.
Manchmal scheint mir, ich funktioniere einfach. Ich spreche, höre zu, lächle, lache sogar. Ich arbeite, unternehme das eine oder andere in der Freizeit, bin mit anderen Leuten zusammen. Aber immer bin ich ausgefüllt von dieser riesigen Leere, von der unermesslichen Kälte, die aus meinem Innern kommt und mich bis in die Zehenspitzen zu durchdringen scheint.
Werde ich je wieder Wärme fühlen?