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Fortschritt und Automatisierung
ОглавлениеNeben dem Schuldenproblem gibt es einen weiteren wesentlichen Grund für das Streben nach Wachstum: Innovation in Form von Automatisierung, früher sagte man Rationalisierung, neuerdings heißt das Zauberwort Digitalisierung. Dabei gibt es nicht nur Gewinner. Die notwendigen Umbrüche in den Unternehmen durch Verdrängung können zumindest zeitweise auch Verlierer zur Folge haben. Die Beschäftigten einer Firma, die schließen muss, stehen zunächst auf der Straße, während andere ggf. Überstunden fahren müssen. Automatisierung kann auch innerhalb von Unternehmen Arbeitsplätze wegfallen lassen. Als Ausgleich soll die Wirtschaft wachsen und so neue Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, wie auch bei Arbeitsplatzverlusten wegen Konjunkturschwankungen.
Ein Ansatz, um dem so ausgelösten Wachstumszwang zu entkommen, wären zusätzliche Regulierungen, etwa in Form von Lenkungssteuern, die den Arbeitgeber motivieren, bei gleichqualifizierten Arbeitssuchenden nicht den schon beschäftigten Arbeitnehmer länger arbeiten zu lassen, sondern den Arbeitssuchenden einzustellen. Dazu könnte für jeden Beruf bzw. für jede Qualifikation in Abhängigkeit von der Anzahl der Arbeit-Suchenden in bestimmten zeitlichen Abständen eine tägliche Soll-Stundenzahl pro Arbeitnehmer festgelegt werden, bei deren Überschreitung pro Stunde Mehrarbeit ein bestimmter Betrag zu bezahlen ist, womit der Staat die Aufwendungen für die Arbeitslosigkeit in der entsprechenden Branche ganz oder teilweise kompensieren kann. Damit bleiben Unternehmen flexibel und unverzichtbare Mitarbeiter können auch über die Soll-Stunden hinaus arbeiten, wenn das Unternehmen es für sinnvoll hält. Aber der Anreiz, grundsätzlich schon eingestellte Arbeitnehmer lieber Überstunden machen zu lassen, als neue einzustellen, könnte umgekehrt werden. Weiterhin müsste die so flexibler gestaltete Arbeitszeit bei den Löhnen und Gehältern berücksichtigt werden. Denkbar wären etwa Tarifverhandlungen über die Entlohnung nicht von festen Arbeitszeiten, sondern von den Soll-Stunden-Zahlen.
Das wäre eine konkrete Möglichkeit, andere, alternative oder ergänzende Maßnahmen, wie Weiterbildungen, sind sicher auch denkbar. Insgesamt sollte es so möglich zu sein, im Falle von Innovationen in Form von Automatisierungen der Gesellschaft insgesamt durch Verteilung der weniger werdenden Arbeit mehr Freizeit zu ermöglichen, und zwar an Stelle eines Zwangs zu mehr Konsum als Ausgleich für die wegfallende Arbeit. Auch vor dem Hintergrund, dass in vielen Berufen die Luft immer dünner wird, bzw. die Anforderungen und der Stress immer weiter steigen, obwohl die Technik den Menschen das Leben doch angenehmer machen sollte, wäre eine solche Änderung der Arbeitswelt sinnvoll. Durch die sich schnell und schneller entwickelnde Technik werden in Zukunft mehr und mehr Berufsfelder von der Automatisierung erfasst werden. Selbstfahrende Autos sind bislang noch ein Pilotprojekt, aber ihr Durchbruch scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Ärzte, Anwälte und weiteren werden voraussichtlich auch wesentliche Arbeitsschritte von Computern abgenommen werden.
Neben der Verteilung von Arbeit geht es bei einer Kompensierung der Automatisierung wesentlich auch um eine Verteilung von Erträgen. Ein etwas anders gelagerter Ansatz als der oben beschriebene sieht die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens vor18. Damit alleine würde die bisherige Problematik aber wohl nur verschoben werden. Auch jetzt hat man in Deutschland Anspruch auf die Sicherung des Existenzminimums, wenn man keine Arbeit findet. Ein höheres Grundeinkommen nimmt lediglich die Pflicht, sich um Arbeit zu bemühen, was auch ungewollte Effekte mit sich bringen kann, wie den, das unliebsame Arbeiten kaum noch jemand übernehmen will. Und für diejenigen, die trotz Grundeinkommen arbeiten wollen, etwa, um sich mehr leisten zu können oder einen höheren sozialen Status zu erlangen, bliebe das grundsätzliche Problem des Drucks durch die Automatisierung bestehen.
Es scheint also eine Änderung des Wirtschaftssystems möglich und angebracht, in der Automatisierung durch weniger Arbeitszeit ausgeglichen werden kann. Wachstum wäre dann keine Notwendigkeit zur Kompensation von Automatisierung, sondern bräuchte nur angestrebt zu werden, um das Wohlergehen insgesamt zu steigern.