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Ein Maß für das Wachstum- das BIP

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Ja ja ja jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt … –

Wenn Sie auch schon zu den nicht mehr ganz jungen Semestern gehören, erinnern sie sich vielleicht noch an das Lied der Gruppe Geier Sturzflug von 1982? Mittlerweile redet man vom Bruttoinlandsprodukt, vielleicht, weil es sich leichter abgekürzt aussprechen lässt: BIP. Das BIP ist zunächst eine volkswirtschaftliche Größe und gibt den Wert der in einem Jahr erbrachten bzw. produzierten Güter und Dienstleistungen an5. Je mehr das sind, desto besser müsste es doch allen gehen. Und das Wachstum des BIP gibt die Steigerung in Prozent im Vergleich zum Vorjahr (oder auch zum Vorquartal, je nach Wahl) an, also sollte das möglichst hoch sein. Das so quantifizierte Wachstum wird in kurzen Abständen in den Medien veröffentlicht, womit das BIP eine Bedeutung als eine Art Wohlstandsindikator und damit wiederum als ein Erfolgsbarometer der Politik erhält. Und weil die Menschen natürlich neugierig sind, belässt man es nicht bei den Daten für die Vergangenheit, sondern veröffentlicht auch ständig Prognosen für die Zukunft, deren Verlässlichkeit aber eher gering ist6. Bereits hier setzt die Kritik an: Rainer Grießhammer führte schon 1984 im Öko-Knigge7 das Beispiel eines Unfalls an: Wenn Sie mit dem Auto gegen einen Baum fahren, erfordert das in der Folge eine Menge von Dienstleistungen (Abschleppdienst, Reparatur, Ärzte …), durch die nur der Zustand vor dem Unfall soweit wie möglich wiederhergestellt wird, besser wäre es Ihnen aber auf jeden Fall ohne Unfall ergangen. Das BIP wird so aber gesteigert. Aus diesem Beispiel jetzt die völlige Unbrauchbarkeit des BIP als den erwünschten Indikator zu folgern, ist aber falsch. Solange Unfälle rein zufällig und unabhängig von bewussten Maßnahmen auftreten, spricht das Beispiel überhaupt nicht gegen das BIP als Indikator. Schnellere Autos, bessere Sicherheitsausstattungen wie Knautschzonen, Airbags usw., Tempolimits und die Art des Straßenbaus beeinflussen in einem gewissen Maße aber schon die Unfallhäufigkeit und die die daraus folgenden Schäden. Nehmen wir zwei weitere Beispiele: Wenn Sie eine neue Waschmaschine kaufen und diese so gebaut ist, dass sie schon nach 4 Jahren den Geist aufgibt, der Hersteller sie aber zu einem nur unwesentlich höheren oder sogar gleichen Preis auch mit 8 Jahren Laufzeit anbieten könnte, so wird auch dadurch das Wachstum angekurbelt, ohne dass Sie einen Vorteil haben. Für den Hersteller kann sich seine Entscheidung lohnen, wenn das seine Konkurrenten ähnlich halten oder auch, wenn genug Kunden von vorhandenen besseren Maschinen nichts wissen, also durch Marktversagen. Denken Sie als weiteres Beispiel an den Gang zum Arzt: Der wird hoffentlich die für Sie beste Behandlung wählen. Aber was ist, wenn ihm eine andere, oder sogar eine völlig überflüssige Behandlung höhere Einkünfte bringt? Die Beurteilung für den Patienten ist hier sicherlich schwieriger als für den Käufer der Waschmaschine.

Welche Dienstleitungen und Produkte haben den Menschen also wirklich genützt, welche waren eigentlich nicht nötig? Das wird sich allgemein kaum festlegen lassen. Das BIP muss als Indikator nicht völlig unsinnig sein, aber es wird deutlich, dass es zumindest eine Unschärfe enthält, dass es nicht eins zu eins den Nutzen für die Gesellschaft wiedergibt.

Was im BIP auch nicht abgebildet wird, ist die Verteilung der Produkte: Es macht ja einen Unterschied, ob alle gleichmäßig teilhaben oder ob etwa eine kleine Gruppe übermäßig profitiert.

Auch wie man die Güter und Dienstleistungen erfasst und bewertet, lässt Spielraum. Wie sieht das etwa beim Ehrenamt aus? Davon haben die Leute etwas, aber es fließt ja kein Geld, wie also bewerten? Oder Schwarzarbeit: Davon haben die Beteiligten sogar sehr viel, wenn sie nicht auffliegen, die Gemeinschaft aber eben nicht. Tatsächlich wird Schwarzarbeit beim offiziellen BIP berücksichtigt, kann aber natürlich nur geschätzt werden. Auch Schmuggel und Drogenhandel wird nach aktuellen Richtlinien der EU mit einberechnet. Spätestens hier zeigt sich, dass Spielräume bei der Berechnung des BIP eher nach oben ausgereizt werden. Der Grund ist klar: Wenn das BIP das Erfolgsbarometer ist, möchte man es möglichst hochtreiben. Auch die Schuldenquote sinkt dadurch, da ja üblicherweise die Schulden in Relation zum BIP angegeben werden8.

Aber auch, wenn man davon ausgeht, dass das die Angabe der Produktion nicht künstlich in die Höhe getrieben wird: Es gibt weitere Kritik an ihr als Wohlstandsindikator.

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