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Konjunktur und Schulden
ОглавлениеEntwicklungen in der Natur laufen meistens nicht nur in eine Richtung ab, es geht mal bergauf, mal bergab, es gibt Schwankungen. Denken wir an eine Population von Vögeln. Bei gutem Wetter und entsprechend gutem Angebot an Nahrung kann sie sich stark vermehren, bei sich ändernden Umständen, etwa in Form eines harten Winters, kommt es zu einem Rückgang. Schwankungen gibt es auch in der Produktion, d. h. in der Wirtschaft, verbunden mit einem geringeren Einkommen oder gar Verlust des Arbeitsplatzes für einige. Im Sinne des Wertes Sicherheit möchte man dem entgegenwirken. Hier kommt die Theorie ins Spiel, für die Keynes in erster Linie bekannt wurde. Keynes schlug antizyklische Maßnahmen vor16: Im Falle einer Wirtschaftsflaute Förderung durch Ankurbelung des Konsums durch den Staat, was wiederum durch höhere Sozialleistungen, durch eine Verringerung von Steuern auf Konsum oder durch Prämien auf Konsum erfolgen kann. Wenn ein Staat sich mit seinen Ausgaben und Einnahmen normalerweise im Gleichgewicht befindet, führt ein solches Konjunkturpaket zu einer Verschuldung. Diese sollte dann nach Keynes umgekehrt durch erhöhte Einnahmen bei guter Konjunktur wieder abgebaut werden, heißt z. B., Steuern auf Konsum müssten dann erhöht werden. Als Gegenpol wird in der Regel Milton Friedman angeführt, der vorschlug, die Wirtschaft zu fördern, in dem das Angebot verbilligt wird, durch Senkung von Unternehmenssteuern17. Im Modell einer geschlossenen Gesellschaft und eines perfekten Marktes läuft beides auf das Gleiche hinaus, denn die Unternehmer müssten die Preise entsprechend senken, wodurch der Verbraucher mehr Kaufkraft erhält. Jetzt sind Staaten normalerweise nicht abgeschlossen und Märkte nicht perfekt, aber kommen wir zurück zu unseren Vögeln: Die kann man ja wirklich füttern und regelmäßig empfehlen Experten, das nur bei wirklich sehr harten Bedingungen zu tun, weil die Vögel sich sonst gewöhnen und die Fähigkeit verlieren, ihr Futter selber zu suchen. Man muss dann immer weiter füttern, oder die Probleme für die Vögel kommen später, vielleicht noch schlimmer. Hier zeigt sich, dass die Konjunkturhilfe durchaus unerwünschte Wirkungen haben kann und das Gießkannenprinzip ungeeignet ist. Das könnte ein Grund sein, warum immer nur die erste Hälfte von Keynes‘ Vorschlag realisiert wird: Zuerst Konjunkturpakete zur Ankurbelung des Wachstums, dadurch höhere Schulden, und wenn die Wirtschaft dann läuft, heißt es mit schöner Regelmäßigkeit, man dürfe das zarte Pflänzchen nicht abwürgen, die Schulden müssen später abgebaut werden. Ja, und bevor das Fall ist, kommt die nächste Krise, dann muss natürlich wieder gefördert werden und so weiter. Teilweise hat man von dem Aspekt der antizyklischen Förderung auch ganz abgesehen und Wachstum ganz einfach generell durch Förderung des Konsums oder des Angebotes generieren wollen. Die Theorie dahinter ist, dass eine höhere Produktion verbunden ist mit höheren Einnahmen durch Steuern, so dass die Ausgaben für die Förderung sich selber wieder einspielen. Man kann dann wieder fördern usw. Letztendlich bleibt die Quote aus Staatsschulden und Produktion immer gleich, wenn die Produktion genauso schnell wächst wie die Schulden. Wenn man dann noch einen fixen Anteil an der Produktion als Staatseinnahmen veranschlagt, bleiben damit auch Einnahmen und Schulden im gleichen Verhältnis. Nur muss das veranschlagte Wachstum eben auch eintreten. Damit erklärt sich die eingangs erwähnte Aussage, wir würden vom Wachstum leben. Das Problem ist nur, dass das erhoffte Wachstum meistens nicht im erhofften Maße bzw. nicht erhofft nachhaltig eintritt, unterm Strich bleibt meistens ein Minus. Jetzt braucht man Wachstum dann nicht mehr, um Wohlstand zu stabilisieren, sondern um die Schuldenquote im Rahmen zu halten. Dieses Wachstum wird über neue Schulden generiert … ein Teufelskreis. So haben die Schulden in Deutschland und vielen anderen Staaten absolut und relativ zum BIP über die Jahrzehnte immer weiter zugenommen. Dass man das Schuldenproblem nicht durch neue Schulden löst, hat sich mittlerweile in größeren Kreisen herumgesprochen, jetzt hofft man, das als notwendig erachtete Wachstum durch Reformen zu erreichen. Konkreter und zur aktuellen Situation im nächsten Kapitel, Abschnitt die Eurokrise. An dieser Stelle zurück zu einem oben angesprochenen Aspekt: Reale Märkte sind nicht perfekt. Abhängig von der konkreten Ausgestaltung, wer denn genau gefördert wird, kommen damit allgemein Förderungen nach Keynes zuerst den Konsumenten zugute und werden von sozial ausgerichteten Parteien bevorzugt, während andersherum in erster Linie Unternehmen von Angebotsförderungen nach Friedman profitieren, weshalb diese von wirtschaftsnahen Parteien bevorzugt werden. Eine unterschiedliche Wirkung der beiden Maßnahmen gründet auch darauf, dass Staaten, auf deren Ebene Maßnahmen wie Konjunkturpakete und Steuern ja beschlossen werden, keine abgeschlossenen Gesellschaften sind. Mehr dazu im übernächsten Kapitel.