Читать книгу hArmlos - Robert Klotz - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеAls der Wanderer durch die Öffnung spazierte und nach oben blickte, sah er zum ersten Mal, wie massiv die Metallpforte wirklich war. Sie musste einige Tonnen wiegen und er beschleunigte unbewusst seine Schritte, um wieder unter den freien Himmel zu kommen.
Die Sonne brannte noch immer auf die Umgebung herab, aber innerhalb der Stadtmauern konnte er einen merklichen Temperaturunterschied feststellen.
Jemand hatte sich die Mühe gemacht, in der Stadt Wind zu erzeugen. Er konnte sich nicht vorstellen, wieviel Energie für so etwas verschwendet wurde, war aber froh über jegliche Kühlung.
Auf der Innenseite der Stadtmauern erlebte er die nächste Überraschung: Alles hier drinnen hatte sich verändert. Wo früher noch dreckige Holzhäuser gestanden hatten ragten nun Steinbauten in die Höhe. Die Wände waren alle fein säuberlich gereinigt und Vitali fühlte sich sofort fehl am Platz.
Als er das letzte Mal hier war, hatte er sich durch die Menschenmenge vor einer Kneipe gezwängt, um sich dort etwas zu trinken und eine Arbeit zu holen. Nun erwarteten ihn aber nur leere Straßen und beinahe sterile Verhältnisse.
Er konnte kaum glauben, dass er einmal den Rummel, gepaart mit dem Gestank vermissen würde.
Ein einzelner Arbeiter kreuzte seinen Weg als er durch die Straßen schlenderte und Vitali ließ sich die Chance nicht entgehen, ihm ein paar Fragen zu stellen. Die Augen des Mannes waren stur auf seine Schuhe gerichtet als der Wanderer ihn am Kragen packte und zu sich drehte.
„Was?“, fing der Mann an zu stammeln, aber der Neuankömmling fiel ihm ins Wort.
„Wo ist ‚Charlies‘?“, fragte er barsch, doch der Blick des Mannes erzählte ihm bereits alles, was er wissen musste. Er hatte keine Ahnung, wovon der Neuankömmling sprach.
‚Charlies‘ war die Bar gewesen, in der er seine Aufträge bekommen hatte. Als Joe damals gestorben war, hatte sich das Mädchen, Jennifer, bis hierher durchgeschlagen und sich an diesem Ort ihren Traum erfüllt. Sie hatte die Bar eröffnet, um all jenen wie Vitali einen sicheren Hafen zu gewähren, an dem man sich einen Abend lang ausruhen konnte.
Als er damals zu ihr kam, hatte Jennifer ihm einen Platz zum Schlafen gegeben und hatte ihm geholfen, wieder auf die Beine zu kommen. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, war sie der eigentliche Grund, warum er hierher zurückgekommen war. Außerdem fühlte er sich noch immer schuldig, weil er damals in der Nacht ohne ein Wort zu sagen davongeschlichen war.
Abschiede waren noch nie seine Stärke gewesen.
„Wo kann ich mir etwas zu trinken holen?“, fragte er den Mann nun, dessen Furcht bereits dabei war, in Panik umzuschlagen.
Er hob einen zitternden Arm, während sich rote Flecken auf der sonst so unnatürlich blassen Haut bildeten und zeigte in eine der Nebenstraßen.
„Danke“, sprach Vitali ohne ihn noch einmal eines Blickes zu würdigen und ließ den Kragen los. Der Mann fiel zu Boden, rappelte sich aber sofort wieder auf und lief davon.
Nun musste er sich beeilen. Er wusste, dass er die ganze Situation freundlicher regeln hätte können, aber die Sonne und der Durst, der ihn plagte, machten ihm zu schaffen.
Wenn er Pech hatte, würden in ein paar Minuten die Wachen auftauchen und ihn zur Rede stellen. Also bog er in die Richtung ein, in die der Mann gedeutet hatte und ging zwischen den hohen Steinhäusern hindurch.
Die Häuser um ihn herum waren gespenstisch still. Wer auch immer in ihnen wohnte, war im Moment nicht zuhause.
Er brauchte nicht allzu lange, bis er ein Schild sah, das ihm wieder Mut machte:
„Moonshine Bar, jetzt geöffnet!“ stand in großen Neonbuchstaben darauf und die klassische Saloon Türe am Eingang wippte im leichten Wind vor und zurück.
Mit schnellen Schritten überquerte er die Straße und fand sich in einem kleinen, stickigen Gebäude wieder, das nichtsdestotrotz viel zu ordentlich wirkte, um in seine Vorstellung einer modernen Stadt zu passen. Der Boden wies keinerlei Flecken auf, die Tische, Stühle und Hocker bestanden aus Metall und machten einen modernen Eindruck und der Mann, der hinter der Bar zu ihm herschaute, wirkte beinahe verwundert, hier ein neues Gesicht zu sehen.
Sein Blick verfinsterte sich zusehends, als er den Zustand der Kleidung des Neuankömmlings sah und er verschränkte seine Arme vor seiner Brust.
Vitali ignorierte ihn, durchquerte den Raum, zog sich einen Hocker von der Bar und setzte sich darauf.
„Ein Bier bitte!“, sagte er gespielt fröhlich, als er sich den Sand aus dem Stoff seines Mantels klopfte und die Brille und das Mundtuch abnahm.
„Ausverkauft“, kam es kurz angebunden von dem rothaarigen Riesen hinter der Bar zurück.
Der Wanderer überlegte einen kurzen Moment, entschloss sich dann aber dagegen, hier auch noch Streit zu beginnen und fuhr in einem noch freundlicheren Ton fort:
„Dann eine Limonade.“
„Auch ausverkauft“, bekam er erneut als Antwort, während sich der Mann vor den Kühlschrank mit den gefüllten Glasflaschen stellte.
„Ich nehme nicht an, dass ich hier zumindest ein Glas Wasser bekomme?“, fragte der Wanderer nun, in einem deutlich unfreundlicheren Tonfall.
„Ist gerade ausgefallen“, kam die Antwort des Barkeepers.
Vitalis Hand legte sich auf seine Hüfte, um nach dem Revolver zu greifen, spürte aber nur das leere Holster. Er richtete sich auf, sodass er dem Barkeeper besser in die Augen sehen konnte und wollte schon nach dem Messer greifen, das er an seinen Unterarm geschnallt hatte, als sich eine Hand von hinten auf seine Schulter legte.
Erschrocken wich er zurück und stieß mit seiner Hüfte gegen den Tresen, als sein Blick auf einen kleinen, grauhaarigen Mann fiel, der jetzt an seiner Seite stand.
Vitalis Augen suchten den Raum nach einer versteckten Türe ab, aus der der Fremde aufgetaucht war, der es geschafft hatte, sich an ihn anzuschleichen.
So etwas war ihm schon lange nicht mehr passiert. Eigentlich war sich der Wanderer sicher, dass es niemanden geben sollte, der dieses Kunststück vollbringen konnte, aber der Mann mit dem grauen Haar stand nun vor ihm.
Einer der Tische in der Ecke stach ihm ins Auge. Dort standen drei fast leere Gläser und zwei stumme Figuren saßen auf den Stühlen, was Vitalis Puls noch einmal beschleunigte.
Er hatte die drei Männer übersehen. Das konnte nicht sein.
Der kurze Mann wendete seinen Blick von ihm ab und schaute den Barkeeper an, der noch immer mit verschränkten Armen hinter dem Tresen stand.
„Hans, sei so freundlich und gib unserem Freund hier doch ein Bier“, befahl er und zum Erstaunen des Wanderers setzt sich der rothaarige Riese in Bewegung.
„Setzen Sie sich doch!“, sagte der Grauhaarige nun zu ihm und drückte ihn auf einen anderen Hocker, während er sich selbst auf Vitalis Platz niederließ.
Der Neuankömmling war zu überrascht um sich zu wehren, also blieb ihm nichts Anderes übrig, als den Mann verdutzt anzustarren.
„Meiser ist mein Name“, sprach er nun und streckte Vitali eine saubere Hand entgegen, die der Wanderer zögerlich ergriff.
„Amon“, antwortete Vitali, „freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen“.
Der grauhaarige Mann lächelte breit. Seine Zähne waren so weiß und fehlerlos wie die Stadtmauern, aber das Grinsen schien sich nur auf seinen Mund zu beschränken.
Die Augen musterten Vitali weiter, wie eine Schlange, die gerade eine Maus gefunden hatte.
Der Barkeeper, Hans, stellte das Bier vor dem Neuankömmling ab, aber als er in seine Tasche griff, um etwas von dem Geld herauszuholen, legte ihm der Mann im Anzug seine Hand auf den Arm.
„Das Getränk geht auf mich. Ihr Geld ist hier nichts wert“, erklärte er beruhigend und auch der Barkeeper nickte zustimmend.
Vitali dankte dem Mann und nahm einen Schluck. Die kalte Flüssigkeit fühlte sich wie Nadeln an, die seine Kehle stachen, aber er konnte sofort fühlen, wie sich sein Körper entspannte.
Während der Wanderer den Rest seines Getränks in zwei großen Zügen hinunterstürzte konnte er die Blicke der zwei Männer an dem Tisch in der Ecke auf sich ruhen spüren.
„Kommen wir zum Geschäftlichen“, sagte der Mann, der sich als Meiser vorgestellt hatte mit einer ausladenden Handbewegung und der Barkeeper schien sich so schnell wie möglich in einen Lagerraum hinter der Bar zurückzuziehen.
Vitali fluchte innerlich. Wenn er nicht so müde und durstig gewesen wäre, hätte er das Getränk niemals angenommen und sich nicht auf so etwas eingelassen. Jetzt war es zu spät, aufzustehen und wegzugehen. Er musste dem Mann zumindest zuhören.
„Sie brauchen eine Arbeit und wie es der Zufall so will, hätte ich eine Aufgabe die jemanden, sagen wir mal, Zwielichtigen brauchen könnte.“
Der Wanderer räusperte sich und fragte unschuldig:
„Woher wollen Sie wissen, dass ich wegen einer Arbeit hier bin?“
Erneut grinste der Mann im Anzug, ohne dass das Lächeln über seinen Mund hinausging und schüttelte kurz den Kopf.
„Ich weiß das aus der gleichen Quelle, von der ich gehört habe, dass da vor kurzer Zeit ein Revolver in dem Holster an Ihrer Seite war, der nur noch drei Schuss in den Kammern hat und Sie einen gefälschten Ausweis mit sich herumtragen.“
Mit der Antwort hatte Vitali bereits gerechnet.
„Sie sind von Medic Inc., oder?“, fragte er und der Grauhaarige machte sich nicht einmal die Mühe, es zu leugnen.
„Wir“, und damit zeigte er auf sich und die zwei anderen Gestalten, „sind auf der Suche nach jemandem, der uns etwas wiederbeschaffen kann, das uns gestohlen wurde.
Da das Ganze eine sensible Angelegenheit ist, können wir uns nicht an die Stadtwache wenden. Was sagen Sie? Die Bezahlung ist außerordentlich!“, dabei klopfte er Vitali fest auf die Schulter.
Der Wanderer wich sichtlich vor ihm zurück.
Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache und die Jahre hatten ihm beigebracht, dass er seinem ersten Instinkt trauen sollte. Als er aber an die wenigen Münzen dachte, die er noch in seiner Tasche hatte, wurde ihm flau im Magen. Er hatte bis jetzt keinen einzigen öffentlichen Brunnen gesehen und einen Schlafplatz konnte er sich auch nicht wirklich leisten.
Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er wahrscheinlich aus der Stadt geschmissen werden würde, wenn er den Auftrag nicht annahm und das wäre wohl sein Todesurteil. Gestern war ihm der Proviant ausgegangen und die Flasche an seiner Hüfte war auch leer. Dazu kam, dass die nächstbeste Stadt vier oder fünf Tagesreisen von hier entfernt war.
Er musste einen Entschluss fassen:
„Die Hälfte von dem Geld will ich vorausbezahlt haben.“
Entgegen seiner Erwartung nickte der Mann im Anzug fröhlich und diesmal grinste er ehrlich, als er einen Haufen Papierscheine aus einer Tasche zog. Er wählte drei unterschiedlich bunte davon aus und legte sie vor dem Wanderer auf den Tresen.
Vitali hatte schon lange kein Papiergeld mehr gesehen und die Farben wirkten für ihn lachhaft. Die Zahlen, die auf den Scheinen standen, kamen zusammen auf fünfundsiebzig was aber nichts Genaues über ihren Wert aussagte.
Außerdem würde niemand, den er kannte eine Währung annehmen, die brennen konnte.
Der grauhaarige Mann schien seine Unsicherheit zu bemerken und versicherte ihm:
„Die Währung ist in jedem Geschäft hier gültig, glauben Sie mir. Sollten Sie jemand finden, der sie nicht nimmt, dann gehen Sie zur nächsten Wache und die Person wird ohne Hab und Gut aus den Toren befördert.“
Vitali nickte zögerlich und räusperte sich, bevor er die Frage stellte, die ihn peinlich berührte:
„Wie viel sind fünfundsiebzig was-auch-immer-das-für-eine-Währung-ist?“
„Ein Monatslohn von einem unserer Fabrikarbeiter“, bekam er als Antwort und konnte sich dabei einen leisen Pfiff nicht verkneifen.
Er wusste, dass er das Geld besser nicht annehmen sollte. Ein Auftrag der so viel brachte war entweder höchst kriminell oder wahnsinnig gefährlich.
Wenn der Mann aber die Wahrheit sagte, würde sich sein Leben in nächster Zeit deutlich verbessern. Er konnte vielleicht sogar einmal eine Woche Pause machen.
Kein Wandern, kein Sand, kein panisches Aufwachen in der Nacht, weil er in der Nähe das Jaulen eines Tieres hörte.
Vitali streckte seine Hand aus und nahm die Scheine an sich, während der Mann neben ihm freudig nickte und die zwei Gestalten am Tisch anfingen untereinander zu murmeln.
„So, jetzt da das Finanzielle geklärt ist, kommen wir zu ihrer Aufgabe: In den letzten Wochen sind immer wieder Prototypen aus unserer Fabrik verschwunden. Wir wissen nicht, ob die Stadtwache darin involviert ist, also brauchen wir jemand, dem wir in dieser Hinsicht vertrauen können. Sie müssen nur herausfinden, wer die Maschinen hat und sie uns zurückbringen. Das sollte für Sie wohl keine unlösbare Aufgabe sein?“
Der Wanderer nickte und fragte:
„Um was für Prototypen handelt es sich? Wenn es um Waffen oder radioaktives Zeug geht, können Sie ihr Geld gerne wiederhaben.“
Der Mann, der sich Meiser nannte, überraschte ihn erneut, als er seinen Kopf beinahe gekränkt schüttelte und sprach: „Weder noch. Wir stellen hier keine Kriegsmaterialien her. Medic Inc. produziert Prothesen und diese wurden uns gestohlen. Für jeden Prototypen den Sie uns intakt wiederbringen gebe ich Ihnen nochmals fünfundzwanzig Credits hinzu, was sagen Sie dazu?“
„Ist in Ordnung. Ich nehme an, die Fabrik ist in dem riesigen Gebäude, das man schon von den Stadttoren aus sieht?“, fragte er, als er aufstand und nochmals seinen Mantel ausschüttelte.
„Ja, und falls Sie etwas über den Dieb herausfinden oder die Prototypen an sich bringen, können sie mich jeden Nachmittag hier in dieser Bar finden.“
Mit einem Nicken verabschiedete sich Vitali und ging hinaus in die langsam sinkende Sonne.