Читать книгу hArmlos - Robert Klotz - Страница 5
Kapitel 3
ОглавлениеDer Wanderer schlenderte die leeren Straßen entlang, immer in Richtung des hohen Gebäudes, das er zwischen den umliegenden Häusern sehen konnte. Noch immer konnte er in keinem der Wohnhäuser auf den Seiten Menschen sehen oder Stimmen hören und die Stille drückte ihm weiter auf das Gemüt.
Er hatte seine Meinung über den Typen, den er in der Bar kennengelernt hatte, geändert. Im Nachhinein betrachtet konnte er die Vorgehensweise gut verstehen. Wenn der Dieb nun wirklich ein Angestellter der Firma war, oder sogar mit den Wachen unter einem Hut steckte, dann war es nur logisch, jemand von außen zu holen.
Die Höhe seines Zahltages konnte er sich auch einfach erklären. Wenn der Mann dafür verantwortlich war und selbst eine der oberen Positionen bei Medic Inc. einnahm, dann war ihm Geld wahrscheinlich weniger wichtig, als das Ansehen, das er in dieser Stadt genoss.
Auch wenn Vitali hier noch niemand zu Gesicht gekommen war, von dem man sich Respekt so erkaufen musste.
Er hatte das Gefühl, in einer Geisterstadt herumzuwandern und die makellosen Häuserfassaden trugen auch noch ihren Teil dazu bei.
Als er nur noch gute zehn Minuten von seinem Ziel entfernt war, ertönten rund um ihn herum Sirenen. Reflexhaft ließ sich Vitali zu Boden fallen und versuchte den Angreifer zu finden, seine Augen erspähten aber keine Bewegung in seiner Nähe.
Was ihm dagegen auffiel waren Vibrationen im Boden. Die Straße unter ihm schien in einem Rhythmus zu beben, der ihm bis in das Knochenmark fuhr.
Ohne weiter nachzudenken sprang der Mann auf die Füße und blickte sich nervös um. Geräusche strömten jetzt aus allen Richtungen auf ihn ein und er suchte Schutz nahe einer der Hauswände.
Im ersten Augenblick, als er die Menge aufmarschieren sah, dachte er noch an eine herannahende Armee. Sie trugen gleiche Uniformen und gingen im Gleichschritt die Straße entlang.
Bei seinem zweiten Blick erkannte er aber seinen Fehler: die Männer und Frauen waren in weiße Hemden mit schwarzen Hosen gekleidet und unterhielten sich gedämpft miteinander, was zu einem undefinierbaren Murmeln anstieg, je näher sie kamen. Er beeilte sich und ging auf die Kreuzung hinaus, um nicht von der Menschenmenge, die die Straßen füllte, zurückgedrängt zu werden.
Sein Blick streifte die anderen Abzweigungen und er erblickte weitere Gruppen. Manche hatten rote Hemden an, wiederum andere waren in blaue Overalls gekleidet. Das Ganze wirkte wie eine Faschingsparade, die durch die Straßen zog.
Vitali trat den Rückzug an und drückte sich in einen der Hauseingänge, um nicht mitgerissen zu werden.
So schnell wie sie aufgetaucht waren, so schnell verschwanden die verschiedenfarbigen Gruppen dann auch wieder. Nach nicht einmal fünfzehn Minuten waren die Letzten an ihm vorbeimarschiert und der Wanderer befand sich wieder alleine auf der Straße.
Die Präzision, mit der die Leute aufmarschiert waren, beunruhigte ihn noch immer. Unter den Gruppen kam es zu keiner Mischung, es hatte keine Nachzügler gegeben, aber auch niemanden, der vorgelaufen war. In Reih und Glied waren sie durch die Straßen marschiert.
Nachdem er sicher gegangen war, dass niemand mehr kommen würde, setzte er seinen Weg fort und traf schon bald bei dem Gebäude in der Mitte der Stadt ein.
Ein riesiges Emblem von Medic Inc. prangte hoch über seinem Kopf und die Glasfenster in der dunklen Fassade spiegelten das Sonnenlicht nach allen Seiten.
Vitali hätte sich gewünscht ein paar Leute hier zu sehen, um das Gebäude in Ruhe beobachten zu können, so blieb ihm aber nichts Anderes übrig, als sich in einen der Schatten in einer Seitengasse zurückzuziehen.
Er lehnte sich gegen die Wand eines Hauses und fing an zu warten. Nach und nach füllten sich Gebäude um ihn herum mit Leben, aber auch hier klangen die Stimmen gedämpft, als ob die gesamte Stadt dabei war, zu trauern.
Keine der Türen um ihn herum öffnete sich, keine Kinder spielten in den Straßen, er konnte nicht einmal jemanden dabei beobachten, wie er aus dem Fenster blickte.
Es fühlte sich an, als ob er in den Gängen eines riesigen Gefängnisses warten musste.
Eine Stunde verging so, dann noch eine, bis ihm zum ersten Mal wieder eine Person zu Gesicht kam. Die schwarz uniformierte Frau, die ihm am Eingang den Revolver abgenommen hatte, schlenderte die Straße entlang und näherte sich zögerlich dem Haupteingang des großen, dunklen Gebäudes vor ihm. Vitali duckte sich, um in den nun bereits dunklen Schatten nicht aufzufallen und behielt sie im Auge.
Die blonde Frau stellte sich vor den Eingang und ließ ihren Blick durch die Gegend schweifen. Er bewegte keinen Muskel mehr, um sie ja nicht auf sich aufmerksam zu machen und verharrte in dieser Position.
Zufrieden, dass sie niemand beobachtete, zog die Frau eine kleine Karte aus ihrer Hosentasche, drehte sich um und öffnete die Eingangstüre.
Vitali wartete noch einen Moment, bevor er sich näher heran wagte. Er konnte ihre Figur durch ein paar der getönten Scheiben des Gebäudes verfolgen und sie wirkte nicht so, als ob sie in offizieller Funktion hier wäre. Sie hetzte durch die Gänge, bis sie in einen Teil des Hauptquartieres kam, der fensterlos war.
Während der Wanderer die Frau nicht weiter beobachten konnte, wechselte er seine Position. Eine der kleineren Gassen, die seitlich zum Eingang verliefen, erschien ihm für das Unterfangen sinnvoller.
Die Wachfrau brauchte nur wenige Minuten, bis sie wieder aus dem Eingang trat und sich noch einmal hastig umblickte.
Jetzt hatte sie ein Paket fest unter ihren Arm geklemmt.
Ohne ein Geräusch zu machen trat Vitali einen Schritt vor, an den Rand des Schattens und sah ihr zu, wie sie in die entgegengesetzte Richtung davonlief. Vitali ließ sie ein wenig Distanz aufbauen, bevor er sich selbst in Bewegung setzte und ihr möglichst leise hinterherhetzte. Solange er sehen konnte, welche Abzweigungen und Gassen sie auf ihrem Weg nahm, machte er sich keine Sorgen, dass sie ihm entkommen würde.
Er hatte gelernt wie man Eidechsen und andere Tiere in der Wüste jagte, ohne, dass sie ihn kommen hörten. Ein einzelner Mensch stellte für ihn kein Hindernis dar.
Erst als sie in eine Gasse ohne Licht trat, ließ er seine Vorsicht fallen.
Mit wenigen, schnellen Schritten war er hinter ihr, packte sie am Kragen und wirbelte sie herum. Das Messer, das er normalerweise um seinen Unterarm gebunden hatte war nun in seiner Hand und drückte gegen ihre Kehle. Ein kurzer Schrei entkam ihr, als sie das Packet fallen ließ und in seine Augen blickte.
Vitali ließ ihre Uniform los und drückte sie gegen die Wand, während er ihren Mund mit seiner freien Hand zuhielt.
„So sieht also ein Dieb in dieser Stadt aus“, zischte er und die Augen der Frau wanderten zu dem Paket, das nun hinter ihm am Boden lag.
„Du wirst mit jetzt ein paar Fragen beantworten, sonst machen wir zusammen einen netten Spaziergang zu deinen Kollegen von der Wache!“, sprach Vitali und sie nickte. Seine Hand glitt zu ihrer Hüfte, wo er ihr die Pistole aus dem Holster zog und zwei Schritte zurück machte.
Die Wache zitterte am ganzen Leib, als er mit seinem Verhör anfing:
„Wie bist du an den Schlüssel gekommen?“
„Einer der Bosse hat ihn verloren. Bitte, lassen Sie mich gehen!“, flehte sie, aber der Wanderer schüttelte seinen Kopf.
„Das war heute sicher nicht das erste Mal, dass du was gestohlen hast. Wie oft hast du das nun schon gemacht?“
Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie schüttelte den Kopf, aber der Mann ließ nicht locker:
„Wie oft?“
„Das heute war das dritte Mal“, gab sie schlussendlich zu.
„Drei Prototypen“, dachte sich Vitali, „mindestens.“. Wenn sie alle noch funktionierten, wären das weitere fünfundsiebzig Credits für ihn.
Ein gutes Geschäft.
Er setzte das Verhör fort: „Wo sind die restlichen Prototypen?“
Die Frau starrte ihn nur entsetzt an.
„Die Prothesen, die du gestohlen hast. Wo sind sie?“, fragte Vitali erneut, diesmal mit mehr Nachdruck.
„Ich, ich …“, stammelte die Frau, bevor sie sich fasste: „So etwas würde ich nie anfassen! Ich nehme mir nur Bandagen und Arzneimittel!“
Er stockte. Ihre Augen zeigten ihm, dass sie die Wahrheit sagte und sie wirkte nicht wie eine Berufskriminelle, die ihr Leben für so etwas aufs Spiel setzten würde.
Innerlich verfluchte er seine Ungeduld, denn in seinem Übereifer hatte er die Falsche erwischt.
Um ein wenig Zeit zum Nachdenken zu gewinnen schob er ihr das Paket mit dem Fuß zu.
„Öffne es!“, befahl er ihr und beobachtete sie, wie sie mit zitternden Händen den Karton aufriss.
Im Inneren befanden sich drei Bandagen und ein braunes Fläschchen mit einer klaren Flüssigkeit.
„Verwendest du das Zeug selbst oder verkaufst du es?“, fragte er, einer Idee folgend.
„Ich verkaufe es. Wir Wachen bekommen nicht gerade viel Geld!“, gab sie trotzig zurück und Vitali konnte ihren Zorn förmlich spüren.
„An wen?“, wollte er als nächstes wissen, aber sie schüttelte den Kopf.
„An wen verkaufst du es? Ich bin nicht hier, um jemanden, der Bandagen stiehlt zu fangen, ich bin hinter einem Schmuggler her. Jetzt sag mir, wer in dieser verfluchten Stadt mit illegalen Waren handelt und wir können die ganze Episode hier vergessen!“
Sie brauchte ein wenig, um seinen Worten zu folgen, wirkte dann aber beinahe erleichtert:
„Im ‚Kanal‘ gibt es eine Frau namens Rosie. Sie kauft einem alles ab, was auch nur im Entferntesten mit Medizin zu tun hat. Was sie danach damit macht, kann ich aber nicht sagen!“
„Wo ist der ‚Kanal‘ und wie finde ich diese Rosie?“, setzte Vitali nach und die junge Frau antwortete: „Der Eingang ist nur wenige Straßen weiter, im Keller des einzigen roten Hauses. Arbeitende Leute trauen sich normalerweise nicht dort runter, aber du solltest damit keine Probleme haben.
Rosie erkennst du an ihrem Aussehen. Sie hat eine Narbe, die quer über ihr Gesicht verläuft und eines ihrer Augen ist synthetisch.“
Vitali wich zurück und überlegte einen Moment, was er als Nächstes tun sollte.
Die Frau hatte gestohlen, aber er war nicht hierhergekommen, um Polizist zu spielen. Er ließ den Revolver aufklappen und die Munition zu Boden fallen, bevor er ihr die Waffe aushändigte und ohne ein weiteres Wort davonging.
Eine Vorsichtsmaßnahme, damit sie ihm nicht in den Rücken schießen konnte, auch wenn er sich beinahe sicher war, dass sie das nicht vorhatte.
Solange er die Prototypen finden konnte, war es ihm egal, was die Menschen hier taten.
Langsam schlenderte er in die Richtung, in die sie gezeigt hatte und fand sich schon bald vor dem roten Haus wieder.
Es war das einzige Haus, das noch aus Holz gebaut war, im Straßenzug und schien ein Überbleibsel aus einer schlimmeren Zeit zu sein, aber Vitali trat dennoch ein.
Die Türe quietschte laut, als er sie nach innen drückte und Staub wirbelte im schwachen Lichtschein der Straßenlampen auf.
Das Gebäude war seit Jahren unbewohnt und nur vereinzelte Fußspuren ließen darauf schließen, dass überhaupt jemand dieses Haus betreten hatte.
Soweit er es beurteilen konnte, befand er sich in einer Art Wohnzimmer, das aber schon vor Jahren von jeglichen Möbeln befreit worden war.
Die Abdrücke am Boden führten alle zur gleichen Stelle. An der Hinterwand konnte der Mann eine Öffnung ausmachen, an der er den Anfang eines Geländers sehen konnte.
Sogar das Licht schien diesen Ort zu meiden.
Die schmale Treppe führte in den Keller hinunter und Vitali stütze sich an dem morschen Geländer ab, als er das Knarzen der einzelnen Stufen unter seinen Füßen hörte.
Mit einer geübten Handbewegung zündete der Mann ein Streichholz am rauen Stoff seiner Hose an und setzte seinen Abstieg fort.
Das Bild, das sich ihm im Keller bot, überraschte ihn nicht: leere Glasbehälter schmückten Regale an den Wänden und der Boden unter seinen Füßen schien leicht zu beben, als er in die Mitte des Raumes ging, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
Er brauchte nur ein paar Sekunden, bis er die schwere Eisentüre, die in eine der Steinmauern eingelassen war, fand.
Zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass sie sich leicht und vor allem leise öffnen ließ.
Aus dem Loch, das sich nun öffnete drang Musik und brüllendes Gelächter an sein Ohr und würzige Gerüche füllten seine Nase. Neonlicht tauchte die Straße, die ein paar Meter unter ihm verlief, in buntes Licht und wankende Gestalten zogen dort lachend von Tür zu Tür.
Hier war er richtig, dachte er, und stieg die Stufen hinab.