Читать книгу BOY'S LIFE - Die Suche nach einem Mörder - Robert Mccammon - Страница 10

Der Eindringling

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Alles beruhigte sich wieder, wie es meist der Fall ist.

Am ersten Samstagnachmittag im April, als die Bäume Knospen trugen und Blumen sich aus der warmen Erde schoben, saß ich zwischen Ben Sears und Johnny Wilson von brüllenden Leuten umzingelt, während Tarzan – Gordon Scott, der beste Tarzan, den es je gegeben hat – sein Messer im Bauch eines Krokodils versenkte. Blut spritzte in scharlachroter Filmfarbe auf.

»Hast du das gesehen? Hast du das gesehen?«, fragte Ben immer wieder und stieß mir seinen Ellbogen in die Rippen. Natürlich sah ich es. Ich hatte schließlich Augen, oder nicht? Meine Rippen würden bis zu den Three Stooges in der Filmpause nicht überleben, so viel war sicher.

Das Lyric war das einzige Kino in Zephyr. Es war 1945 nach Ende des Zweiten Weltkriegs gebaut worden, als Zephyrs Söhne nach Hause marschierten oder humpelten und nach Unterhaltung verlangten, die die Albträume von Hakenkreuzen und der Aufgehenden Sonne vertreiben konnte. Irgendein wohlhabender Stadtvater griff tief in die Tasche und ließ aus Birmingham einen Architekten kommen, der einen Bauplan zeichnete und auf einem verkommenen Grundstück, das einst eine Tabakscheune beheimatet hatte, Quadrate absteckte. Natürlich war ich zu der Zeit noch nicht geboren, aber Mr. Dollar könnte euch die ganze Geschichte erzählen. Ein wahrer Palast voller Stuckengel wurde errichtet, und wenn wir junge Burschen uns samstagnachmittags mit unserem Popcorn, Süßigkeiten und Flaschen Schokoladenmilch in die Sitze flegelten, konnten unsere Eltern ein paar Stunden lang durchatmen.

Jedenfalls saß ich an einem Samstagnachmittag mit meinen zwei Freunden im Tarzan-Film. Ich weiß nicht mehr, warum Davy Ray nicht mit dabei war; ich glaube, er hatte Stubenarrest, weil er Molly Lujack einen Kiefernzapfen an den Kopf geworfen hatte.

Satelliten konnten zum Himmel steigen und Funken ins Weltall spucken. Ein Mann mit Bart und Zigarre konnte auf einer Insel vor Floridas Küste Spanisch plappern, während Blut die Bucht der Schweine rot färbte. Der kahlköpfige Russe konnte seinen Schuh werfen. Soldaten konnten ihre Ausrüstung für einen Ausflug in einen Dschungel namens Vietnam packen. Atombomben konnten in der Wüste gezündet werden und Mannequins aus Reihenhauswohnzimmern fliegen lassen. Nichts davon interessierte uns. Das war keine Magie. Magie gab es samstagnachmittags im Doppelfilm im Lyric, und wir nutzten die Gelegenheit, uns in diesem Zauber zu verlieren.

Ich erinnere mich an eine Fernsehsendung – 77 Sunset Strip –, in welcher der Held ein Kino betrat, das Lyric hieß, und das ließ mich über das Wort nachdenken. Ich schlug es in meinem massiven 22.483 Seiten langen Wörterbuch nach, das Granddaddy Jaybird mir zu meinem zehnten Geburtstag geschenkt hatte.

Lyric, stand da: Melodisch. Zum Singen geeignet. Ein lyrisches Gedicht. Von Lyra, Leier. Das schien in Bezug auf ein Kino nicht viel Sinn zu ergeben, bis ich Leier in meinem Wörterbuch nachschlug. Leier brachte mich zur erzählenden Dichtkunst, die reisende Minnesänger zu Zeiten der Schlösser und Könige vortrugen. Was mich zu dem wunderbaren Wort erzählen führte. Schon als Kind kam es mir so vor, als würde alle Kommunikation – ob im Fernsehen, in Filmen oder Büchern – mit jemandem beginnen, der eine Geschichte erzählen will. Dieses Bedürfnis zu erzählen, sich in ein weltweites Netz einzuweben, ist wahrscheinlich unser größtes Verlangen. Und das Bedürfnis, Geschichten zu hören, auch nur für einen kurzen Augenblick ein anderes Leben als unser eigenes zu leben, ist der Schlüssel zu der Magie, die uns von Geburt an in den Knochen steckt.

Das Lyric.

»Spieß es auf, Tarzan! Erstich es!«, schrie Ben, und sein Ellbogen machte Überstunden. Ben Sears war ein rundlicher Junge mit kurzgeschorenen braunen Haaren. Er hatte eine hohe, mädchenhafte Stimme und trug eine Hornbrille. Ein Hemd, das in seine Jeans gesteckt bleiben konnte, war noch nicht erfunden worden. Er war so unbeholfen, dass ihn seine Schuhbänder erdrosseln konnten. Er hatte ein breites Kinn und dicke Backen und würde nie zu einer Tarzan-Figur werden, von der die Mädchen träumten, aber er war mein Freund. Johnny Wilson war im Gegensatz zu Bens pausbäckiger Ausgelassenheit schlank, still und ein Bücherwurm. Er hatte einen indianischen Vorfahren und das zeigte sich in seinen schwarzen, glänzenden Augen. Die Sommersonne ließ seine Haut braun wie einen Pinienkern werden. Seine Haare waren fast schwarz und bis auf eine Stirntolle, die an seinem Scheitel wie eine wilde Zwiebel empor spross, mit Vitalis pomadisiert. Sein Vater, ein Vorarbeiter in der Gipsplattenfabrik zwischen Zephyr und Union Town, trug seine Haare genauso.

Johnnys Mutter war die Bibliothekarin der Schule von Zephyr, deshalb nehme ich an, dass er durch sie zu seiner Bücherliebe gekommen ist. Johnny fraß sich durch Enzyklopädien wie andere Kinder durch Süßigkeiten. Er hatte eine Nase wie ein Beil der Cherokee und seine rechte Augenbraue war von einer kleinen Narbe verzerrt, wo sein Cousin Philbo ihn 1960 mit einem Stock getroffen hatte, als wir alle Soldat gespielt hatten. Auf dem Schulhof wurde Johnny Wilson gehänselt, er sei ein Squawbaby oder hätte Negerblut, und zu allem Übel war er mit einem Klumpfuß geboren worden, was die gegen ihn gerichteten Gemeinheiten noch verdoppelte. Er war bereits stoisch, bevor ich die Bedeutung des Wortes überhaupt kannte.

Der Film schlängelte sich auf sein Finale zu wie ein Dschungelfluss zum Ozean. Tarzan besiegte den niederträchtigen Elefanten, gab dem Stamm den Salomonstern zurück und schwang sich in den Sonnenuntergang. Die kurze Pause mit den Three Stooges begann, in der Moe faustweise die Haare von Larry ausriss und Curly in einer mit Hummern gefüllten Badewanne saß. Wir amüsierten uns königlich.

Und dann, ohne jegliche Fanfare, begann der zweite Film.

Es war ein Schwarzweißfilm, was dem Publikum sofort Laute des Unmuts entlockte. Jeder wusste, dass Farbe echtes Leben war. Auf der Leinwand erschien der Titel: Invasion vom Mars. Der Film wirkte alt, als wäre er in den Fünfzigerjahren gedreht worden.

»Ich geh Popcorn holen«, verkündete Ben. »Wollt ihr welches?« Wir sagten nein, und er suchte sich seinen Weg durch den dichtbesetzten Gang.

Der Vorspann endete und die Story begann.

Ben kam mit seiner Tüte Butterpopcorn gerade rechtzeitig zurück, um zu sehen, was der junge Held durch sein auf den Nachthimmel gerichtetes Teleskop entdeckte: eine fliegende Untertasse, die hinter seinem Haus auf einem Sandhügel landete. Meistens brüllte und lachte das Samstagnachmittagspublikum, wenn auf der Leinwand nicht gekämpft wurde, aber dieses Mal versetzte der beeindruckende Anblick des unheilverkündenden Ufos im Landeanflug den Saal in Schweigen.

Ich glaube, der Kinoimbiss machte in den folgenden anderthalb Stunden keinerlei Umsatz, auch wenn einige Kinder aufstanden und nach draußen liefen, um sich zu vergewissern, dass es heller Tag war. Der Junge in dem Film konnte niemanden davon überzeugen, dass er eine fliegende Untertasse landen gesehen hatte. Er beobachtete durch sein Teleskop, wie ein Polizist von einer Art groteskem, unerklärlichem Staubsauger in aufgewirbeltem Sand weggesaugt wurde. Dann kam der Polizist ins Haus und versicherte dem Jungen, dass ganz gewiss kein Ufo gelandet war. Es hatte ja sonst niemand etwas gesehen, oder? Allerdings benahm sich der Polizist … seltsam. Wie ein Roboter. Seine Augen lagen wie tot in seinem käsigen Gesicht. Dem Jungen fiel eine ungewöhnliche x-förmige Wunde am Nacken des Polizisten auf. Der Polizist, der ein fröhlicher Mann gewesen war, bevor er auf den Sandhügel gegangen war, lächelte nicht. Er war anders.

Die x-förmige Wunde begann auch am Hals von anderen Menschen zu erscheinen. Niemand glaubte dem Jungen, der seinen Eltern zu erklären versuchte, dass es in der Erde hinter ihrem Haus ein Nest von Marsbewohnern gab. Dann gingen seine Eltern nach draußen, um selbst nachzuschauen.

Ben hatte die Popcorntüte auf seinem Schoß vergessen. Johnny saß mit an die Brust gezogenen Knien da. Ich schien keine Luft mehr zu bekommen.

Oh, du bist so ein alberner Junge, sagten seine Eltern grimmig zu ihm, als sie von ihrem Erkundungsgang zurückkamen. Da ist nichts, wovor du Angst haben musst. Nichts. Alles ist in Ordnung. Komm mit, lass uns an die Stelle gehen, wo du meinst, dass dieses Raumschiff gelandet ist. Lass uns dir zeigen, was für ein alberner, alberner Junge du bist.

»Geh nicht«, flüsterte Ben. »Geh nicht, geh nicht!« Ich hörte, wie seine Fingernägel an den Armlehnen kratzten.

Der Junge rannte. Er rannte von Zuhause und vor diesen Fremden weg, die nicht lächeln konnten. Überall, wo er hinsah, entdeckte er die x-förmige Wunde. Der Polizeipräsident hatte eine hinten am Nacken. Menschen, die der Junge schon sein Leben lang kannte, waren plötzlich anders, und sie wollten, dass er bei ihnen blieb, bis seine Eltern ihn abholten. Alberner, alberner Junge, sagten sie. Unterirdische Marsmenschen, die die Weltherrschaft übernehmen wollen? Wer glaubt denn an so was?

Am Ende dieses Horrorstreifens fand die Armee ein Tunnelnetzwerk, das die Marsmännchen in die Erde gegraben hatten. Dort unten hatten die Marsbewohner eine Maschine, die einem in den Nacken schnitt und Menschen zu ihresgleichen machte. Der Anführer der Marsmännchen, ein Kopf mit Tentakeln in einer Glasschale, sah wie etwas aus, das aus einer Klärgrube hochgekrochen war. Der Junge und die Armee kämpften gegen die Marsbewohner, die durch die Tunnel torkelten, als hätten sie mit der Schwerkraft zu kämpfen. Als die Maschinen der Außerirdischen mit den Panzern der Armee zusammenstießen und das Schicksal der Erde in der Waagschale hing …

… wachte der Junge auf.

Ein Traum, sagte sein Vater. Seine Mutter lächelte ihn an. Ein Traum. Du musst keine Angst haben. Leg dich wieder schlafen, wir sehen uns am Morgen.

Nur ein schlimmer, schlimmer Traum.

Und dann stand der Junge im Dunkeln auf, spähte durch sein Teleskop und sah, wie sich eine fliegende Untertasse aus dem stürmischen Nachthimmel auf einen Sandhügel hinter seinem Haus niedersenkte.

Ende?

Im Kinosaal ging das Licht an. Die Samstagnachmittagsvorstellung war vorbei.

»Was ist denn mit denen los?«, hörte ich Mr. Stellko, den Manager des Lyric, zu einem der Angestellten sagen. »Wieso sind die denn alle so still?«

Wahre Panik kennt keine Worte.

Irgendwie gelangten wir zu unseren Fahrrädern und traten in die Pedale. Manche Kinder gingen zu Fuß nach Hause, andere warteten, dass ihre Eltern sie abholten. Das, was wir gerade gesehen hatten, verband uns alle, und als Ben, Johnny und ich an der Tankstelle in der Ridgeton Street Halt machten, um Johnnys Vorderreifen aufpumpen zu lassen, ertappte ich Ben dabei, wie er Mr. Whites Nacken anstarrte – dort, wo die sonnenverbrannte Haut in Falten lag.

An der Kreuzung von Bonner und Hilltop Street trennten sich unsere Wege. Johnny raste nach Hause, Ben strampelte sich mit seinen kurzen Beinen ab, und ich kämpfte jeden Meter mit meiner rostigen Kette. Mein Fahrrad hatte seine besten Tage hinter sich. Es war bereits uralt gewesen, als es über einen Flohmarkt seinen Weg zu mir gefunden hatte. Ich bettelte ständig um ein neues, aber mein Vater sagte, ich würde mich entweder mit dem zufriedengeben müssen, was ich hatte, oder ohne eins auskommen müssen. In manchen Monaten hatten wir kaum ausreichend Geld; es war ein Luxus, samstags ins Kino zu gehen. Irgendwann später wurde mir klar, dass der Samstagnachmittag die einzige Gelegenheit war, zu der die Matratzenfedern meiner Eltern eine Symphonie singen konnten, ohne dass ich mich fragte, was da los war.

»Hast du Spaß gehabt?«, fragte meine Mutter, als ich reinkam. Ich hatte erst noch mit Rebel gespielt.

»Ja, Ma’am«, sagte ich. »Der Tarzan-Film war klasse.«

»War das nicht ein Doppelfilm?«, fragte Dad, der mit hochgelegten Füßen auf dem Sofa saß. Im Fernsehen lief ein Spiel aus der Baseballliga; es war diese Jahreszeit.

»Ja, Sir.« Ich ging an ihnen vorbei, um mir aus der Küche einen Apfel zu holen.

»Na, und worum ging’s in dem zweiten Film?«

»Ach … um nichts«, antwortete ich.

Eltern können eine Flunkerei schneller riechen als eine verhungernde Katze eine Maus. Sie ließen mich den Apfel holen, ihn unter dem Wasserhahn waschen, ihn trockenreiben und ins Wohnzimmer zurückbringen. Sie ließen mich einen Bissen nehmen, und dann sah mein Dad vom Fernseher weg und fragte: »Was ist mit dir los?«

Ich kaute am Apfel. Mom setzte sich neben Dad und beide hatten ihren Blick auf mich gerichtet. »Sir?«, fragte ich.

»Jeden Samstag platzt du hier rein wie ein Wilder und willst uns jedes einzelne Detail aus dem Film erzählen. Wir können dich kaum davon abhalten, uns jede einzelne Szene vorzuspielen. Also, was ist heute mit dir los?«

»Äh … ich glaube, ich … weiß nicht so recht.«

»Komm mal her«, sagte Mom. Als ich gehorchte, legte sie mir ihre Hand auf die Stirn. »Fieber hast du nicht. Cory, ist dir schlecht?«

»Mir geht’s gut.«

»Also der eine Film war über Tarzan«, bohrte mein Vater dickköpfig wie eine Bulldogge weiter. »Und worum ging’s in dem anderen Film?«

Ich nahm an, dass ich ihnen den Titel sagen konnte. Aber wie konnte ich ihnen erklären, worum es wirklich gegangen war? Wie konnte ich ihnen sagen, dass der Film, den ich eben gesehen hatte, die Urangst eines jeden Kindes berührte: Dass die Eltern in einem unwiederbringlichen Moment für immer dahingerafft und durch kalte Fremde ersetzt werden, die nicht lächeln können?

»Es war … ein Monsterfilm«, entschied ich zu antworten.

»Na, dann war es ja genau das Richtige für dich.« Als ein Baseballschläger wie eine Pistole knallte, richtete Dads Aufmerksamkeit sich wieder auf das Spiel. »Boah! Lauf, Mickey, lauf!«

Das Telefon klingelte. Ich beeilte mich ranzugehen, bevor meine Eltern noch mehr Fragen stellen konnten. »Cory? Hallo, hier ist Mrs. Sears. Kann ich bitte mit deiner Mutter sprechen?«

»Einen Moment. Mom?«, rief ich. »Telefon für dich!«

Mom nahm den Hörer, und ich musste aufs Klo. Zum Glück nur pinkeln. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich mit der frischen Erinnerung an die Tentakel des Marsmännchenkopfs auf die Toilette setzen wollte.

»Rebecca?«, sagte Mrs. Sears. »Wie geht’s?«

»Gut, Lizbeth. Hast du deine Lotterielose noch bekommen?«

»Oh, ja. Vier Stück. Und ich hoffe, dass wenigstens eins davon gewinnt.«

»Schön.«

»Also, weshalb ich anrufe – Ben ist eben vom Kino zurückgekommen, und ich wollte wissen, wie es Cory geht.«

»Cory? Der …« Sie stockte und ließ sich mein seltsames Benehmen durch den Kopf gehen. »Er sagt, dass mit ihm alles in Ordnung ist.«

»Ben auch, aber er benimmt sich etwas … ich weiß nicht, als ob ihn irgendwas quält oder so. Normalerweise lässt er Sim und mir keine Ruhe und will uns von den Filmen erzählen, aber heute bringen wir kein Wort aus ihm heraus. Jetzt ist er hinten im Garten. Er sagte, er wollte nach irgendwas gucken, aber nach was, will er uns nicht sagen.«

»Cory ist im Badezimmer«, sagte meine Mutter, als wäre das auch ein Teil des Rätsels. Sie senkte die Stimme für den Fall, dass ich sie über das Geräusch meines Pinkelns hören konnte. »Er benimmt sich auch komisch. Glaubst du, dass im Kino irgendwas zwischen ihnen vorgefallen ist?«

»Der Gedanke kam mir. Vielleicht haben sie sich gestritten.«

»Ja, sie sind ja schon lange Freunde, aber es kommt vor.«

»Ist mir mit Amy Lynn McGraw auch passiert. Sechs Jahre lang waren wir beste Freunde und dann haben wir wegen einer verlorengegangenen Packung Nähnadeln ein ganzes Jahr nicht miteinander geredet. Aber ich habe mir gedacht, dass die Jungs sich vielleicht noch mal treffen sollten. Falls sie sich gestritten haben, sollten sie es vielleicht schnell wieder ins Reine bringen.«

»Das macht Sinn.«

»Ich wollte Ben fragen, ob er möchte, dass Cory heute Abend bei uns schläft. Hättest du etwas dagegen?«

»Mir ist das egal, aber ich werde Tom und Cory fragen müssen.«

»Warte mal kurz«, sagte Mrs. Sears. »Ben kommt gerade rein.« Meine Mutter hörte eine Tür schlagen. »Ben? Ich habe Corys Mutter am Apparat. Möchtest du, dass Cory heute Nacht hier schläft?« Meine Mutter horchte, aber über dem Lärm unserer Toilettenspülung hinweg konnte sie Bens Antwort nicht hören. »Er sagt, das wäre toll«, erklärte Mrs. Sears.

Ich platzte aus dem Badezimmer mitten in die gutgemeinte Verschwörung hinein. »Cory, willst du heute Abend bei Ben übernachten?«

Ich überlegte. »Weiß nicht«, sagte ich, aber warum, konnte ich ihr nicht sagen. Als ich das letzte Mal dort geschlafen hatte, im Februar war das gewesen, war Mr. Sears die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen und Mrs. Sears war auf und ab gegangen und hatte sich Sorgen gemacht, wo er wohl abgeblieben war. Ben erzählte mir, dass sein Vater viele Autofahrten unternahm, die die ganze Nacht dauerten, und er hatte mich gebeten, das nicht zu verraten.

»Ben möchte es gern«, drängte Mom, die mein Zögern missverstand.

Ich zuckte mit den Schultern. »Okay. Warum nicht.«

»Geh deinen Vater fragen, ob du darfst.« Während ich ins Wohnzimmer ging, um Dads Erlaubnis einzuholen, sagte meine Mutter zu Mrs. Sears: »Ich weiß, wie wichtig Freundschaften sind. Falls es da ein Problem gibt, werden wir sie schon dazu bringen, sich wieder zu vertragen.«

»Dad sagt, ich darf«, richtete ich ihr aus, als ich wieder zurückkam. Wenn mein Vater Baseball schaute, hätte er auch eingewilligt, sich die Zähne mit Stacheldraht zu putzen.

»Lizbeth? Er kommt. So gegen achtzehn Uhr?« Sie legte die Hand auf die Sprechmuschel und sagte zu mir: »Es gibt bei ihnen Brathähnchen zum Abendessen.«

Ich nickte und versuchte zu lächeln, aber meine Gedanken steckten in den Tunneln fest, in denen die Marsbewohner die Zerstörung der Menschheit planten, Stadt für Stadt.

»Rebecca? Und wie geht’s sonst?«, fragte Mrs. Sears. »Du weißt schon, was ich meine.«

»Na, nun geh schon, Cory«, sagte Mom zu mir, und ich gehorchte, obwohl ich wusste, dass gleich wichtige Dinge besprochen werden würden. »Na ja«, sagte sie dann zu Lizbeth Sears, »Tom schläft jetzt wieder etwas besser, aber die Albträume hat er immer noch. Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun, das hilft, aber ich glaube, er muss damit wohl selbst fertig werden.«

»Ich habe gehört, dass der Sheriff so ziemlich aufgegeben hat.«

»Es ist jetzt drei Wochen her und es ist kein einziger Tipp eingegangen. J.T. hat Tom am Freitag erzählt, dass er in ganz Alabama und auch Georgia und Mississippi Erkundigungen eingezogen hat, aber nichts rausfinden konnte. Es ist geradezu, als wäre dieser Mann im Auto von einem andern Planeten gekommen.«

»Das nenne ich mal einen unheimlichen Gedanken.«

»Da ist noch was anderes«, sagte meine Mutter und seufzte schwer. »Tom hat sich … verändert. Es sind nicht nur die Albträume, Lizbeth.« Sie drehte sich zur Vorratskammer um und zog das Hörerkabel so weit es ging mit sich, damit Dad nichts hören konnte. »Er hat früher nie abgeschlossen, und jetzt verriegelt er sorgfältig alle Türen und Fenster. Bis das passiert ist, haben wir unsere Türen so gut wie nie abgeschlossen. Wer macht das hier auch? Und jetzt steht Tom nachts zwei oder drei Mal auf, um die Riegel zu überprüfen. Und letzte Woche kam er von seiner Milchroute mit rotem Lehm an den Stiefeln nach Hause, obwohl es nicht geregnet hatte. Ich glaube, er war wieder am See.«

»Aber warum denn bloß?«

»Keine Ahnung. Um sich die Füße zu vertreten und nachzudenken, nehme ich an. Ich weiß noch, als ich neun Jahre alt war – da hatte ich einen gelben Kater, der genau vor unserm Haus von einem Laster überfahren wurde. Calicos Blut war auf dem Asphalt noch so lange zu sehen. Die Stelle hat mich angezogen. Ich hasste es, aber ich musste hingehen und mir ansehen, wo Calico gestorben war. Ich hab immer gedacht, dass da doch irgendwas sein musste, was ich hätte tun können, um ihn am Leben zu halten. Oder vielleicht glaubte ich bis zu dem Tag, dass alles ewig lebt.« Sie schwieg, starrte auf die Bleistiftlinien am Türrahmen, die mein Wachstum markierten. »Ich glaube, dass Tom zurzeit viel auf dem Herzen hat.«

Ihr Gespräch wandte sich diesem und jenem zu, obwohl sich im Grunde alles um den Vorfall am Saxon’s Lake drehte. Ich sah mir mit Dad das Baseballspiel an und merkte, dass er seine rechte Hand immer wieder zur Faust ballte und öffnete, als versuchte er entweder etwas zu fassen oder sich aus einem Griff zu befreien. Dann wurde es Zeit, dass ich losging, und ich holte meinen Pyjama, meine Zahnbürste, frische Socken und Unterwäsche raus und stopfte alles in meinen alten Armeerucksack. Dad ermahnte mich, auf mich aufzupassen, und Mom wünschte mir viel Spaß und sagte, dass ich am Morgen rechtzeitig zur Sonntagsschule zurück sein sollte. Ich streichelte Rebel den Kopf und warf ihm einen Stock zum Apportieren, dann stieg ich auf mein Rad und fuhr los.

Ben wohnte nicht weit weg, nur eine halbe Meile oder so von meinem Haus entfernt in der Deerman Street, einer Sackgasse. Bei seiner Straße trat ich ganz vorsichtig in die Pedale, denn die Ecke von Deerman und Shantuck Street wurde vom düsteren Haus der berüchtigten Branlin-Brüder bewacht. Die Branlins, dreizehn und vierzehn Jahre alt, hatten blond gebleichte Haare und Spaß an Zerstörung. Oft kreisten sie auf ihren identisch aussehenden schwarzen Fahrrädern wie Geier auf der Suche nach Frischfleisch durch die Nachbarschaft. Ich hatte von Davy Ray Callan gehört, dass die Branlins auf ihren schnellen schwarzen Rädern manchmal versuchten, Autos von der Straße abzudrängen, und dass er sogar gehört hatte, wie Gotha Branlin, der ältere, zu seiner eigenen Mutter gesagt hatte, sie solle zur Hölle fahren. Gotha und Gordo waren wie die Pest; man hoffte, dass sie einen nicht erwischten, aber wenn sie dich in die Finger bekamen, gab es kein Entrinnen.

Bis jetzt war ich ihren wahllosen Gemeinheiten meist entkommen. Und ich wollte, dass das so blieb.

Bens Haus sah meinem sehr ähnlich. Ben hatte einen braunen Hund namens Tumper, der auf der Veranda lag und sich hochrappelte, um bellend meine Ankunft zu verkünden. Ben kam raus, und Mrs. Sears sagte Hallo und fragte, ob ich ein Glas Limonade wollte. Sie hatte dunkle Haare und ein hübsches Gesicht, aber Hüften breit wie Wassermelonen. Drinnen kam Mr. Sears aus seiner Holzwerkstatt im Keller hoch, um ein paar Worte mit mir zu wechseln. Er war groß und ebenfalls rundlich, mit roten Hängebacken und kurzgeschorenen braunen Haaren. Mr. Sears war ein fröhlicher Mann, dessen Hasenzähne beim Grinsen vorstanden. Sägespäne hingen an seinem gestreiften Hemd und er erzählte mir einen Witz über einen Baptistenprediger und ein Plumpsklo, den ich nicht richtig verstand. Aber er lachte, um mich auf die Pointe aufmerksam zu machen, und Ben sagte »Ach, Daddy!«, als hätte er den dummen Witz schon ein dutzend Mal gehört.

In Bens Zimmer packte ich meinen Rucksack aus. Ben besaß tolle Sammlungen: Baseballkarten, Kronkorken und Wespennester. Während ich mich häuslich einrichtete, setzte Ben sich auf seine Superman-Bettdecke. »Hast du deinen Eltern von dem Film erzählt?«, fragte er.

»Nein. Und du?«

»Nee.« Er zog an einem losen Faden in Supermans Gesicht. »Wieso hast du ihnen nichts gesagt?«

»Weiß nicht. Wieso hast du nichts gesagt?«

Ben zuckte die Achseln, aber in seinem Kopf arbeitete es. »Ich schätze«, sagte er, »dass es zu schlimm zum Erzählen war.«

»Ja.«

»Ich war draußen«, sagte Ben. »Da ist kein Sand. Nur Stein und Fels.«

Wir waren uns einig, dass die Marsmännchen es schwer haben würden sich durch die roten Felsen der Hügel zu bohren, von denen Zephyr umgeben war. Wenn sie denn kamen. Dann machte Ben einen Karton auf und zeigte mir seine Kaugummisammelbilder mit ihren blutigen Darstellungen von Männern aus dem Zivilkrieg, die erschossen, von Bajonetten aufgespießt und von Kanonenkugeln zertrümmert wurden, und wir dachten uns zu jeder Karte eine Geschichte aus, bis seine Mutter mit einer Glocke klingelte, um uns wissen zu lassen, dass es Zeit für Brathähnchen war.

Nach dem Essen – und Mrs. Sears leckerer Sahnetorte, zu der wir ein Glas kalte Green Meadows Milch tranken – spielten wir zusammen eine Partie Scrabble. Bens Eltern waren in einem Team und Mr. Sears versuchte immer wieder ausgedachte Wörter wie »kapflaum« und »gogenus« gelten zu lassen, von denen selbst ich wusste, dass sie nicht im Wörterbuch standen. Mrs. Sears sagte, dass er verrückt wie ein Affe mit Juckpulver war, aber sie grinste über seine Späße genau wie ich. »Cory?«, fragte er. »Kennst du den mit den drei Predigern, die versuchen, in den Himmel zu kommen?«

Noch bevor ich nein sagen konnte, legte er schon mit dem Witz los. Priesterwitze schienen ihm am meisten zu gefallen, und ich fragte mich, was der Methodistenpfarrer Reverend Lovoy wohl von den Witzen halten würde.

Es war nach acht und wir hatten unsere zweite Partie Scrabble begonnen, als Tumper auf der Veranda bellte. Ein paar Sekunden später klopfte es. »Ich geh schon«, sagte Mr. Sears. Er öffnete die Tür, vor der ein sehniger Mann in Jeans und einem rotkarierten Hemd stand. Er hatte ein markantes Gesicht. »Hallo, Donny!«, begrüßte Mr. Sears ihn. »Komm rein, alter Knabe!«

Mrs. Sears ließ ihren Gatten und den Mann namens Donny nicht aus den Augen. Ich sah, wie ihr Kiefer sich verspannte.

Donny sagte leise etwas zu Mr. Sears, der uns zurief: »Donny und ich setzen uns ein bisschen auf die Veranda. Spielt ihr ruhig weiter.«

»Schatz?« Mrs. Sears verzog den Mund zu einem Lächeln, aber ich konnte sehen, dass es Gefahr lief, sich zu verflüchtigen. »Ich brauche einen Mitspieler.«

Die Verandatür schloss sich hinter seinem Rücken.

Mrs. Sears saß einen langen Moment stockstill da und starrte die Tür an. Ihr Lächeln war verschwunden.

»Mom«, sagte Ben. »Du bist dran.«

»Na gut.« Sie versuchte sich auf die Buchstaben zu konzentrieren. Ich sah, dass sie es mit aller Macht versuchte, aber ihr Blick wanderte immer wieder zur Verandatür. Draußen saßen Mr. Sears und der drahtige Mann namens Donny auf Klappstühlen in ein leises und ernstes Gespräch vertieft. »Na gut«, wiederholte Bens Mutter. »Lass mich überlegen. Gib mir eine Minute.«

Mehr als eine Minute verging. In der Ferne begann ein Hund zu bellen. Dann noch zwei. Tumper stimmte in das Bellen ein. Mrs. Sears war immer noch dabei sich ihre Buchstaben auszusuchen, als die Tür wieder aufflog.

»He, Lizbeth! Ben! Kommt raus, aber schnell!«

»Was ist denn, Sim? Was …?«

»Kommt raus!«, rief er, und natürlich standen wir alle vom Tisch auf, um zu sehen, was los war.

Donny stand im Vorgarten und sah in Richtung Westen zum Himmel hoch. Die Hunde der Nachbarschaft bellten wie verrückt. In den Fenstern brannte Licht, und andere Menschen kamen nach draußen, um zu sehen, was der Lärm sollte. Mr. Sears zeigte in die Richtung, in die Donny starrte. »Habt ihr so was schon mal gesehen?«

Ich sah nach oben, Ben ebenfalls, und ich hörte ihn nach Luft schnappen, als hätte ihn jemand in den Magen geboxt.

Es kam aus dem Nachthimmel, schwebte aus dem Sternenzelt herunter: ein rotglühendes Ding, das lila Feuerstreifen hinter sich herzog. Es ließ in der Dunkelheit eine weiße Rauchschleppe hinter sich zurück.

In diesem Moment explodierte mir fast das Herz. Ben wich zurück, und wäre er nicht gegen die Hüften seiner Mutter geprallt, wäre er wohl hingefallen. Ich wusste in meinem hämmernden, rebellierenden Herz, dass überall in Zephyr Kinder, die am Nachmittag im Lyric gewesen waren, zum Himmel sahen und spürten, wie bodenlose Angst ihnen die Lippen von den Zähnen schälte.

Ich machte mir fast in die Hose. Irgendwie schaffte ich es anzuhalten, aber es war knapp.

Ben heulte. Er gab unverständliche Geräusche von sich. »Das ist … das ist … das ist …«, keuchte er.

»Ein Komet!«, schrie Mr. Sears. »Schaut nur, wie das Ding runterkommt!«

Donny grunzte und schob sich einen Zahnstocher in den Mundwinkel. Ich warf ihm einen Blick zu und sah im Verandalicht, dass seine Fingernägel dreckig waren.

Das Licht fiel in einer langen, langsamen Spirale, hinter der seitlich Funkenbänder wegsprühten. Es machte kein Geräusch, aber Menschen schrien einander zu, sie sollten gucken, und ein paar Hunde hatten die Art von Geheul angestimmt, das einem Gänsehaut über den Rücken jagt.

»Der landet zwischen hier und Union Town«, kommentierte Donny. Er hielt den Kopf schief. Sein Gesicht war ausgemergelt und seine dunklen Haare seidig glänzend von Brillantine. »Kommt runter wie ein Hurensohn.«

Zwischen Zephyr und Union Town lagen acht Meilen vom Tecumseh River durchschnittene Hügellandschaft, Wald und Sumpf. Marsland, wenn es je welches gegeben hatte, dachte ich, und spürte, wie alle Synapsen in meinem Gehirn schrillten, als hätte jemand den Feueralarm gezogen. Ich sah Ben an. Seine Augen schienen von dem Druck in seinem Kopf, den die schiere Angst verursachte, hervorzuquellen. Das einzige, an das ich denken konnte, als ich wieder den Feuerball anstarrte, war der Kopf mit den Tentakeln in der Glasschale, ein Gesicht von gelassener Boshaftigkeit, das leicht orientalisch aussah. Ich konnte kaum stehen, meine Beine waren so schwach.

»He, Sim?« Donnys Stimme war tief und langsam. Er kaute an dem Zahnstocher. »Wie wär’s – wollen wir gucken, wo das Ding runterkommt?« Er wandte Mr. Sears sein Gesicht zu. Seine Nase war platt, als hätte eine große Faust sie ihm gebrochen. »Was meinst du, Sim?«

»Au ja!«, antwortete er. »Ja, lass uns losfahren! Wir gucken, wo der hinfällt!«

»Nein, Sim!«, sagte Mrs. Sears. In ihrer Stimme schwang ein Unterton wie Betteln mit. »Bleib heute Nacht bei mir und den Jungs!«

»Das ist ein Komet, Lizbeth!«, erklärte er grinsend. »Wie oft im Leben kann man einem Kometen hinterherjagen?«

»Bitte, Sim.« Sie fasste nach seinem Arm. »Bleib bei uns. Ja?« Ich sah, wie ihre Finger sich versteiften.

»Gleich ist er unten.« Donnys Kiefermuskeln zogen sich beim Kauen zusammen. »Wir vergeuden Zeit.«

»Stimmt! Wir verschwenden Zeit, Lizbeth!« Mr. Sears entzog ihr seinen Arm. »Ich hol nur meine Jacke.« Er rannte die Verandatreppe hoch ins Haus. Noch bevor die Tür hinter ihm zufallen konnte, lief Ben seinem Vater hinterher.

Im Haus ging Mr. Sears nach hinten durch zum Schlafzimmer. Er machte den Schrank auf, nahm seine Popelinjacke raus und zog sie an. Dann tastete er oben im Schrank unter einer roten Decke eine Ablage ab. Ben betrat das Zimmer in dem Moment, in dem Mr. Sears‘ Hand wieder zum Vorschein kam, und er sah zwischen den Fingern seines Vaters Metall glänzen.

Ben wusste, was es war. Er wusste, wofür es war.

»Daddy«, sagte er. »Bleib zuhause. Bitte.«

»Ach, Junge!« Sein Vater drehte sich mit einem Grinsen im Gesicht zu ihm um, steckte sich das Metallding in die Jacke und zog den Reißverschluss hoch. »Ich gehe mit Mr. Blaylock gucken, wo der Komet landet. Wird nicht lange dauern.«

Ben stand in der Tür, zwischen seinem Vater und dem Rest der Welt. Seine Augen waren feucht und verängstigt. »Kann ich mit dir mitkommen, Daddy?«

»Nein, Ben. Diesmal nicht. Ich muss jetzt los.«

»Lass mich mitkommen. Okay? Ich bin auch ganz still. Okay?«

»Nein, mein Sohn.« Mr. Sears drückte Ben die Schulter. »Du musst hier bei deiner Mutter und Cory bleiben.« Obwohl Ben sich protestierend versteifte, schob die Hand seines Vaters ihn beiseite. »Sei brav jetzt«, sagte Mr. Sears und seine großen Schuhe trugen ihn auf die Tür zu.

Ben startete noch einen Versuch. Er griff nach der Hand seines Vaters und versuchte ihn festzuhalten. »Geh nicht, Daddy!«, sagte er. »Geh nicht! Bitte geh nicht!«

»Ben, benimm dich nicht wie ein Baby. Lass mich los, Sohn.«

»Nein, Sir«, gab Ben zurück. Die Feuchtigkeit in seinen Augen lief über und rann ihm über die Pausbacken. »Das mache ich nicht.«

»Ich geh nur gucken, wo der Komet landet. Ich werde nicht lange weg sein.«

»Wenn du gehst … wenn du gehst …« Bens Emotionen schnürten ihm den Hals zu und er konnte kaum die Worte hinausbringen. »Dann kommst du anders wieder.«

»Lass uns losfahren, Sim!«, drängte Donny Blaylock von der Veranda.

»Ben«, sagte Mr. Sears streng. »Ich mache mich mit Mr. Blaylock auf den Weg. Und du benimmst dich jetzt wie ein Mann.« Er befreite seine Finger, und Ben stand da und starrte gequält zu ihm hoch. Sein Vater wuschelte ihm durch die kurzen Haare. »Ich bring dir ein Stück davon mit, okay, Tiger?«

»Bleib hier«, krächzte der weinende Tiger.

Sein Vater wandte ihm den Rücken zu und ging zur Verandatür hinaus, hinter der Donny Blaylock wartete. Ich stand immer noch mit Mrs. Sears im Vorgarten und beobachtete den Feuerball auf seinen letzten Sekunden im Fall.

»Sim, tu das nicht«, sagte Mrs. Sears, aber ihre Stimme war so schwach, dass sie ihn nicht erreichte. Mr. Sears sagte nichts zu seiner Frau; er folgte dem anderen Mann zu einem dunkelblauen Chevy, der am Straßenrand geparkt war. Von der Radioantenne baumelten rote Schaumstoffwürfel und rechts war das Heck verbeult. Donny Blaylock glitt hinter das Lenkrad und Mr. Sears stieg auf der Beifahrerseite ein. Der Chevy setzte sich mit schwarzem Rauch aus dem Auspuff wie von einem Kanonenschlag in Bewegung. Als das Auto losfuhr, hörte ich Mr. Sears wie bei seinen Priesterwitzen lachen. Donny Blaylock musste das Gaspedal bis zum Anschlag durchgetreten haben, denn die Hinterreifen quietschten auf, als der Chevy die Deerman Street hinaufraste.

Ich warf wieder einen Blick gen Westen und sah das Feuerding in den bewaldeten Hügeln verschwinden. Das Glühen pulsierte in der Dunkelheit wie ein schlagendes Herz. Es musste irgendwo in der Wildnis auf die Erde gefallen sein.

Sand gab es dort draußen nirgendwo. Die Marsmenschen würden sich durch jede Menge Schlamm und Wasserpflanzen kämpfen müssen.

Ich hörte die Tür knallen, und als ich mich umdrehte, sah ich Ben auf der Veranda stehen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und starrte die Deerman Street hinauf, als würde er dem Chevy hinterhergucken, aber das Auto war inzwischen längst nach rechts auf die Shantuck Street abgebogen und nicht mehr zu sehen.

In der Ferne, vermutlich in Bruton, heulten immer noch die Hunde. Mrs. Sears stieß einen langen kraftlosen Seufzer aus. »Lasst uns reingehen«, sagte sie.

Bens Augen waren geschwollen, aber mit dem Weinen war er fertig. Keiner von uns schien die Scrabblepartie zu Ende spielen zu wollen. »Warum geht ihr nicht in deinem Zimmer spielen, Ben?«, sagte Mrs. Sears, und er nickte langsam. Seine Augen waren glasig, als hätte er einen gewaltsamen Schlag auf den Kopf verpasst bekommen. Mrs. Sears ging in die Küche zurück, wo sie den Wasserhahn anmachte. In Bens Zimmer setzte ich mich neben den Zivilkriegsbildern auf den Boden, während Ben vor dem Fenster stehenblieb.

Ich konnte sehen, dass er sich quälte. Ich hatte ihn noch nie so erlebt und musste irgendetwas sagen. »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich zu ihm. »Das sind keine Marsmännchen. Das war ein Meteor, mehr nicht.«

Er antwortete nicht.

»Ein Meteor ist bloß ein großer, heißer Stein«, sagte ich. »Da sind keine Marsbewohner drin.«

Ben schwieg; seine Gedanken hielten ihn gefangen.

»Deinem Dad wird nichts passieren.«

»Er wird anders sein, wenn er wiederkommt«, gab Ben mit einer schrecklich leisen Stimme von sich.

»Nein, wird er nicht. Hör mal … das war doch nur ein Film. Das war alles ausgedacht.« Als ich das sagte, merkte ich, wie ich etwas losließ, und das fühlte sich gleichzeitig schmerzhaft und gut an. »Schau mal, es gibt doch in echt keine Maschine, die den Leuten in den Nacken schneidet. Es gibt keinen großen Marsmenschenkopf in ‘ner Glasschale. Das ist alles erfunden. Du musst keine Angst haben. Verstehst du?«

»Er wird anders sein, wenn er wiederkommt«, wiederholte Ben.

Ich tat, was ich konnte, aber nichts, das ich sagte, brachte ihn von dieser Überzeugung ab. Mrs. Sears kam ins Zimmer und ihre Augen sahen ebenfalls geschwollen aus. Aber sie brachte ein tapferes Lächeln zustande, das mir ins Herz schnitt. »Cory?«, fragte sie. »Willst du zuerst ins Badezimmer?«

Um zweiundzwanzig Uhr, als Mrs. Sears in Bens Zimmer das Licht ausmachte, war ihr Mann noch immer nicht zurück. Ich lag neben Ben unter dem kühlen weißen Laken und horchte in die Nacht. Ein paar Hunde unterhielten sich immer noch und ab und zu gab Tumper seine Meinung dazu ab. »Ben?«, flüstere ich. »Bist du wach?« Er antwortete nicht, aber sein Atemrhythmus verriet mir, dass er nicht schlief. »Mach dir keine Sorgen«, sagte ich. »Okay?«

Er drehte sich um und drückte sein Gesicht ins Kissen.

Irgendwann schlief ich ein. Überraschenderweise träumte ich nicht von Marsbewohnern und x-förmigen Wunden am Hals von meiner Familie und meinen Freunden. In meinem Traum sah ich meinen Vater auf das versinkende Auto zu schwimmen, und nachdem sein Kopf unter Wasser ging, kam er nicht mehr hoch. Ich stand auf dem roten Felsvorsprung und schrie nach ihm, bis Lainie wie ein weißer Nebelschleier auf mich zukam und mit feuchtem Griff meine Hand umklammerte. Als sie mich vom See wegführte, konnte ich meine Mutter in der Ferne nach mir rufen hören, und am Waldrand stand eine Gestalt, deren langer Mantel im Wind flatterte.

Ein Erdbeben weckte mich auf.

Ich schlug die Augen auf. Mein Herz trommelte. Irgendetwas war soeben zerbrochen; das Geräusch war noch in meinem Kopf gefangen. Es brannte kein Licht. Noch regierte die Nacht. Ich streckte die Hand aus und berührte Ben neben mir. Er atmete scharf ein, als hätte meine Berührung ihn zu Tode erschreckt. Ich hörte einen Motor dröhnen, und als ich aus dem Fenster auf die Deerman Street schaute, sah ich die Rücklichter von Donny Blaylocks Chevy kleiner werden.

Die Haustür, wurde mir klar. Der Klang der ins Schloss fallenden Haustür hatte mich aufgeweckt.

»Ben?«, krächzte ich. Mein Mund war vom Schlafen wie betäubt. »Dein Dad ist nach Hause gekommen!«

Im Wohnzimmer fiel irgendetwas zu Boden. Es schien das gesamte Haus zu erschüttern.

»Sim?« Mrs. Sears Stimme, hoch und ängstlich. »Sim?«

Ich stand auf, aber Ben blieb bewegungslos im Bett liegen. Ich glaube, er starrte zur Decke hoch. Ich schlich im Dunkeln durch den Flur. Unter meinen Füßen knarrten die Bodenbretter. Ich stieß mit Mrs. Sears zusammen, die im Flur an der Tür zum Wohnzimmer stand. Nirgendwo brannte Licht.

Ich hörte heisere, schreckliche Atemzüge.

Das war ein Geräusch, das von einem Marsmenschen stammen könnte, dessen außerirdische Lunge mit der Luft auf der Erde zu kämpfen hatte, dachte ich.

»Sim?«, fragte Mrs. Sears. »Ich bin hier.«

»Hier«, antwortete eine Stimme. »Hier … fuck … hier.«

Ja, es war Mr. Sears‘ Stimme. Aber sie klang anders. Verändert. Es lag keinerlei Humor darin, kein Spaß, keine Andeutung eines Priesterwitzes. Es war eine Stimme schwer wie das Verhängnis und genauso gemein.

»Sim, ich mache jetzt das Licht an.« Klick.

Und da war er.

Mr. Sears kauerte auf die Hände und Knie gestützt auf dem Boden, mit hängendem Kopf und einer Wange in den Teppich gepresst. Sein Gesicht sah aufgedunsen und nass aus, seine Augen in fleischigen Falten versunken. Die rechte Schulter seiner Jacke war schmutzig und seine Jeans waren dreckverschmiert, als wäre er im Wald hingefallen. Er blinzelte ins Licht. Ein silberner Speichelfaden hing von seiner Unterlippe herab. »Wo isse?«, fragte er. »Siehst du sie?«

»Da … neben deiner rechten Hand.«

Er tastete mit der linken Hand über den Fußboden. »Du bist ’ne gottverdammte Lügnerin«, sagte er.

»Neben deiner andern Hand, Sim«, sagte sie müde.

Seine rechte Hand bewegte sich auf den Metallgegenstand auf dem Teppich zu. Es war ein Flachmann und seine Finger krallten sich darum und zogen ihn heran.

Er stieß sich auf die Knie und starrte seine Frau an. Sein Gesicht verzerrte sich grimmig, abstoßend durch die Schnelligkeit, in der seine Miene sich verwandelte. »Werd nich‘ frech«, sagte er. »Mach bloß nich‘ deine große fette Fresse auf.«

Das war der Moment, in dem ich mich wieder nach hinten in den Flur verzog. Ich hatte ein Monster vor mir, das aus seiner Tarnhaut herausgebrochen war.

Mr. Sears versuchte aufzustehen. Er fasste nach dem Tisch, auf dem das Scrabble-Spiel lag und mit einer Explosion von Umlauten und Konsonanten zu Boden fiel. Dann schaffte er es auf die Füße und drehte den Verschluss des Flachmanns auf und leckte den Flaschenhals.

»Komm ins Bett, Sim«, sagte sie; Worte, die sie ohne Kraft sprach, als wüsste sie genau, was das Resultat sein würde.

»Komm ins Bett!«, höhnte er. »Komm ins Bett!« Er verzog die Lippe. »Ich will nich ins Bett kommen, du fettarschige Kuh!«

Ich sah Mrs. Sears zittern, als wäre sie mit einer Peitsche geschlagen worden. Sie drückte eine Hand vor den Mund. »Oh … Sim«, keuchte sie. Es war ein Geräusch, das schrecklich mit anzuhören war.

Ich wich noch weiter zurück. Und dann kam Ben in seinem gelben Pyjama an mir vorbei, sein Gesicht ausdruckslos bis auf die Tränenspuren, die auf seinen Wangen glitzerten.

Es gibt Dinge, die sind schlimmer als jeder Monsterfilm. Es gibt Horror, der die Grenzen von Leinwand und Buchseiten sprengt und sich entstellt und grinsend hinter dem Gesicht eines geliebten Menschen einnistet. In dem Moment wusste ich, dass Ben frohen Herzens den Marsmenschenkopf mit den Tentakeln in der Glasschale betrachtet haben würde, wenn er dafür nicht in die sturzbetrunkenen Augen seines Vaters hätte schauen müssen.

»He, Bennyboy!«, sagte Mr. Sears. Er torkelte und griff nach einem Stuhl, um sich vor einem Sturz zu bewahren. »He, weißte, was mit dir passiert ist? Weißte was? Der beste Teil von dir ist in dem kaputten Präser klebengeblieben, das ist passiert.«

Ben blieb neben seiner Mutter stehen. Welche Gefühle ihn auch folterten, sie zeigten sich nicht auf seinem Gesicht. Er muss gewusst haben, dass sich dies ereignen würde, erkannte ich. Ben hatte gewusst, dass sein Vater, wenn er mit Donny Blaylock mitfahren würde, nicht von Marsmenschen, sondern von dem schwarzgebrannten Alkohol im Flachmann verändert nach Hause kommen würde.

»Ihr seid ja ‘n Anblick, ihr beide.« Mr. Sears versuchte den Verschluss wieder zuzuschrauben, aber er konnte ihn nicht auf den Flaschenhals bekommen. »Steht da rum mit euern frechen Mäulern. Du findest das witzig, Junge, nich?«

»Nein, Sir.«

»‘türlich tust du das! Du kannst gar nich‘ warten loszulachen und’s jedem zu erzählen, oder? Wo’s der Mackenson-Junge? He, du da!« Er entdeckte mich hinten im Flur. Ich zuckte zusammen. »Sag deinem scheiß Milchmannpapa, dass er zur Hölle fahren kann. Haste gehört?«

Ich nickte, und seine Aufmerksamkeit wanderte von mir fort. Das war nicht Mr. Sears, der hier sprach, nicht wirklich. Das war die Stimme dessen, was der Flachmann in seiner Seele roh und blutig geschunden hatte, das gekickt und gestoßen und gequält worden war, bis es seine Stimme fand, um sich loszuschreien.

»Was haste gesagt?« Er starrte Mrs. Sears mit hängenden, geschwollenen Augenlidern an. »Was haste gesagt

»Ich … hab nichts …«

Er stürzte sich auf sie wie ein angreifender Stier. Mrs. Sears schrie auf und wich zurück, aber er packte sie mit einer Hand vorn am Nachthemd und holte mit der anderen Hand aus, in der er den Flachmann hielt, als wollte er ihn ihr ins Gesicht schmeißen. »Haste wohl!«, brüllte er. »Werd‘ nich‘ frech mit mir!«

»Daddy, nein!«, bettelte Ben, warf beide Arme um eins der Beine seines Vaters und klammerte sich fest. Die Sekunden dehnte sich, Mr. Sears im Begriff, seine Frau zu schlagen, ich von Schock gelähmt im Flur, Ben an das Bein seines Vaters geklammert.

Mrs. Sears‘ Lippen zitterten. Während der Flachmann noch auf ihr Gesicht gerichtet war, sagte sie: »Ich … hab gesagt … dass wir beide dich liebhaben und dass … wir wollen, dass du glücklich bist. Mehr nicht.« Tränen schossen ihr in die Augen und flossen über. »Bloß glücklich.«

Er sagte nichts. Seine Augenlider schlossen sich und er öffnete sie mit Mühe. »Glücklich«, flüsterte er. Ben schluchzte jetzt, das Gesicht an den Oberschenkel seines Vaters gepresst, die Knöchel seiner verflochtenen Finger weiß. Mr. Sears senkte seine Hand und ließ das Nachthemd seiner Frau los. »Glücklich. Schau, ich bin glücklich. Schau, wie ich lache.« Nichts an seinem Gesicht veränderte sich.

Er stand keuchend da. Die Hand mit dem Flachmann baumelte an seiner Seite. Er begann sich von einem Fuß auf den anderen zu wiegen, schien sich aber nicht entscheiden zu können, wohin er gehen sollte.

»Warum setzt du dich nicht hin, Sim?«, fragte Mrs. Sears. Sie schnüffelte und wischte sich ihre tropfende Nase ab. »Soll ich dir helfen?«

Er nickte. »Ja. Helfen.«

Ben ließ ihn los und Mrs. Sears führte ihren Mann zu seinem Stuhl. Er sank darauf zusammen wie ein großer Haufen Schmutzwäsche. Sein Mund hing offen und er starrte die gegenüberliegende Wand an. Bens Mutter zog einen anderen Stuhl nahe an ihn heran. Es fühlte sich an, als wäre ein Gewitter vorbei. Es mochte wiederkommen, in irgendeiner anderen Nacht, aber für diesen Moment war es vorbei.

»Ich glaub …« Er stockte, als hätte er vergessen, was er gerade sagen wollte. Er blinzelte und suchte nach Worten. »Ich glaub, mir geht’s nich‘ so gut«, sagte er.

Sanft zog Mrs. Sears seinen Kopf an ihre Schulter. Er kniff die Augen zu. Sein Brustkorb hob und senkte sich stoßweise und er fing an zu weinen. Ich ging in meinem Pyjama nach draußen an die kühle Nachtluft, weil es mir falsch vorkam dort drinnen zu bleiben und als Unbeteiligter diese nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Qualen mit anzusehen.

Ich setzte mich auf die Verandastufen. Tumper kam angetrottet, ließ sich neben mir nieder und leckte meine Hand. Ich hatte das Gefühl, sehr weit weg von zuhause zu sein.

Ben hatte es gewusst. Wie viel Mut musste es ihn gekostet haben, im Bett zu liegen und zu tun, als würde er schlafen. Er hatte gewusst, dass mit dem Knallen der Tür lange nach Mitternacht der Eindringling, der die Haut seines Vaters trug, das Haus betreten hatte. Das Wissen und das Warten mussten eine grausame Tortur gewesen sein.

Nach einer Weile kam Ben raus und setzte sich auch auf die Stufen. Er fragte mich, ob mit mir alles in Ordnung war, und ich sagte ja. Ich fragte ihn, ob er okay war. Er sagte ja. Ich glaubte ihm. Er hatte damit leben gelernt, und obwohl es schrecklich war, ging er damit um, so gut er konnte.

»Mein Daddy kriegt diese Anfälle«, erklärte Ben. »Dann sagt er manchmal schlimme Dinge, aber er kann nicht anders.«

Ich nickte.

»Er hat das nicht so gemeint, was er über deinen Daddy gesagt hat. Du hasst ihn doch nicht, oder?«

»Nein«, sagte ich. »Das tue ich nicht.«

»Du hasst mich doch nicht, oder?«

»Nein«, sagte ich zu ihm. »Ich hasse überhaupt niemanden.«

»Du bist echt ein guter Freund«, sagte Ben und legte mir den Arm um die Schultern.

Mrs. Sears kam raus und brachte uns eine Decke. Eine rote Decke. Wir saßen da, während die Sterne sich langsam ihres Weges drehten, und bald begannen die ersten Vögel zu piepsen.

Zum Frühstück hatten wir heißen Haferbrei und Blaubeermuffins. Mrs. Sears sagte uns, dass Mr. Sears schlief und den Großteil des Tages schlafen würde, und dass ich, wenn ich wollte, meiner Mutter sagen konnte, sie sollte anrufen. Sie würden dann ein langes Gespräch miteinander haben. Nachdem ich mich angezogen und alle meine Sachen im Rucksack verstaut hatte, bedankte ich mich bei Mrs. Sears, dass ich bei Ben übernachten durfte. Ben sagte mir, dass er mich morgen in der Schule sehen würde. Er ging mit mir zu meinem Fahrrad und wir unterhielten uns ein paar Minuten über unser Little-League-Baseballteam, das bald mit dem Training beginnen würde. Es war die Jahreszeit dafür.

Niemals wieder würden wir einander gegenüber den Film erwähnen, in dem Marsmenschen planten, die Erde zu erobern, Stadt um Stadt, Vater um Mutter um Kind. Wir hatten beide das Gesicht des Eindringlings gesehen.

Es war Sonntagmorgen. Ich strampelte nach Hause, und als ich einen Blick zurück auf das Haus in der Sackgasse der Deerman Street warf, winkte mir mein Freund hinterher.

BOY'S LIFE - Die Suche nach einem Mörder

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