Читать книгу Der Taugenichtssassa - Robert Müller - Страница 10
ОглавлениеKap_4 Stadtbummel
Wir flanierten wie vorher besprochen am Ring in Richtung Oper. Aber nicht nur wir. Leider viele andere Touristen, zum Teil ganze Hundertschaften, die dicht gedrängt wie eine Schafherde irgendwelchen Flaggen, Regenschirmen oder sonstigen Standarten folgten, die ihre Leithammel oder Leitkühe, pardon, Reiseleiter oder Reiseleiterinnen, weithin sichtbar in die Höhe streckten.
Irgendwann in dieser Drängerei hakte sich die Frau bei mir ein.
„Darf ich?“, fragte sie, obgleich sie es ja schon getan hatte. „Ich gehe Ihnen sonst in dem Trubel wohl verloren.“
„Natürlich“, antwortete ich höflich. „Ich will Sie nicht hier in diesem Gewühl verlieren. Und entschuldigen Sie, dass ich das nicht schon von mir aus angeboten habe, wie es sich für einen Gentleman gehört hätte.“
Und so schwammen wir im oder gegen den Strom unzähliger Touristen, bis mir die Geduld riss und ich bei der Oper den Ring verließ, um vorbei am Hotel Sacher den Burggarten von hinten zu betreten. Nach einer kurzen Pause auf einer schattigen Parkbank erreichten wir nach Passieren einiger Tordurchgänge schließlich den Heldenplatz.
Leider war am dortigen Standplatz kein freier Fiaker zu sehen. Offenbar waren alle im Einsatz.
So quälten wir uns in der Menschenmenge weiter bis zum Schweizer Tor, dem Eingang zur alten Burg, wo sich die Schatzkammer befindet. Angesichts der langen Menschenschlange davor strichen wir den Besuch dieses Museums von unserer Wunschliste.
Vor dem Michaelertor gab es freie Fiaker. Aber jetzt wollte ich keinen mehr buchen.
Stattdessen schlenderten wir die Herrengasse bis zum berühmten Café Central, wo wir, von mir völlig unerwartet, einen Tisch bekamen. Ich beriet meine Begleiterin nach bestem Wissen – ob der vielen Kalorien und des vielen Zuckers allerdings mit schlechtem Gewissen. Schließlich wusste ich nicht, ob sie nicht schon an Altersdiabetes leidet. Aber das war ihre Sache. Schließlich entschloss sie sich voll Neugier die Sachertorte zu probieren, für die Wien berühmt ist. Dass Sahne hierzulande Schlagobers heißt, wusste meine Begleiterin selbst. Nicht aber, dass ein Einspänner eine typisch wienerische Art ist, Kaffee zu servieren.
Ich selbst gönnte mir eine Kardinalschnitte. Als ich ihre begehrlichen Augen sah, ließ ich sie kosten. Und schließlich teilten wir unsere Mehlspeisen wie Freunde, die sich schon viele Jahre kennen. Wir waren uns ganz offensichtlich menschlich näher gekommen. Mich freute das und nährte gewisse Erwartungen, über die zu sprechen es aber wohl verfrüht ist.
Anschließend bummelten wir über die Freyung, einem großen, etwa dreieckigen Platz, der übrigens im Mittelalter noch Wiens Mistplatz war, bis zum Graben, einem langgestreckten Platz, dessen Name von einem hier früher gelegenen Wehrgraben rührt. An seinem östlichen Ende steht der unvermeidliche Höhepunkt jedes Wienbesuchs, Wiens internationales Wahrzeichen schlechthin, ‚der Steffl‘.
Es ist dies der Kosename der Wiener für den Dom, der dem heiligen Stephan geweiht ist. Sein rund 137 m hoher Südturm war im 15. Jhdt. Für ein halbes Jahrhundert der höchste Kirchturm der Welt. Daneben hat die Kirche drei weitere Türme: Zwei kleine, spätromanische an der Westfassade, sowie den gotischen Nordturm, der aber aus Mangel an Geld, das für Rüstungszwecke benötigt wurde, nur bis zur halben Höhe des Südturms gedieh.
Nach einem kurzen Besuch in der Kathedrale, wo ich mangels passender Kenntnisse nicht viel erklären konnte und die Frau sich deshalb ein Informations-Heftchen für Touristen kaufte, griff ich in meine Tasche und hielt ihr eine Packung Mannerschnitten hin.
„Hier, ein kleines Überraschungsgeschenk: Ich habe es für Sie vorsorglich als kleine Wegzehrung mitgenommen. Ich hoffe, dass diese Ihnen auch jetzt nach der ungeplanten Stärkung im Cafe Central noch mundet. Denn dass wir dort oder in irgendeinem anderen der renommierten In-Lokale, etwa beim ehemaligen K. u. K. Hofzuckerbäcker Demel, einen Platz finden würden, hatte ich nicht erwartet.“
Meine Begleiterin nahm das kleine Päckchen mit der Aufschrift ‚Manner Original Neapolitaner und dem Steffl als Markenzeichen mit einem freundlichen, ja dankbaren Blick entgegen.
„Das kenne ich. Das gibt es auch bei uns zu kaufen. Und nun stehe ich vor dem Original des Firmenzeichens. Vielen Dank!“
„Gern geschehen“, antwortete ich mit patriotischem Stolz, obgleich ich dafür bisher nichts geleistet hatte, als hin und wieder solche Schnitten zu kaufen und zu verspeisen. „Kosten Sie doch! Dann werden Sie verstehen, warum diese Schnitten ein Exportschlager wurden, warum mehrere Millionen einzelne Schnitten davon produziert werden und wurden – und zwar täglich! Übrigens befand sich das erste Geschäft von Josef Manner, dem Firmengründer, hier am Stephansplatz. Und auch wenn Sie diese Schnitten überall auf der Welt kaufen können – auch in Deutschland, wie Sie sagten –, wären sie in einer der schmucken Geschenkboxen ein schönes, typisch wienerisches Mitbringsel für die Daheimgebliebenen.“
Ich hatte die Frau offenbar überzeugt. Sie nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit ein paar Packungen zu kaufen. Für Bekannte und Freunde mit Kindern. Selbst habe sie nämlich keine.
Sodann ging es, nachdem ich die Fahrkarten gelöst hatte, in die Wiener Unterwelt, sprich viele Stockwerke tief hinab bis zu den Bahnsteigen der U-Bahn-Linie U1, welche uns in wenigen Minuten bis zum Praterstern beförderte.
Von dort waren es nur wenige Minuten Fußmarsch bis zu einem weiteren Wahrzeichen der Stadt Wien, dem Riesenrad mit seinen 15 Gondeln. Früher waren es 30 gewesen. Aber nach den kriegsbedingten Schäden am Tragwerk hatte man vorsichtshalber nur mehr 15 restauriert und eingehängt.
Ich blickte angesichts der langen Schlange wartender Touristen auf die Uhr. Es war bereits knapp nach 16 Uhr.
„Sollen wir warten?“, fragte ich.
„Unbedingt“, war die Antwort meiner Begleiterin. Und diese erwies sich als goldrichtig, weil wir recht rasch in der Schlange weiterkamen und schon nach 10 Minuten gemeinsam mit vielen anderen Touristen in eine der Gondeln einsteigen konnten.
Der große Besucherandrang bewirkte, dass jede der 15 Gondeln zum Ein- und Aussteigen anhielt, während das sonst nur nach Bedarf geschah. Das hatte zwei Vorteile:
Für den Betreiber eine maximale Auslastung.
Für die Besucher eine längere Fahrtdauer. Die Umlaufzeit einer Leerdrehung, also ohne Aus- und Einsteigen, verlängerte sich von knapp fünf Minuten bei 15 Stopps auf knapp eine halbe Stunde. Damit konnten die Besucher den Blick auf Wien erheblich länger genießen.
Allerdings nur dann, wenn sie einen Fensterplatz ergatterten, was uns nur dank meiner Körperkraft gelang.
Meine Begleiterin und ich standen also an einem der Fenster, sie am Fenster, ich dahinter – zwangsläufig dicht gedrängt, weil alle in die Gondel gepferchten Personen zu den Fenstern wollten und pressten und schoben. Zwangsläufig so dicht, dass ich die Rundungen ihrer Pobacken an meinem dafür empfänglichsten Teil spürte, was eine von mir nicht willentlich unterdrückbare körperliche Reaktion auslöste.
Ob sie das spürte oder nicht, wusste ich nicht. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass sie es nicht spürte und dass es nicht auch sie dabei siedend heiß durchlief. Wie auch immer es gewesen sein mag. Sie sagte nichts und veränderte auch nicht ihre Position, was sie in dem Gedränge aber auch kaum gekonnt hätte. Sie war der Situation ebenso ausgeliefert wie ich.
Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, kann ich es wohl gestehen, dass ich diese Zwangssituation gleichermaßen lustvoll und anregend empfand wie auch als peinlich erlebte, selbst wenn die anderen Touristen wohl nicht mitbekamen, was hier gerade ablief.
Nach einer knappen halben Stunde standen wir wieder auf festem Boden. Ich sah sie fragend an: „Wollen wir noch in den Wurstelprater gehen?“
„Nein“, war die entschiedene Antwort. Und mit einem unergründlichen, vielsagenden Lächeln ergänzte sie: „Ich bin von der animalischen Enge und Drängerei ganz durchnässt. Ich brauche eine Dusche. Zudem bin ich hundemüde und meine Füße schmerzen gehörig. Auch diese brauchen eine spezielle Behandlung. Lass uns ins Hotel fahren!“
Die frivole Zweideutigkeit, ja Anzüglichkeit dieser ihrer Aussage wurde mir erst später im Hotel klar.
Wir erreichten das Hotel unter Benützung der Straßenbahn um knapp vor 17 Uhr.
Dort bat sie mich, ihr aufs Zimmer zu folgen. Aber erst in ein paar Minuten und möglichst unauffällig, um uns nicht ins Gerede zu bringen. Dort wolle sie mich dann für meine Dienste entlohnen.
Ich betrat daher folgsam das Hotel unauffällig durch den Lieferanteneingang, während sie den Haupteingang benützte.