Читать книгу Der Taugenichtssassa - Robert Müller - Страница 7
ОглавлениеKap_1 Prolog
Sie, liebe Leserin und lieber Leser, haben sicher verfolgt, wie das Thema #MeToo in den letzten Jahren bereitwillig in den Medien breitgetreten, ja bisweilen bewusst zu Titelstories hochgespielt wurde. Sie lasen mediale Vorverurteilungen, von gerichtlichen Verurteilungen, von Diversionszahlungen einzelner Personen, ob freiwillig geleistet oder offen medial abgepresst, wie auch von Entschädigungsansprüchen an die Betreiber von privaten wie öffentlichen Institutionen, sei es in sportlichen, sozialen oder religiösen Einrichtungen. Zum Teil wurde diesen Ansprüchen ohne Prüfung ihrer Berechtigung im jeweiligen Einzelfall pauschal entsprochen. Oder sollte man sagen, feige nachgegeben? Wie in der Migrationsfrage entstand so sehr rasch eine ganze ‚Industrie‘ von spezialisierten Anwaltsbüros bis zu Plattformen für psychologische Nachbetreuung, Lebensberatung usw., die sich vielfach höchst eigennützig an den tatsächlichen oder auch nur behaupteten Schandtaten und Schadensfällen bediente und bedient.
Ich, Leo Gruber, weiß, wovon ich spreche. Ich war, falsch, ich bin einer der Geschädigten. Jedenfalls behauptete ich das so wie viele andere, nicht zuletzt in Erwartung einer erklecklichen finanziellen Entschädigung. Aber machen Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser, selbst ein Bild zu diesem Thema, wenn ich Ihnen aus meiner Lebensgeschichte erzähle!
Ich werde dabei ehrlich sein, soweit ich das als zwielichtiges Schlitzohr kann, ohne mir selbst zu schaden. Aber da inzwischen alle meine kleinen und größeren Schandtaten verjährt und alle anhängigen Verfahren entschieden sind, kann und werde ich hier ziemlich frei sprechen – zumindest in den Rückblendungen, die ich exklusiv nur für Sie einfüge, damit SIE die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit erfahren – MEINE ganz persönliche, ‚subjektive‘ Wahrheit.
Denn mit der Wahrheit ist es so eine Sache. Welcher Händler wird Ihnen ehrlich sagen, zu welchem Preis er die Waren eingekauft hat? Welcher General wird Ihnen ehrlich sagen, wo und wann er seine Offensive beginnen will? Welcher Politiker wird Ihnen ehrlich sagen, was er mit diesem oder jenem Gesetz wirklich erreichen will? Welcher (potentielle) Partner wird Ihnen ehrlich über sein sexuelles Vorleben berichten? Alle diese würden wahrscheinlich mit allzu großer Ehrlichkeit sich und womöglich vielen anderen schaden – vielleicht sogar Ihnen. Die Wahrheit hat immer zwei Seiten!
Ich habe daher, um niemandem zu schaden, die Namen der involvierten Personen anonymisiert und die Situationen ein wenig verändert und ausgeschmückt. Einerseits, weil mich manchmal mein Gedächtnis im Stich ließ und ich fehlende Puzzleteile in meiner Geschichte ergänzen musste, andererseits, weil ich keinen Schlüsselroman schreiben und mich von diesen Personen wegen übler Nachrede vor Gericht zerren lassen wollte. Ausgenommen sind Berichte über Sachverhalte und Personen, die via der Massenmedien längst die breite Öffentlichkeit erreicht haben. Auch so sollte klar werden, dass ich hier ebenso über Personen und die Gesellschaft als solche zu Gericht sitze, wie diese es über Leute wie mich taten und tun.
Warum ich das mache, fragen Sie sich?
Vielleicht, um Sie ein wenig in meine schwarzfleckige, aber nicht rabenschwarze Seele blicken zu lassen und sich selbst der Frage zu stellen, ab wann (m)ein Verhalten als ‚unmoralisch‘ und ‘kriminell‘ zu werten ist. Immerhin firmiert meine Lebensbeichte ja unter dem Generalthema ‚Erotik-Krimi‘.
Vielleicht auch um damit anzuregen, ein wenig tiefer nachzudenken über die Gesellschaft, in der wir leben (müssen) und die Ihr und mein Handeln nicht unwesentlich prägt(e). Ich will versuchen, das tiefschürfender und nicht derart einäugig zu tun, wie es vielfach den Mainstreammedien als Lügen- und Lückenpresse – und vice versa den Socialmedien – vorgeworfen wurde und wird. Dabei konnte und kann ich die Richtigkeit dieses Vorwurfes – so wie die meisten anderen Menschen auch – abgesehen von Einzelfällen nicht nachprüfen. Sie wohl auch nicht, oder?
Aber bekanntlich reicht nach Ansicht des österreichstämmigen Philosophen Sir Karl Popper schon ein einziger konkreter Fall, um die These, dass dieses oder jenes Medium stets korrekt berichtet (hat), zu falsifizieren. Ein solcher rigider Wahrheitsanspruch der von ihm gegründeten Schule des kritischen Rationalismus ist natürlich graue Theorie und hier unangebracht. Zudem trifft es neben den Mainstreammedien auch auf jene Nischenmedien zu, die gegen den Mainstream polemisieren und die man (daher?) zunehmend mit allerhand Gesetzen aus dem Internet und vom Markt verbannen will. Gesetze gegen – angebliche und tatsächliche – Hasspostings geben den Mächtigen zunehmend in Metternich‘schem Sinn das Werkzeug, um die freie Meinungsäußerung zu kriminalisieren und den Alleinvertretungsanspruch der Eliten für die (ver)öffentlichte Meinung zu verteidigen. Genau deswegen erscheint mir und vielen anderen die Medienkonzentration in wenigen Händen gefährlich und der Vorwurf bewusst inkorrekter Berichterstattung in den Mainstreammedien durchaus plausibel.
Denn wozu sonst haben sich die Eliten bemüht, die vierte Säule der Demokratie, die ‚freie‘ Presse, mit Zuschüssen aus Steuergeldern nach ihrem politischen Gutdünken zu subventionieren, sprich anzufüttern? Mehr noch, in der Hand sehr weniger wohlhabender und mächtiger Privatpersonen oder privater wie auch staatlicher Konzerne zu bündeln? Der Kostenminimierung und der Profitmaximierung wegen? Wohl auch. Aber wohl nicht nur. Verständlicherweise wollen die Mächtigen eine ‚Presse‘, die nicht gegen sie schreibt, sondern im Sinn der wirtschaftlichen und politischen Interessen der Eigentümer agitiert. Ich würde es nicht anders machen, wenn ich es könnte. Sie nicht? Seien wir uns doch ehrlich: Wer zahlt, schafft an – die angebliche Unabhängigkeit der Redakteure hin oder her. So war das schon immer und so wird es immer sein.
Klar ist aber auch, dass man bei einer solchen sprichwörtlich einäugigen Wahrnehmung der Welt, entweder nur mit dem sprichwörtlich ‚linken‘ oder nur mit dem ‚rechten‘ Auge, schon allein aus physikalischen Gründen nicht wie mit zwei Augen räumlich, also in die Tiefe sehen kann. Aber das ist ja wohl auch von diesen Medien, ob ‚links‘ oder ‚rechts‘ orientiert, nicht gewollt. Sie wollen uns nicht wertfrei informieren, ja können es gar nicht! Informationen sind prinzipiell konnotiert und somit in landläufigem Sinn nicht wertfrei. Insofern erziehen, manipulieren, ja beherrschen uns die Medien.
Ich würde das auch gerne, kann es aber nicht. Daher will und muss ich mich darauf beschränken, Ihnen meine Lebensgeschichte und meine kleine Welt so zu präsentieren, dass Sie diese mit beiden Augen, (m)einem linken und (m)einem rechten, betrachten und daran teilhaben können.
Vielleicht glauben Sie nun, ich gebe hier meinen Lebenslauf wieder, um reich und berühmt zu werden. Die Lebensgeschichte der Josefine Mutzenbacher wurde ja auch höchst erfolgreich verlegt und Jahrzehnte später verfilmt. Dabei gab es diese Person nie. Sie ist nur eine literarische Fiktion, allerdings eine, die die gesellschaftliche Situation im kaiserlichen Wien an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert trefflichst widerspiegelt.
Vielleicht glauben Sie nun, ich will dabei in die Stapfen des Autors dieser fiktiven Geschichte treten. Mag sein. Aber da dieser bisher nur vermutet, aber nie mit Sicherheit eruiert wurde, ist es müßig, diesen Vergleich herstellen zu wollen. Mir geht es jedenfalls darum, die Doppelmoral aufzuzeigen, ohne dabei über Links und Rechts, Nord und Süd, Gut und Böse, Richtig oder Falsch zu urteilen.
Inzwischen in der Mitte meines Lebens angelangt und lebenserfahren – oder sollte ich dafür besser von überschießender jugendlicher Altklugheit und Besserwisserei befreit sagen? – weiß ich, dass hier (bewusst?) eine falsche Dichotomie zwischen zwei extremen Polen geschaffen wird. In Wahrheit dreht sich nämlich unsere bunte und vielfältige Welt bloß zwischen ihren beiden eiskalten und lebensfeindlichen Polen. Diese sind im gleichen Sinn bloß die Ankerpunkte unserer Welt wie es die Endpunkte einer Wegstrecke für diese sind. Es sind definitorische Minimalbeschreibungen für die Bewegung unserer Mutter Erde, auf der wir leben, wie auch für den Lebensweg, den diese und wir zeitlich gehen.
Aber sie sind nicht das Wesentliche, sondern nur Metaphern. Das Wesentliche ist das, was ZWISCHEN diesen Ankerpunkten liegt und geschieht.
Ebenso verhält es sich mit der Politik. Die Volksweisheit ‚Extreme taugen nichts‘ mag stimmen, selbst wenn sie logisch unhaltbar ist. Denn ohne extreme Ankerpunkte könnte man gar nicht definieren, wo der ‚gesunde Mittelweg‘ liegt.
Aber zu meinen, dass man gerade diese EXTREME als ZIEL verstehen müsste, aus linker Sicht die bedingungslose Verwirklichung des sozialistischen Menschen‘, aus rechter die des freiheitlichen Menschen‘, falsifiziert sich in seiner Dogmatik bereits selbst. Der Nordpol ist nicht per se besser als der Südpol, der Anfang nicht besser als das Ende. Sie definieren und beschränken nur die Bewegungsmöglichkeit in Realitas, bewerten sie aber nicht.
Allfällige Gedanken(spiele) über diese Beschränkungen hinaus bleiben einem unbenommen: Über das, was davor liegt oder lag, nennen wir es die Schöpfung, und das, was danach liegt oder liegen wird, nennen wir es das Jenseits. Beide Begriffe sind nur Worte, Metaphern auf der Spielwiese zahlloser Religionen. Wie ließ Johann Wolfgang von Goethe schon Mephistopheles sagen: ‚Mit Worten lässt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten, an Worte lässt sich trefflich glauben, …‘.
Leider blieb es, wie die Geschichte lehrt, zu oft nicht bei Worten. Giordano Bruno, der sich als Priester den Begriffen der Schöpfung und des Jenseits offen widersetzte, musste das nach jahrelanger Folter am Scheiterhaufen büßen. Dass 400 Jahre später Papst Johannes Paul II. die Hinrichtung als kirchliches Unrecht bezeichnete, änderte weder die Geschichte noch die Gegenwart.
Denn auch heute wird gegen nicht systemkonforme Querdenker und Whistleblower wie J. Assange oder E. Snowdon mit aller Brutalität vorgegangen. Dass man in einem (angeblichen) Rechtsstaat wie den USA heute noch – wie gegen Herrn/Frau Manning – eine jahrelange Beugehaft verhängen und in Guantanamo und andernorts ungestraft foltern und morden kann, erinnert an den Schuldturm und die Folterkammern des finstersten Mittelalters.
Angesichts dessen wäre ein moderner Abraham a Sacta Clara nötig, um ex cathedra Brandreden gegen die Verderbtheit, Dummheit und Gemeinheit in der Welt zu halten. Hinsichtlich sexueller Gewalt tat und tut dies die schwarze US-Amerikanerin Tarana Burke als Gründerin von MeToo, der es laut Nachfrage auf der »Wisdom 2.0 Conference« zu Weinstein und Co. niemals darum ging, ‚mächtige Männer abzuschießen‘, sondern um Zuspruch und Unterstützung für die Opfer sexueller Gewalt und um »Restorative Justice« im gesamten Spektrum der Gesellschaft. Sie bezog diese Position aus ihrer Lebensgeschichte und der anderer Frauen in Selma, einer der gewalttätigsten Städte in den USA.
Vielleicht will auch ich Ihnen genau deswegen meine Lebensgeschichte erzählen, um Sie an meinen Schlussfolgerungen teilhaben zu lassen. Vielleicht glauben Sie nun, ich will so durch Aufweichen von (angeblich) gottgegebenen oder (nachweislich) menschengemachten Grenzen um Anteilnahme für mein nach den üblichen gesellschaftlichen Normen ziemlich verpfuschtes Leben buhlen, so wie es viele gescheiterte Stars mit ihren Allüren, Eskapaden und Outings in der Regenbogenpresse immer wieder tun, um eine Restaufmerksamkeit am Markt zu erbetteln. Ich gescheitert? Nein! Ein verpfuschtes Leben? Nein! Nur insofern, als ich rückblickend gesehen aus meinem Leben viel mehr hätte machen können: Sinnvolleres und Wertvolleres für mich und die Menschheit. Aber wahrscheinlich mit viel weniger Spaß daran für mich – und viele andere.
Unklar war mir lange, wo ich meine Erzählung beginnen soll. Wie bei einer Bewerbung mit ‚Ich wurde in … geboren, besuchte die …-Schule, leistete den Wehrdienst beim …-Bataillon‘ usw.?
Ich denke, das ist nicht das, was Sie sich von einem Erotik-Krimi erwarten. Wohl eher, dass ich ohne alle Tabus, moralinsaure Scham und political correctness von meinen ‚Schandtaten‘ berichte.
Lassen Sie mich also dort beginnen, wo Erotik und ein gewisser großzügiger Umgang mit der Anständigkeit und Ehrlichkeit in grenzkriminellem Rahmen für mich schlagend wurden.