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9. Steinhauser - Update

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Freitagmorgen, pünktlich um acht im Büro. „Morgen!“

„Steht unsere Verabredung noch?“ Katrin ließ die Erwiderung des Grußes ausfallen und kam mit dieser Frage gleich zu Sache. Abgesehen vom Verschlafen beim Mordfall, saß sie heute das erste Mal vor der Chefin im Büro.

Die nickte zustimmend: „Aber sicher. Heute geben wir mal richtig Gas! Oder?“ Sie klatschten über den Tisch ab und schienen dabei schon in bester Partylaune zu sein.

Samantha ging derweil immer noch das Tagebuch, oder sollte sie es eher Biographie nennen, durch den Kopf. Vor allem die Art und Weise, wie sie ihre Vergangenheit gesehen hatte, als sie mit fünfundzwanzig die Niederschrift begann. Der heutige Blickwinkel rückte diese Vergangenheit und den Streit mit dem Vater in ein ganz anderes Licht.

Ihr wurde dabei klar, warum sie es nie weiter als bis zu diesem Job hier bringen würde. Zu viele Fehler und blinder Hass gegen die eigene Familie, ließen sie den Blick auf das Wesentliche verlieren.

Kurz nach neun klopfte es an der Türe. Steinhauser stürmte herein. Er setzte sich neben den Schreibtisch und bestellte bei Katrin einen Kaffee.

„Guten Morgen, Herr Polizeirat. Bei uns fragt man übrigens, wenn man einen Kaffee möchte und kommandiert diesen nicht einfach herbei. Waren wir übrigens nicht auf heute Mittag verabredet?“

Er ließ sich von dieser Frotzelei nicht beeindrucken, wollte sich aber auch nicht mehr an die zeitliche Ankündigung für den Mittag erinnern und kam ohne weitere Umwege zur Sache.

„Die Verhöre mit den Angehörigen führen zu keiner Gemeinsamkeit zwischen den Getöteten und nach den letzten Erkenntnissen haben sich die Opfer auch nicht gekannt. Es gibt momentan keinen Ansatzpunkt und die Personen wurden, nach bisherigen Erkenntnissen, einfach willkürlich ausgesucht.“

Samantha schob ihm, ohne auf seine Ansprache zu antworten, ihr Exposé zu, welches er oberflächlich überflog. Zweimal mit der Hand über den Kopf gestrichen, kam schon nach einer Minute die Antwort.

„Sie arbeiten nach einem ähnlich simplen Prinzip wie ich. Das gefällt mir! Allerdings haben Sie aus den bisherigen Unterlagen auch nur das herausgezogen, was ich schon hatte. Lediglich die Sache mit der Sekte kam mir noch nicht in den Sinn, könnte aber tatsächlich ein brauchbarer Hinweis sein. Wir werden jemanden darauf ansetzen. Meine Nadel im Heuhaufen ist aber vorrangig, warum der Täter ein Opfer an einen bestimmten Ort und das auch noch zwei Tage nach der Tat, verlegt hat. Er will uns bewusst in diese Region oder vielleicht zu einer bestimmten Person führen. Oder was meinen Sie?“

Normalerweise sollte Sam sich jetzt geschmeichelt fühlen, dass der Chefermittler gerade sie um Rat fragte. Doch hatte er vielleicht wirklich einen guten Instinkt und vermutete, wahrscheinlich sogar ziemlich treffend, bei Samantha einen Schlüssel zu finden.

„Was haben die Kollegen aus Freiburg bis jetzt erreichen können?“ Auf diese Frage, oder war es ein Ablenkungsmanöver, erntete sie nur einen lauten Lacher.

„Ich habe ja keine Ahnung, was für Lichter das sind! Aber ehrlich gesagt sitzen dort bereits zwei meiner Ermittler im Büro, um das Geschehen selbst zu leiten. Vielleicht hätten wir besser unseren Außenposten-Süd hier in Neustadt errichten sollen.“

Er blickte sie bei der Aussage mit schrägem Kopf an und fügte dann hinzu: „Ich glaube jedoch, dass ihre Ergebnisausbeute hier oben größer ist, wenn man ihnen nicht fortlaufend auf die Finger schaut. Ja und da wir in Neustadt keine Kripo haben, würde es das ganze unnötig kompliziert machen! Somit erteile ich euch bis Mittwoch noch mal grünes Licht, in Ruhe weiter in dem Fall zu stochern. Dann überdenke ich, ob und wie es an diesem Ort weiter geht.“

Es kam als Drohung rüber und der Zockerblick von Steinhauser verriet leider nicht, wie ernst es gemeint war. Wobei sie das Gefühl hatte, dass er nicht ernsthaft überlegte, sie komplett raus zu nehmen. Mit seiner Mimik provozierte er aber einen gewissen Erwartungsdruck.

„Wie viel Freiraum zum Mitspielen bekomme ich in diesem Fall?“ Jetzt änderte sich seine Miene auf ´Nix verstehen´, weshalb Samantha auf den Punkt kam.

„Besteht die Chance, mich direkt im Umfeld der Getöteten umzuhören?“ Er blickte auf die Uhr, als müsste er schon zum nächsten Termin.

„Vergessen Sie den Türken in Freiburg. Der ……..!“ Sie fiel ihm ins Wort: „Der war ein Unfall und gehört nicht auf die eigentliche Liste. Das hat mir mein Gefühl auch schon signalisiert.“

Bei dem Wort „Liste“ bemerkte sie eine Veränderung in Steinhausers Miene. Ihm entging tatsächlich nichts, wobei er nicht weiter darauf einging und Samantha fortfuhr.

„Es stammt aber auch ein Opfer aus München, was ebenfalls um die Ecke liegt. Die Stadt ist mir darüber hinaus aus meiner Vergangenheit sehr vertraut.“

Er nickte: „Heute Abend haben Sie die restlichen Unterlagen des kontaktierten Umfeldes auf dem Tisch. Ich werde veranlassen, dass Sie Montag und Dienstag in München vor Ort in die Ermittlungen Einsicht bekommen und notfalls noch mal Gespräche mit den Angehörigen des dortigen Opfers führen können. Allerdings nur, wenn unbedingt erforderlich. Seien Sie einfach um zehn Uhr auf der Dienststelle. Dort melden Sie sich bei Hauptkommissar Klaus Maier. Ich werde ihn informieren, dass Samantha Bauer zu meinem erweiterten Team gehört, damit erst gar keine Kompetenzfragen aufkommen. Was die Übernachtung betrifft ……..“, „Schon gut“, unterbrach sie ihn. „Darum kümmere ich mich lieber selber.“

Er nickte und sie gab ihm ungefragt ihren Schlussgedanken mit auf den Weg: „Wir sollten klären, warum alle, außer einem, den Single im Status hatten. Einfach ein Bauchgefühl!“

Er stand auf und verließ, ohne den Kaffee auch nur angerührt zu haben, das Büro. An der Türe drehte er sich noch einmal kurz um: „In München könnte sich ihre Vermutung schon konkretisieren.“

Katrin blickte Samantha irritiert und zugleich fragend an, erntete aber nur ein Schulterzucken.

„Okay! Er mag ein komischer Kauz sein. Doch ich glaube nicht, dass man ihn unterschätzen darf. Er wirkt auf mich immer ein wenig wie ein zerstreuter Professor. Ich glaube, dass dieser Mann ganz genau weiß, was zu tun ist, um den bösen Jungs auf die Schliche zu kommen. Ich bin mir aber gerade nicht sicher, was sich in München bestätigt bekommen soll? Er weiß mehr als in den Unterlagen steht, soviel ist jedenfalls schon mal sicher!“

Die jüngere Kollegin stimmte dieser Beobachtung nickend zu. Danach entsorgte sie den Kaffee in einer Pflanze am Fenster.

Sam bestellte sich in der Zwischenzeit ein Zimmer im Hotel am Viktualienmarkt. Sie kannte das Garni aus ihrer Vergangenheit und wusste, dass von dort aus, das Polizeirevier über den Marienplatz schnell zu erreichen war. Seit sie das Studium abgebrochen und die Stadt verlassen hatte, war sie nie mehr dorthin zurückgekehrt. Irgendwie freute Sam sich schon auf den Besuch in der alten Heimat. Nach der Mittagspause checkte sie die Mails. Und siehe da: Er hatte sich wieder gemeldet.

< Du solltest ein bisschen tiefer in der Vergangenheit der Opfer bohren! Glaub mir, sie hatten eine Abreibung verdient. Ich wähle leider nicht aus, wer als nächstes drankommt. Das erledigen die Opfer selbst. Was die Zweier bedeuten? Gratulation! Gut recherchiert. Das wird dir helfen den Fall zu lösen. Sehe ich dich heute wieder in der Seebach-Klause?>

Jetzt sprang sie von ihrem Stuhl auf und rannte ans Fenster. Beide Hände am Kopf als müsste sie diesen vor dem Auseinanderbrechen schützen, kam ihr beim Blick ins Grüne kein klarer Gedanke. Plötzlich lagen unerwartet zwei Hände auf ihrer Schulter. Vor Schreck schnellte sie herum und sah Katrin in die Augen, die ebenso erschrak.

„Alles Okay bei dir?“

Sam nickte. „Schon gut. Mir geht gerade nur zu viel durch den Kopf. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich dieses Spiel mit dem Wahnsinnigen eingehen darf.“

„Hat er sich noch mal gemeldet?“ Samantha überlegte kurz und meinte dann, noch immer in Gedanken versunken:

„Frag bitte nicht! Sobald es etwas Wissenswertes gibt, informiere ich dich. Ist nur zu deinem Schutz! Glaub mir.“

Sie machte eine kurze Pause und überlegte wie sie weiteren Fragen aus dem Weg gehen konnte.

„Wenn ich übrigens Montag und Dienstag in München bin, kannst du hier mal den Laden schmeißen und Chef spielen.“

Sie lächelte beim letzten Satz, doch erkannte Katrin auch das Ablenkungsmanöver und dass es keinen Sinn machte, weiter nachzuhaken. Natürlich war ihr aufgefallen, dass die Chefin heute, kaum redend, mit etwas haderte.

Sie wusste somit aber auch, dass eine weitere Mail eingegangen war. Allerdings ohne zu wissen, was drinstand. Sie hoffte darauf, vielleicht am Abend etwas aus Samantha herauszubekommen, wenn der Alkohol die Zunge wieder lösen würde. Sie wusste jetzt allerdings auch nicht, was sie in der nächsten SMS schreiben sollte.

Blutspur in die Vergangenheit

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