Читать книгу Blutspur in die Vergangenheit - Robert Zirlewagen - Страница 14
11. Ein geheimnisvoller Typ
ОглавлениеDer Dienstschluss ließ nicht mehr lange auf sich warten. Katrin tauchte kurz nach zwanzig Uhr bei Sam auf. Sie bog in die kleine dunkle Seitengasse ab und klingelte an der Haustüre. Durch das Treppenhaus kam man über eine Steintreppe hinauf in das zweite Obergeschoss.
Die Wohnung erstreckte sich über einen Großteil des darunter liegenden Ladengeschäfts. Gleich wenn man durch die Eingangstüre links eintrat, stand man in einem riesigen Raum, der das Esszimmer und das dahinterliegende Wohnzimmer präsentierte. Eine offene Küche, die man erst nach ein paar Schritten erblickte, lag etwas versteckt rechts in einer Nische. Eine kleine Bar mit zwei davorstehenden Hockern trennte den weiß glänzenden Kochbereich vom offenen Ess-/Wohnzimmer.
„Darf ich?“ fragte Katrin und ging bereits weiter in den hinteren Bereich. „Tu dir keinen Zwang an. Das Schlafzimmer ist hinten links, wenn dich das interessiert.“
Tatsächlich fand sie auch noch diese Türe und trat ungeniert ein. Hier breitete sich ein riesiges Bett aus, welches nur Zentimeter vor dem, durch eine Glaswand getrennten, Bad stand.
„Geil“, sagte sie spontan, während Sam hinter ihr auftauchte.
„Kaffee, Whisky oder lieber Portwein?“ Katrin überlegte kurz: „Einen kleinen Portwein bitte. Vielleicht aber nur so viel, dass wir nicht schon das Taxi auf dem Hinweg benötigen.“
Sie nahmen an der Bar Platz, um sich auf den Abend einzustimmen: „Was für eine Erleuchtung hattest du denn gestern, welche dich so umgebogen hat?“
„Hängt alles mit meiner Vergangenheit zusammen. Ich habe früher ein paar Dinge getan, die ich nicht hätte tun sollen. Jedenfalls musste ich im letzten Jahr ein ziemliches Tief durchlaufen und hab zu nichts mehr richtig Lust gehabt. Sport, Männer, der Job, alles hat mich irgendwie angekotzt. Nun machte sich gerade in den letzten zwölf Monaten auch noch dieses Gefühl breit, als hätte ich einen von mir angezettelten Krieg gegen meinen Vater verloren. Ja, und aus diesem Loch krabble ich nun langsam wieder raus.“
Es entstand eine kurze Pause nach welcher Sam das Thema wechselte, da sie nicht daran interessiert war, weiter über ihre Vergangenheit zu reden.
„Ich war übrigens gestern joggen. Vielleicht als kleine Kampfansage für unseren Triathlon, damit du dir nicht zu sicher bist, wer von uns zuerst ins Ziel kommt.“
Katrins Antwort kam knapp, aber mit einem breiten Lächeln unterstrichen: „Beim letzten Triathlon wurde ich Dritte und mein Ziel ist es, mich sukzessive zu verbessern.“
„Okay! Dann mal ein kurzer Schnelltest? Wenn du beim Laufen den Zweiten überholst, wievielter bist du dann?“
Katrin antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Dann habe ich es endlich geschafft und bin auf meinem geliebten ersten Platz!“
Sam hob triumphierend die Faust: „1:0 für mich. Den ersten Drink übernimmst heute du.“
Da kam die junge Kollegin doch ins Grübeln und hielt sich das Szenario gedanklich noch mal vor Augen. „Schei……! Du hast Recht. Wenn ich den Zweiten überhole, war ich ja Dritter und bin somit erst auf Rang zwei vorgerückt.“
Sam nickte und setzte laut zum Dolchstoß an: „Ja! Weiter wirst du wohl auch nicht kommen, da der erste Platz ja schon für mich reserviert ist.“
Ein erneuter Gegenschlag von Katrin ließ nicht lange auf sich warten: „Für dich ist es ja auch einfach, Erster zu werden.“ Da Sam nicht gleich verstand, legte Katrin nach: „Na, mit über dreißig kannst du ja schon bei den Seniorinnen antreten.“
„Danke!!!“ Lachend stießen die Portweingläser zusammen, bevor es wenig später endlich Richtung Seebach ging.
„Wie gehen wir heute vor?“ Katrin spielte mit ihrer Frage auf das Männerthema an.
„Falls es heute jemanden gibt, der mich nicht anquatscht, dann bekommt er eine Chance.“
Beide fingen laut an zu lachen und Katrin ergänzte: „Also schon wieder ohne Beute heimfahren?“
Somit bekam dann auch die Begrüßung von Lui, am Eingang der Seebach, von Katrin den passenden Kommentar: „Leider verloren, mein Freund!“
„Schade eigentlich“, ergänzte Sam und der Türsteher blieb etwas verwundert und enttäuscht zugleich, im schmalen Eingangsbereich zurück. Die Uhr zeigte kurz vor zehn, wobei nicht wirklich viel los war.
Die Mädels setzten sich an die Theke des kleinen Bistros, welches rechts hinter der Kasse durch eine Schwingtüre vom Hauptbereich getrennt lag. Es war der bekannte Raum, in dem die Einbrecher zugeschlagen hatten. Mit je einem Baguette und zwei Radlern begann die Stärkung für eine lange Nacht.
Danach ging es hinauf in den zweiten Stock, wo sie die Tanzfläche von der Bar aus gut einsehen konnten.
Hatte der Handymörder mit seiner Anwesenheit heute in der Disco geblufft oder würde sich dieses Ungeheuer tatsächlich blicken lassen? Sam versuchte sich all die Gesichter einzuprägen, welche ihr hier noch nie aufgefallen waren. Verkehrte dieser Typ eventuell schon länger in ihrer Umgebung?
„Lust zu tanzen?“ Katrin ließ mit einem: „Sorry, aber hab keinen Bock“, nun schon den Dritten abblitzen und Sam bekam bestätigt, dass hier eine ernst zu nehmende Konkurrentin am Start war. Sie selbst hatte bis jetzt erst eine Einladung zu einem Drink abgeschlagen. Die jüngere Kollegin lag also eindeutig in Führung.
Während sie Katrin von oben bis unten inspizierte, musste Sam sich eingestehen, dass diese, in ihrem zu kurzen Trägerhemdchen, welches es nicht ganz bis zur abgenutzten Jeans schaffte, sehr ansprechend rüberkam. Die schweren Biker-Stiefel rundeten das Ganze lässig ab. Ihr langer Körper kam perfekt zur Geltung und die Augen strahlten förmlich im Schwarzlicht.
Samantha trug dagegen ein schwarzes Hemd, leger über ihrer enganliegenden Jeans. Sie hatte ein paar leichte Sommerschuhe an, um nicht noch größer zu wirken. Das Outfit kaschierte die eigentlichen Formen, worauf sie den mangelnden Erfolg heute zurückführte.
„Wenn das mit der Anmache nicht bald besser wird, dann musst du heute die halbe Disco mit nach Hause nehmen,“ fing Katrin nun auch noch an zu sticheln.
Da drehte der Boss auf und ließ den Flirtblick über die Location schweben. Glücklicherweise funktionierte es noch immer, dass sie eher auf einen Drink eingeladen, statt zum Tanzen aufgefordert, wurde. Nach dem sechsten Bier spürte sie dann langsam, wie der Alkohol anfing zu wirken, während Katrin gerade mit ihrem Bruder, ziemlich nass geschwitzt, von der Tanzfläche zurückkehrte.
Katrin: „Wie machst du das nur, dass die dich auf einen Drink statt zum Tanzen einladen?“
„Wahrscheinlich denken die Jungs, dass ich mich in meinem Alter kaum noch bewegen kann oder mir vielleicht sogar was brechen könnte!“
Thomas stand, die kleinen Neckereien verfolgend, nur stumm daneben, worauf ihm die kleine Schwester befahl: „Sprich sie bitte an!“
Als er fragend den Kopf hob, folgte ihre Erklärung: „Ich will nur ein Unheil verhindern!“
Sam betrachtete den smarten Boy und meinte: „Sag nichts und du wirst diese Nacht nie vergessen!“ Jetzt kratzte er sich unsicher am Kopf, während die Mädels über ihn lachten.
Dann tauchte er plötzlich doch noch auf. Aus heiterem Himmel und direkt neben Thomas stehend. Ein blonder Surfer-Typ, mit zerrissenen Hosen und einem hautengen grauen T-Shirt. Er war vielleicht knapp über einen Meter achtzig groß, benötigte sichtlich noch nicht oft den Rasierer und hatte knallblaue Augen.
„O là Franko“, klatschte Thomas mit ihm ab. Sam hatte diesen Playboy schon ein paar Mal beobachtet. Er war sicher kaum über zwanzig, hatte aber dauernd wechselnde Mädels an seiner Seite.
Sam überlegte, nachdem sie dieses Geschehen mehrmals beobachtet hatte, dass er ihr Pendant sein könnte, was die eigene wilde Vergangenheit betraf.
„Hi Thomas. Was geht?“ Dass er sich nach der Begrüßung gleich mit dem Rücken zu den Mädels drehte, konnte die kalte Schulter bedeuten oder aber, dass sie mit den Blicken nicht mehr an seinem Knackarsch vorbeikommen sollten.
Samantha fiel in dem Moment auf, dass sie eigentlich nie richtig gelernt hatte, einen Jungen anzusprechen. Normal reichte es aus, die Buben mit einem kurzen Lächeln einzuspinnen und dann zuzustechen. Aber so schwer konnte es ja auch nicht sein, weshalb sie die, vom Alkohol eh schon stark ins Abseits gedrängten, Hemmungen einfach überwand.
„Jungs? Wollt ihr was trinken?“
Grinsend, als hätte er die Frage bereits erwartet, drehte sich Franko um. „Aber nur, wenn ich dich einladen darf.“ Dass er Katrin mit einem Augenzwinkern links liegen ließ, deutete schon darauf hin, dass sich die beiden kannten. Dies dürfte die Konkurrenz von ihrer Seite also ausschließen.
„Samantha. Meine Freunde nennen mich aber Sam!“
„Franko! Gibt es viele solche Freunde?“ Mit einem breiten Grinsen bestellte er gleich zwei doppelte Whiskys.
´Also anbrennen lässt dieser Junge ja nichts, wenn er mit solchen Beschleunigern vorgeht´, zollte Samantha Respekt und ließ sich auf die doch sehr amüsante Unterhaltung ein. Franko war weder steif, noch litt die Konversation unter seinem jungen Alter. Sam vermutete, nach dem ersten Austausch, eine gehobene Bildung und die dazugehörige Etikette. Durch den sich heißer entwickelten Flirt vergaß sie total den Handymörder.
Katrin verabschiedete sich dann kurz nach drei, mit einem kurzen Schulterklopfen. „Thomas fährt mich nach Hause. Willst du eventuell mitfahren?“
„Neee Kathleen! Wir bleiben noch auf einen letzten Drink“, beantwortete Franko die Frage, die offensichtlich nicht ihm galt.“
Da seine Stimme nicht mehr klar war, ging Sam davon aus, dass es sich wirklich um den letzten Drink handeln müsste. Denn sonst würde er es nicht mehr auf zwei Beinen durch die Eingangstüre schaffen.
„Ist schon gut Kathleen“, signalisierte sie ihrer Kollegin, den englischen Namen grinsend betont. Katrin wirkte über die Einmischung von Franko ziemlich verärgert. Auch bei seiner Flirtfreundin punktete seine bestimmende Art nicht wirklich, doch wollte Sam diesen Abend jetzt nicht mit einem unnötig provozierten Streit beenden. Sicher wäre der König des Anbaggerns in diesem Moment nicht zu einer sachlichen Diskussion im Stande gewesen. Dafür war sein Zustand zu stark auf kontrolliertes, beratungsresistentes Bestimmen geschaltet.
„Ich ruf dich morgen an“ meinte Katrin, während sie sich bereits wegdrehte.
Thomas kam glücklicherweise nach einer halben Stunde wieder zurück und hatte mit ziemlicher Sicherheit den Auftrag von seiner Schwester im Sack, Samantha heil nach Hause zu geleiten. Er brauchte nicht einmal etwas zu sagen, schon stand das angeheiterte Duo auf und schwankte hinter ihm her. Erst jetzt erkannte Sam, wie auch ihr der Alkohol übel mitzuspielen versuchte. Man merkte es ihr nicht sofort an, weil sie gut die Balance hielt, doch spürte sie leichte Lähmungserscheinungen.
War sie etwa blöd gesessen und ihr waren die Beine eingeschlafen?
Lui bemerkte das Trio beim Verlassen der Diskothek glücklicherweise nicht, weshalb sich eine unangenehme Diskussion erübrigte.
Thomas erkläre im Auto, dass Katrin unter Freunden Kathleen genannt wurde, was wohl aus dem Englischunterricht kam. Franco schien dagegen eingeschlafen zu sein, weshalb sie ihm keine Bedeutung mehr schenkte.
Warum Sam ihn jedoch kurz darauf, vor ihrer Wohnung ankommend, mit aussteigen ließ, konnte sie sich selbst nicht erklären. Das Überraschungsmoment lag allerdings auf seiner Seite. ´Wie schnell so ein schlafender doch aufspringen kann?´
Thomas rief noch hinterher und wollte aussteigen, doch Sam winkte ab. Mit dem Milchbubi würde sie schon fertig werden. Sollte er doch gleich wieder auf dem Sofa einschlafen und morgen vor dem Frühstück verschwinden.
Mit diesem Gedanken lag sie leider weit daneben.
Oben angekommen, drückte er sie noch im Flur an die Wand und seine Zunge baggerte sich den Weg durch den Hals, Richtung Herz und Lunge, frei. Beim Öffnen der Türe riss er ihr regelrecht die Kleider vom Leib, wobei seine Hektik Samantha mehr überraschte als irritierte. Schon landete sie rückwärts auf dem Sofa.
Seine Finger waren plötzlich überall, während die Zunge immer noch dabei war, den Weltrekord im Trommelwirbel zu brechen. Das Geschlabber kam ihr vor, als würde sie mit dem Auto durch eine Waschstraße fahren.
Es ging alles so schnell, dass Sam, immer noch vom Alkohol gelähmt, diesem Grabsch-Angriff gar nicht mehr ausweichen konnte. Fast hätte sich bei ihr anfänglich noch ein Lachkrampf gelöst und die Frage lag auf der Zunge, ob dies sein erstes Mal sei und er tatsächlich noch keine Erfahrung mit Frauen hatte? Doch dann blieben ihr die Worte einfach im Hals stecken. Dieses Bürschchen holte tatsächlich gerade zum großen Finale aus.
Außer in Nase und Ohren steckten seine Finger und gefühlte zehn Zungen plötzlich überall, wo eine empfindliche Stelle zu finden war.
War das ihre Stimme, die stöhnte oder seufzte, „hör auf!“ War es ein Jammern oder Wimmern? Es fühlte sich an als würde sie dem Szenario von außen zusehen. Als würde Samantha dastehen und ihrer eigenen Vergewaltigung zuschauen.
Warum spürte sie ihn plötzlich nicht mehr und was war das für ein helles Licht. Sie riss gewaltsam die Augen auf, während er plötzlich aufsprang und zum Ausgang rannte.
Hatte er etwa gerade mit dem Handy ein Foto geschossen? Hatte er gerade womöglich alles gefilmt oder aufgenommen?
Es ging so schnell, dass ihr Verstand nicht in der Lage war, diese Situation richtig wahrzunehmen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie splitternackt dalag und gerade undefinierbaren Sex hatte.
Er dagegen musste für diesen Quickie kein einziges Kleidungsstück opfern. Das lähmende Gefühl hatte seinen Höhepunkt erreicht und sie schaffte es nicht einmal mehr, die unplanmäßig gespreizten Beine sauber abzulegen.
>Peng< krachte auch schon die Türe ins Schloss. Samantha wusste jetzt nicht, ob sie lachen oder heulen sollte. Nicht einmal ansatzweise wurde sie sich einer ähnlichen Szene in ihrem doch schon sehr wilden Leben bewusst. War dieses Gefühl von eben etwa ein Orgasmus? Konnte das überhaupt in der kurzen Zeit mit so einem Ganzkörpervibrator möglich sein? Wie lange dauerte dieser körperliche Angriff überhaupt? War sie womöglich zwischendurch noch eingeschlafen und kam erst jetzt wieder zu sich? Und was hatte er, wenn überhaupt, alles fotografiert?
Fragen, die Samantha gerade total verwirrten, sie aktuell aber auch nicht beantworten konnte. Über dieses Geschehen musste morgen, wenn der Alkohol verdunstet war, noch mal gründlich nachgedacht werden. `Dieser kleine Hosenscheißer´, schoss es durch ihr verwirrtes Gehirn, während der Schlaf sie langsam überkam, ´hat mich gerade auf die merkwürdigste und frechste Art der Welt flach gelegt´.
Doch selbst zum Ärgern fühlte sie sich gerade zu schwach.