Читать книгу Haily - Roberta C. Keil - Страница 13
Kapitel 10
ОглавлениеDie nächsten Tage verliefen ähnlich wie mein erster Tag auf der Ranch. Ich durfte tun und lassen, was ich wollte. Aber ständig bat mich jemand um eine Kleinigkeit. Wenn ich sie erledigt hatte, wurde ich mit Dank überhäuft. Es war, wie im Traum. Einerseits. Andererseits bekam ich so nicht das Gefühl, wirklich dazu zu gehören.
Waleah bat mich mehrfach, ihr in ihrem Garten zur Hand zu gehen. Die viele Gemüsepflanzen dort mussten gepflegt werden.
Einmal beobachtete sie mich dabei, wie ich etwas verloren am Bach stand und auf das Wasser starrte. Ich sah noch nie etwas so Schönes. Glitzernd und in weichen Wellen suchte sich das Wasser den Weg durch das Bachbett, über Steine und andere Hindernisse hinweg. Leicht bewegte es sich und der Sonnenschein brachte es zum Strahlen.
Waleah stand plötzlich neben mir und legte mir eine Hand auf die Schulter.
„Manchmal braucht man etwas, wie dieses Wasser, was die Seele reinigen kann.“
Ich sah sie fragend an. Wovon sollte ich meine Seele reinigen? Ich hatte nichts verbrochen, was meine Seele schmutzig machen würde.
Sie begegnete meinem Blick mit diesen wissenden Augen.
„Damit meine ich nicht Schuld. Ich meine Wunden, Verletzungen und vielleicht deren Ursprung.“
Konnte sie Gedankenlesen?
„Gib dir Zeit. Dann wird deine Seele heilen. Du denkst, du hast das Kriegsbeil begraben, weil du alles hinter dir lässt? Aber der Zorn in deinem Herzen ist ungebrochen. – Wenn du den Grund für deinen Zorn vergessen hast, dann ist deine Seele geheilt. Du musst verzeihen lernen.“
Ich schluckte. Sollte ich meiner Mutter verzeihen für das Leben, dass sie mir angedeihen ließ? Oder Mickey? Weil ich wegen ihm in Maricopa gelandet war? Führte die Schamanin öfter solche Gespräche?
„Sieh, es ist wie mit den Pflanzen. Ich gebe ihnen die Möglichkeit, im Boden zu wurzeln. Durch die Erde und das Wasser wachsen sie. Wenn die Früchte reif sind, gibt die Pflanze sie mir ab. – Eltern sollten ihren Kindern solche Wurzeln geben. Aber irgendwann sollten die Kinder fliegen lernen. Nur so kannst du dein eigenes Leben führen.“
Was wusste Waleah über meine Eltern? War der Beruf, den meine Mutter ausübte, hier allgemein bekannt?
Waleah sah mich an.
„Tut mir leid. Ich habe wohl einen wunden Punkt berührt. Deine Eltern sind die Ursache für deinen Zorn.“
„Ich bin nicht zornig!“, begehrte ich trotzig auf.
„Aber du haderst mit deiner Herkunft und dem Erlebten.“
„Was weißt du darüber?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Nur Jacky hat Informationen über dich bekommen und die waren wohl spärlich. – Niemand hier, weiß etwas über dich. Aber es ist unser Wunsch, dass du Vertrauen zu uns fasst.“
Unsere Augen verbohrten sich ineinander. Ich würde diesem Blick nicht ausweichen. Niemand wusste etwas über mich, sagte sie. Das war gut. Sie lächelte jetzt.
„Du bist ein Kämpfer. Das wird dir helfen.“
Ich runzelte die Stirn. Was sagte sie da? Ich kämpfte nicht.
Die Nachmittage verbrachte ich an dem Korral, in dem Aiden unermüdlich mit dem schwarzen Hengst arbeitete. Es war faszinierend, ihm zuzuschauen. Ich studierte dabei seinen Körper, wie er sich geschmeidig bewegte, wie er ausdauernd den Ausweichbewegungen des Tieres begegnete. Wie er mit unkontrollierten Handbewegungen seine Haare aus dem Gesicht strich. Und ich lauschte dieser sanften Stimme und dem Klang der gälischen Worte, die er unentwegt dem Hengst zusprach.
An einem der Nachmittage kam Sandy zum Korral.
„Reizt es dich nicht, reiten zu lernen?“
„Hattest du das Verlangen am Anfang direkt? Oder konntest du schon reiten?“
„Ich habe als Kind einmal auf einem Pferd gesessen, mehr nicht. Als ich herkam, war es keine Frage. Nachdem Michael geboren war, hat Jacky kaum einen Monat gewartet, bevor sie mit Princess auf die Weide gegangen ist. Und als nächstes hat sie mir Unterricht gegeben.“
Sie beobachtete Aiden jetzt ebenfalls. Ob sie genauso fasziniert von ihm war, wie ich?
„Na ja, eigentlich wollte ich nur fragen, ob du mit nach Camp Verde fahren möchtest? Ich muss kurz in den Drugstore. Wir könnten einen Kaffee dort trinken.“
Ich grinste. Das klang nach Abwechslung.
Sandy nahm den alten Pickup, der als allgemeines Fahrzeug auf der Ranch diente.
„Steht der allen zur Verfügung?“
„Hast du eine Fahrerlizenz?“
Ich schüttelte den Kopf. „Dafür hatten wir kein Geld. – Aber ich kann fahren.“
Sie lachte. „Das reicht Jacky nicht. Tut mir leid.“
„Aber ich kann fahren, wirklich.“
„Mag ja sein. Aber ohne die Lizenz lässt dich hier niemand fahren. – Du solltest sehen, dass du sie in Prescott oder so bekommst.“
„Gibt es hier in Camp Verde niemanden, bei dem man die Lizenz bekommen kann?“
Sandy parkte den Pickup jetzt vor dem Drugstore.
„Ich fürchte, nicht.“
Ich fluchte leise und dann betraten wir das Geschäft.
„Hi, Sandy, schön, dass du mal wieder vorbeischaust. Und wen hast du mitgebracht?“
„Hallo Mrs. Bender. Das ist Emma, sie arbeitet auf der Ranch. Sie werden sie also des Öfteren sehen.“
„Na, das hoffe ich doch. Herzlich Willkommen, Emma.“
„Danke, Mrs. Bender.“ Ich lächelte die ältere Dame hinter dem Tresen freundlich an. Sie erinnerte mich an Tippy, die alte Frau aus dem Drugstore in unserer Straße in Vegas. Sie war immer nett zu mir gewesen. Und das, obwohl sie wusste, was meine Mutter beruflich trieb. Jeder in Vegas wusste, was es hieß, wenn eine alleinstehende Frau in der Unterhaltungsbranche arbeitete.
„Was braucht ihr Mädchen denn?“
„Wir schauen uns schon um, Mrs. Bender. Danke.“
In der Tat scannte ich die Regale nach Dingen, die ich brauchen konnte.
„Gibt es hier ein Lebensmittelgeschäft?“, wandte ich mich an Sandy.
„Ja, weiter die Straße hinunter. Einschließlich einer Bäckerei.“
Ich bedankte mich und legte einige Sanitätsartikel auf den Tresen. Mrs. Bender rechnete ab und ich bezahlte mit meinem eigenen Geld. Für das ich bisher nicht eine Minute anständig gearbeitet hatte.
„Ich gehe schnell zu dem Lebensmittelgeschäft, okay?“
Sandy nickte. „Ich komme nach“, rief sie, während ich den Drugstore schon verließ.
Ich sah den roten Ford Mustang, der langsam die Straße hinunterrollte, sofort. Wie hieß sein Besitzer gleich? Freddy Sander. Ich wusste diesen Namen noch. Er versprach etwas Abwechslung.
Sander entdeckte mich, denn er parkte am Straßenrand vor mir und stieg aus, drückte die Autotür zu und lehnte sich lässig an seinen Wagen.
„Sieh an, sieh an! Die kleine Emma, zur Abwechslung im Sonnenlicht!“, sagte er, als ich an ihm vorbeiging.
Ich nickte ihm zu. „Freddy!“
Da ich weiterging, schob er sich neben mich und ging neben mir her.
„Und? Bist du gut nach Hause gekommen? Hat dich der alte Andy nicht vor mir gewarnt?“
Ich blieb stehen und sah ihn an. Woher wusste er von Andy?
„Du hast es nicht gewusst, oder?“ Er lachte laut, seine geraden Zähne leuchteten dabei auf. „Die Ladies der Ranch werden gut bewacht.“
„Natürlich wusste ich das!“
Er lachte wieder. „Na klar, kleine Emma!“
„Verdammt, sag nicht immer kleine Emma zu mir! Wo ist überhaupt dein Busenfreund Leo?“
„Wir sind keine siamesischen Zwillinge. Und was hast du jetzt vor?“
„Ich muss in den Lebensmittelladen.“
„Na, das passt ja. Ich muss auch was besorgen. Meine Mom hätte morgen Geburtstag. Ich bring ihr an dem Tag immer was auf den Friedhof.“
„Das tut mir leid, mit deiner Mom.“
„Lange her.“
Ich betrat das Geschäft. Nahm einen Korb und ging durch die Regale. Ich brauchte Brot und wollte mir eine Flasche Wein kaufen. Gegen die langweiligen Abende. Ungefragt bekam ich von Freddy eine ausführliche Beratung. Als er endlich endete, zeigte ich auf eine Flasche.
„Ich nehme immer den da!“
Er lachte schon wieder.
„Was hältst du davon, Emma, wenn ich dich gleich mit deinen Einkäufen nach Hause bringe?“
„Ich bin mit Sandy hier.“
„Oh, wow! Miss Anstandsdame.“
„Nein, Arbeitskollegin. Und normalerweise gehe ich mit dem nach Hause, mit dem ich gekommen bin. Nennt man bei uns Anstand.“
Er sah sich kurz um und drängte mich in eins der Regale, die etwas abseits standen. Ich spürte seine Körperwärme und konnte sein Rasierwasser riechen. Nicht unangenehm, trotzdem hatte er etwas an sich, dass meine Nackenhaare aufrichten ließ.
„Deine Unnahbarkeit macht mich an, Emma. Können wir uns nicht mal treffen, ich meine ohne Andy und ohne Sandy? – Ich hätte gerne etwas mehr von dir! Wann hast du frei?“
Immer, hätte ich fast geantwortet. Er war attraktiv. Ohne Zweifel. Aber ich besann mich, hörte auf meine Nackenhaare. Davon abgesehen sollte er nicht den Eindruck bekommen, ich wäre leicht zu haben.
„Ich hätte am Samstag Zeit, aber erst am Nachmittag.“
„Okay, ich hole dich ab und dann fahren wir hinaus zum See. Dort steigt eine Party. Da könnten wir hingehen, was meinst du?“
„Klingt fast wie ein Date!“
„Das behältst du aber besser für dich. Könnte sein, dass deine Leute dich nicht dorthin lassen.“
Ich lachte. „Ich bin zwar Mitarbeiter der Ranch, aber die Sklavenzeit ist vorbei. Sogar in den Südstaaten.“
„Du lässt dich nicht unterbuttern, das gefällt mir. Also Samstag, abgemacht?“
„Abgemacht!“
Er sah sich wieder um und dann verschwand er aus dem Geschäft.
„Was wollte Sander von dir?“, fragte mich Sandy später, bevor sie den Wagen startete. Ihr Tonfall klang etwas zu beiläufig. Ich beobachtete sie von der Seite. Wann hatte sie Sander gesehen? Auf ihrer Stirn lag eine Falte.
„Er hat etwas gefragt.“
„Ah, und was?“
Ich grinste und sah aus dem Fenster. Auf der anderen Straßenseite parkte gerade ein dunkler Ford-Pickup. Es stieg ein Mann aus, vielleicht Mitte Zwanzig. Er war hochgewachsen, schulterlanges blondes Haar, mit Bart und breiten Schultern ausgestattet. Seinen Hut aufsetzend, drehte er sich zu unserm Fahrzeug um. Sandy ließ kurbelte das Fenster hinunter. Ein Blick des Mannes traf mich. Er war ernst. Er war nicht mein Typ. Trotzdem gab es da etwas, was mich auf ihn aufmerksam werden ließ. Ich prägte mir sein Gesicht ein.
„Hab‘ ich vergessen. Wo er irgendwas findet. Aber ich kenne den Laden ja nicht.“
Jetzt lachte Sandy. „Na dann hat er dich ganz schön an der Nase herumgeführt. Er wohnt hier und kennt das Geschäft wie seine Westentasche.“
Ich schlug mir mit der Hand auf den Oberschenkel. „Das kam mir doch schon komisch vor. – Was habt ihr nur gegen ihn?“
„Er ist der Badboy der Stadt. Leader der Gang und so weiter. Mit ihm lässt man sich besser nicht ein.“
„Oh, so ein Mist!“ Ich fluchte gespielt. „Er hat mich zu einer Party eingeladen. Ich fand es unhöflich, abzulehnen.“
„Oh, Emma, du gerätst in Schwierigkeiten.“
Ich lachte. Wenn Sandy wüsste, wo ich aufgewachsen war, würde das Wort Schwierigkeiten für sie eine neue Dimension bekommen. Diesen Badboy aus der Provinz würde ich einmal anhauchen und er würde umfallen, dessen war ich mir sicher.
„Quatsch! Er ist charmant. Ich passe schon auf mich auf. Keine Sorge.“
„Das wird Jacky und Aiden nicht gefallen.“
Ich blies die Backen auf.
„Sie hat gesagt, ich sei ein freier Mensch. Ich langweile mich noch zu Tode hier draußen.“
Sandy schüttelte den Kopf. „Der da“, sie reckte das Kinn in Richtung des Cowboys mit dem schulterlangen Haar, der jetzt zu unserem Wagen hinübergeschlendert kam, „Nathan. Das ist ein anständiger Mann!“ Sie lächelte verzückt. Hier war wohl jemand schwer verliebt.
Nathan lehnte sich auf die Autotür. „Hi, Sandy! – Hallo, Fremde!“ Er grinste mich an und nahm seinen Hut ab. Seine rechte Hand strich lässig eine Strähne hinter sein Ohr. Und seine blauen Augen zogen mich in ihren Bann. Er nicht mein Typ. Außerdem, ich liebte dunkle Augen, wie die von Aiden.
„Hi, Nathan! – Das ist Emma! Sie ist neu auf der Ranch!“
Danke für die Vorstellung, dachte ich und beschränkte mich auf ein Nicken. Er lächelte mich an. Ich lächelte zurück und hielt seinem Blick stand.
„Kommt ihr Mädchen am Samstag auf das Waldkonzert am See? Meine Band spielt dort.“ Er sah mich weiterhin an.
„Gern! Ich habe die Plakate schon überall gesehen!“, antwortete Sandy und starrte ihn an. Nur kurz kehrte sein Blick zu ihr zurück. „Wenn ich das richtig verstanden habe, geht sie mit Sander hin, oder?“ Sie blickte mich an und Nathans Augen wurden dunkel, sein Gesichtsausdruck ernst. Das Lächeln war verschwunden.
„Mit Fred Sander?“, fragte er.
Ich nickte. „Er hat mich gerade eingeladen. Hab‘ noch nicht so den Plan des „Who is who“ in Camp Verde.“ Ich grinste breit. Sander war wirklich nicht beliebt hier.
„Nun denn! Wir sehen uns!“ Er klopfte verabschiedend auf die Tür und wandte sich ab. Endlich fuhr Sandy los. Ich war wütend auf sie.
„Vermutlich wirst du meine Einladung von Sander jetzt gleich dem Nächsten auf die Nase binden! Aber es muss keinen interessieren, mit wem ich mich treffe. Ich kann selbst auf mich aufpassen, verstanden?“ Ich bemühte mich um einen ruhigen Tonfall. Aber sicher spürte sie, wie aufgebracht ich war.
„Sander ist so eine Sache, weißt du?“
„Noch nicht, aber ich werde es schon herausfinden. Und wenn es soweit ist, bist du die Erste, der ich es erzähle!“
„Du musst vorsichtig sein mit ihm! Er weiß nicht, wo seine Grenzen sind. Und er ist gewohnt zu bekommen, was er will.“
„Da wäre er nicht der Erste in meinem Leben!“
„Wir wollen dich nur schützen, Emma!“
Ich schwieg jetzt und lächelte, weil ich es gewohnt war, unterschätzt zu werden.
Niemand auf der Ranch fragte nach meiner Verabredung am Samstag. Ich hatte vermutet, dass Sandy die Springfields darüber in Kenntnis setzen würde und war auf Diskussionen eingestellt, aber das blieb aus.